Berlin: Artikelserie "30 Jahre IdS" (1/4) - SC Borsigwalde 1910 e.V.

„Integration durch Sport“ feiert in diesem Jahr seinen 30ten Geburtstag. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg haben tausende Vereine und Engagierte in Zusammenarbeit mit dem DOSB und den Landessportbünden Integrationsmaßnahmen konzipiert, geplant und umgesetzt. Wir schauen zurück auf eine bewegte Vergangenheit und nach vorn in eine Zukunft voller Bewegung.

Die größte und wichtigste Säule des Förderprogramms „Integration durch Sport“ ist die Integrationsarbeit in den Sportvereinen vor Ort. Stellvertretend für die vielen Vereine und Verbände, die in den vergangenen Jahrzehnten ihren Teil zur Integrationsarbeit im Sport in Berlin beigetragen haben, haben wir uns mit einer der Personen getroffen, die fast seit Beginn des Programms mit seinem Fußballverein dabei war:

Carsten Polte ist Präsident des SC Borsigwalde 1910 e.V.

Entgegen der modernen Entwicklungen von Vereinsmitgliedschaften ist er bereits seit 46 Jahren nicht nur aktives Mitglied, sondern engagiert sich mit kontinuierlichen Bemühungen auch freiwillig für den Verein. Nach dem Vereinseintritt 1973 wurde er 1978 zum Jugendtrainer, 1992 zum Jugendleiter und schließlich 1998 erster Vorsitzender. Ein Amt, das nach Umstrukturierungen im Amt des Präsidenten aufging. Als solcher hat er viele Entwicklungen und Veränderung nicht nur miterlebt, sondern auch mit angestoßen und -gestaltet.

Der SC Borsigwalde 1910 e.V. grenzt an das Gebiet der ehemaligen Borsigwerke im Norden Berlins. Ein Kiez, wie Carsten Polte selbst sagt, der sich deutlich vom nobleren Teil Reinickendorfs abhebt und an dessen Bedürfnissen der Verein seine Angebote immer wieder neu ausrichtete.

In Reinickendorf gab es früher viele sportlich sehr erfolgreiche Fußballvereine, an die wir immer wieder gute Spieler verloren haben. Schon damals haben wir uns dementsprechend darauf konzentriert, durch niedrigschwellige Angebote Sport für jeden aus dem Kiez zugänglich zu machen“. Als Ergebnis initiierte der Verein immer wieder kostenfreie Projekte und Mitmachangebote, die den Interessierten einen Zugang zu Sport und Bewegung ermöglichten.

Im Rahmen dieser Bemühungen kam 1994 der erste Kontakt mit „Integration durch Sport“ zu Stande. „1992 hatten wir die Idee einen Tag gegen Ausländerfeindlichkeit zu machen. Zu der Zeit war Integrationsarbeit in der Form noch nicht so präsent. Die Presse war immer wieder sehr negativ und wir wollten versuchen einen positiven Akzent zu setzen. Also haben wir ein Turnier geplant und versucht möglichst viele ethnisch geprägte Mannschaften für Freundschaftsspiele zu gewinnen. Heutzutage ist das ganz normal, aber damals waren wir fast die einzigen, die sich in der Richtung engagiert haben“.

Für das Rahmenprogramm der Veranstaltung suchte der Verein händeringend nach Unterstützung, die sich schließlich bei der Sportjugend Berlin fand. Das Förderprogramm selbst lief zu dieser Zeit noch unter dem Titel „Sport mit Aussiedlern“ und beteiligte sich mit verschiedenen Sportmaterialien und Helfer/-innen an der Ausrichtung des Turniers. Seither ist der Tag gegen Fremdenfeindlichkeit fester Bestandteil der Jahresplanung.

1998 wurde der SC Borsigwalde 1910 e.V. Stützpunktverein von „Integration durch Sport“ und weitete sein Engagement noch auf andere Projekte und Gruppen aus. Sei es in der Zusammenarbeit mit den Kiezhelden, internationalem Austausch mit Ägypten, Israel, Polen, Frankreich oder Japan, im Rahmen verschiedenster Integrationsturniere oder der Zusammenarbeit mit „Willkommen im Fußball“ seit 2015.

Das Projekt und die Sportjugend waren total offen für unsere Ideen. Es gibt Mittel und Wege, wenn man nur mit den entsprechenden Ideen kommt. Oft muss man nur wissen wie man den Einstieg findet, wie man ins entsprechende Förderprogramm passt und wie man sich mit seinen Vorstellungen einbringen kann“.

Arbeit, die auch von anderer Seite honoriert wird. Für das Engagement erhielt der Verein 1994 als erster Verein überhaupt den DFB-Jugendförderpreis. „Die komplette Prominenz des deutschen Fußballs war da und hat uns für unsere Arbeit applaudiert. Von Richard von Weizsäcker persönlich ein Dankeschön überreicht zu bekommen war schon ein Highlight für uns“.

Neben seiner Arbeit beim SC Borsigwalde 1910 e.V. engagiert sich Carsten Polte auch beim Berliner Fußballverband und bekleidet dort unter anderem Posten in den Ausschüssen zu Integration und Vielfalt sowie Fair Play.

Der Erstkontakt mit dem Programm hat mir die Möglichkeit gegeben einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsfelder zu bekommen. Ich konnte bei vielen Maßnahmen und Projekten dabei sein und habe mir Input und Motivation für meine eigene Arbeit geholt. Für mich war das ein großer Anschub und Inspiration“. Mittlerweile ist der Verein auf eigene Initiative hin Stützpunktverein ohne finanzielle Förderung. „Das Thema hat in den letzten Jahren immer mehr an Relevanz gewonnen. Deshalb war es uns wichtig Stützpunktverein zu bleiben. Wir stehen mehr denn je für Integration durch Sport!“, sagt Carsten Polte.

Seit 2015 integriert die Jugendabteilung, in Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei, auch Geflüchtete aus den umliegenden Notunterkünften in das eigene Training. „NiAs – Nicht im Abseits stehen“ heißt das Projekt, welches vielen Kindern und Jugendlichen den Einstieg in das Vereinstraining ermöglicht. „Ich denke es ist leichter Integrationsarbeit zu machen, wenn alle in einer Gruppe trainieren. Ich kann den andern viel besser kennenlernen und mehr über ihn erfahren, wenn ich täglich beim Training zusammen auf dem Platz stehe. Integration bedeutet für uns, dass alle einen Platz bei uns finden sollen. In meinen Augen ist eine Person gut integriert, wenn sie sich in dem Kreis in dem sie sich bewegt wohl fühlt, die eigene Identität einbringen kann und gleichzeitig der Kultur Anderer respektvoll und offen gegenübertritt. Eine Begegnung auf Augenhöhe. Das ist nicht immer leicht, aber bei uns ist jeder willkommen!

Immer wieder werden dem Sport große Potentiale zugeschrieben um Menschen zusammenzubringen und Integrationsprozesse zu unterstützen. Carsten Polte sagt: „Ich glaube der Sport kann einen großen Einfluss haben. Kinder und Jugendliche haben einen unglaublichen Bewegungsdrang. Genau dort kann man sie auch abholen und das Ganze in bestimmte Bahnen lenken. Wir haben die Möglichkeit nicht nur die Motorik sondern auch das Sozialverhalten auf dem Platz direkt zu schulen. Die Frage ist, wie wir miteinander umgehen wollen, damit sich alle wohlfühlen. Genau daran arbeiten wir bei jedem Training spielerisch mit den Kindern. Im Sport liegt viel Potential, wir müssen es nur zusammen nutzen!