Akdag: „Türkische Jungs spielen alle Fußball“

Natürlich hat Sinan Akdag einst gekickt, aber im Eishockey war er besser. Der erste DEL-Spieler türkischer Herkunft über seine Erfahrungen als Fremdgänger.

Eishockeynationalspieler Sinan Akdag (Foto: privat)
Eishockeynationalspieler Sinan Akdag (Foto: privat)

Wie viele Interviews haben Sie in den vergangenen Jahren gegeben, weil Sie der erste türkischstämmige Spieler in der Deutschen Eishockey-Liga waren, der DEL?

Schon ein paar, aber so wild ist das nicht. Es war natürlich ein Thema am Anfang, weil ich eben der erste war. Inzwischen hat sich das beruhigt, ab und zu werde ich noch darauf angesprochen.

Wird Ihre Herkunft in der Szene überhaupt noch thematisiert, von wem und wie auch immer?

Von den Mitspielern schaut da keiner drauf, und die Zuschauer in Krefeld haben sich daran gewöhnt. Wenn jemand nicht so viel mit Eishockey zu tun oder zum ersten Mal ins Stadion geht, denkt er natürlich „Oh, ein türkischer Spieler“. Aber für die, die ich kenne, ist das nichts Besonderes. Abgesehen davon bin ich ja auch nicht mehr der einzige, in Nürnberg gibt es jetzt noch einen DEL-Spieler mit türkischem Hintergrund.

Würden Sie in der Türkei auch Eishockey spielen?

Glaube ich kaum, Eishockey ist da nicht so populär. Es wird überhaupt erst seit ein paar Jahren gespielt und es gibt nur ganz wenige Hallen, das Nationalteam spielt bei der D-WM, das ist die unterste Kategorie. Die Jungs in der Türkei spielen alle Fußball, wie die türkischen Jungs in Deutschland auch. 

Türkischer Bayer im Rheinland

Sinan Akdag wurde 1989 in Rosenheim geboren, damals die Heimat des Deutschen Eishockey-Meisters (Sportbund, heute Starbulls Rosenheim, 2. Bundesliga). Mit fünf Jahren nahm Akdag den Puck auf, den er gut genug beherrschte, um später in die deutschen Junioren-Auswahlen berufen zu wernden. Mit 17 schloss er einen Vertrag mit den Krefelder Pinguinen ab, Club der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), für den er seit der Saison 2008/09 regelmäßig zum Einsatz kommt. Am 14. Dezember 2011 machte der Verteidiger gegen Russland sein erstes A-Länderspiel.


Und warum spielen Sie Eishockey?

In meinem Geburtsjahr (1989, d. Red.) wurde mein Heimatverein SB Rosenheim zum letzten Mal Deutscher Meister. Wir haben direkt neben der Eishockey-Halle gewohnt – meine Eltern wohnen da noch –, deswegen war das die erste Option. Mein Vater kannte den Sport nicht, aber er ist ins Stadion gegangen, hat sich das angeschaut und fand's interessant. Da hat er mich angemeldet.

Konnte man mit Eishockey punkten bei den Kumpels? Sie hatten ja wahrscheinlich auch türkische Freunde.

Das war ein ziemlicher Mischmasch. Ich hatte türkische Freunde und polnische, slowenische und natürlich deutsche. Die türkischen kannten Eishockey nicht so gut, die anderen aber schon. Außerdem habe ich ja trotzdem mit Fußball gespielt, ich war sogar im Verein, gleichzeitig mit Eishockey. Deshalb war das ganze Thema nicht interessant, ich war kein Außenseiter.

Und wie war das umgekehrt? Deutsches Eishockey ist in der Spitze sehr international, aber in der Rosenheimer Jugendabteilung ...

… da gab es kaum Spieler mit ausländischen Wurzeln. Ich hab ganz am Anfang, vielleicht bis etwa acht Jahre, ein paar Ausgrenzungen erlebt, aber danach eigentlich nicht mehr. Wenn man jahrelang zusammenspielt, freundet man sich halt an, da achtet man auf so etwas wie Herkunft nicht mehr. 

Sie sind mit 17 nach Krefeld gekommen. War das schwer am Anfang, so als Oberbayer im Rheinland?

Ich war sehr jung, das stimmt. Aber ich bin mit zwei anderen Spielern aus Rosenheim hergekommen, mit denen ich schon als Vierjähriger zusammengespielt habe, einer von ihnen war am Anfang mein Mitbewohner. Das hat's leichter gemacht. Ansonsten spricht man hier halt mehr Hochdeutsch. Das Bayerische kennen die Leute nicht so, aber sie mögen es. Ich hab mich auch ein bisschen angepasst mit der Zeit...

… das „R“ rollt schon noch.

Ja, aber in Rosenheim habe ich wesentlich stärker Bayerisch gesprochen. Wenn das alle tun, macht man's halt genauso.

Sie haben sich etabliert, Ihr Vertrag wurde gerade verlängert. Ist ihr Aufstieg für die örtliche türkische Gemeinde ein Anlass, sich häufiger die Pinguine anzusehen?

Naja, Eishockey ist in Krefeld zwar die Nummer Eins, aber die Türken, die ich kenne, interessieren sich trotzdem mehr für Fußball – für türkischen halt. Die wissen gar nicht, wann ein Spiel von uns ist. Es gibt eine Person, die Eishockey nicht kannte und durch mich kennengelernt hat. Das ist meine Freundin.

Sie haben im Dezember ihr Debüt in der Nationalmannschaft gegeben. Sind Sie froh, nicht dem hohen öffentlichen Druck ausgesetzt gewesen zu sein bei der Frage, für welches Land Sie spielen? Wo der Sport die türkische Seite doch nicht zu interessieren scheint.

Diese Frage hat sich mir gar nicht gestellt. Ich bin in Deutschland geboren und groß geworden und habe schon seit der U 16 in allen Nationalmannschaften gespielt. Für mich war immer klar, für wen ich spiele. Ich bin einfach stolz auf mein erstes Länderspiel, und meine Eltern auch. 

(Quelle: DOSB / Das Interview führte Nicolas Richter)


  • Eishockeynationalspieler Sinan Akdag (Foto: privat)
    Eishockeynationalspieler Sinan Akdag (Foto: privat)