Der soziale Motor des Sports

Beim Kongress zu „Integration durch Sport“ haben am vergangenen Freitag beim DOSB 140 Teilnehmende aus dem organisierten Sport und sozialen Institutionen Perspektiven der sportbezogenen Integrationsarbeit diskutiert.

Die Themen beim Kongress "Integration durch Sport" fesselten die Teilnehmenden und regten zu lebhaften Diskussionen an. Foto: DOSB
Die Themen beim Kongress "Integration durch Sport" fesselten die Teilnehmenden und regten zu lebhaften Diskussionen an. Foto: DOSB

Dauerhafter Erfolg in der Integrationsarbeit beruht ganz wesentlich auf hohem Engagement und einer regelmäßigen und kritischen Reflexion über das eigene Handeln. Nicht nur aus diesem Grund trafen sich am 17. November rund 140 Vertreterinnen und Vertreter aus Landessport- und Spitzensport-Verbänden, Vereinen und sozialen Organisationen beim DOSB in Frankfurt, um über die Bedingungen erfolgreicher Integrationsarbeit in und durch den Sport zu diskutieren. Ausrichter war der DOSB in Kooperation mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin), gefördert wurde der Austausch vom Bundesinnenministerium des Innern (BMI) und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen Fragen wie: Was kann „Integration durch Sport“ (IdS) leisten, und welche konkrete gesellschaftliche Rolle spielt der Sport mit seinen rund 27 Millionen Mitgliedschaften in 91.000 Sportvereinen im Integrationsprozess, beziehungsweise welche Voraussetzungen und welche Unterstützung werden benötigt, um die weitgehend ehrenamtlich engagierten Mitglieder bei ihrer Arbeit zu entlasten? Beispielhaft äußerste sich dazu der 23-malige Fußball-Nationalspieler und DFB-Integrationsbeauftragte Cacau, der sowohl seine persönliche Integrationserlebnisse beisteuerte als auch Erfahrungen und Beobachtungen nach einem Jahr im Amt mit zahlreichen Vereinsbesuchen. Sein Fazit: „Der Fußball kann so viel mehr als Stadien füllen, für tolle TV-Quoten sorgen oder Titel gewinnen. In meinen Jahren als Profi habe ich das soziale Engagement an der Basis des Fußballs überhaupt nicht mitbekommen. Jetzt bin ich beeindruckt. Der Fußball wird seiner Verantwortung gerecht.“ Klar ist aber für den WM-Teilnehmer von 2010: „Gerade durch das Ehrenamt kann der Fußball und auch der gesamte Sport diese Kraft für die Integration entwickeln.“

Die Diskussionsgrundlage bildeten die empirischen Untersuchungsergebnisse zum Bundesprogramm „Integration durch Sport“, die die unter Leitung von Prof. Dr. Sebastian Braun an der HU Berlin im Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) und in der Abteilung Sportsoziologie am Institut für Sportwissenschaft durchgeführt wird. Prof. Dr. Sebastian Braun untersuchte auf der Basis der Daten vier zentrale Fragen: Wer ist Stützpunktverein, wer ist in diesen Vereinen Mitglied und nimmt an den IdS-Angeboten teil, wer erstellt die Angebote in Stützpunktvereinen?

Die Bedeutung dieser Fragen ergibt sich u.a. daraus dass sie die Bedeutung der extrafunktionalen, also über das „Kerngeschäft“ hinausgehenden Leistungen der Vereine (Integration durch den Sport) in den Vordergrund rücken. Das bedeutet, dass sich der Fokus, und auch die Erwartungshaltung seitens der Politik, zunehmend darauf richtet, wie zugewanderte Menschen durch den Sport sozial integriert werden. „Der Verein erhält eine stärkere Scharnierfunktion zwischen Individuum und Gesellschaft“, sagt Sebastian Braun.

Vier wichtige Erkenntnisse der wissenschaftlichen Begleitung durch die HU Berlin seien an dieser Stelle herausgehoben: In den Stützpunktvereinen ist im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ein hoher Anteil von Personen mit Migrationshintergrund zu verzeichnen. Es dominieren sogenannte niedrigschwellige Breitensport-Angebote; die Vereine verfügen über verzweigte kommunale Netzwerke, um ihre Integrationsarbeit umzusetzen. Und viertens: Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund als ehrenamtlich und freiwillig Engagierte ist im Vergleich zum Bundesdurchschnitt hoch.

Das ist einerseits eine Bestätigung für die Impulse und die Unterstützung, die die Vereine durch das Bundesprogramm erhalten und sie befähigen, Integrationsleistungen zu erbringen. In diese Richtung ist auch Martin Lauterbach vom BAMF einzuordnen, der eingangs sagte: „Das Bundesprogramm ist ein Erfolg, davon sind wir fest überzeugt.“

Andererseits verdeutlichen die Ergebnisse die große Motivation und das hohe Eigenengagement, das die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder mit und ohne Migrationsgeschichte einbringen. Für Martin Schönwandt, Vorstand Jugendsport beim DOSB, Anlass darauf hinzuweisen, dass „wir vor dem Hintergrund der sozialen Veränderungen zu wenig über den Verein reden.“ Hier würden Werte vermittelt, die auf vielen Ebenen der Gesellschaft von Bedeutung seien. Da fehle eine angemessene Wertschätzung.

Deshalb sei es wichtig, so Dr. Karin Fehres, DOSB-Vorstand Sportentwicklung, abschließend, „dass man besser verständlich machen müsse, wie ein Verein funktioniert. Welche Aufgaben erfüllt er, und wie begeistert man Menschen dafür, im Ehrenamt soziale Verantwortung zu übernehmen?“ Am Ende aber gelte: Trotz aller Erfolge bei der Integration dürfe man den Sport und seine Menschen nicht überfordern.

(Quelle: DOSB)


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    Kongress Integration DOSB 2017 Teilnehmer Foto DOSB