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Boxen für die Basis

Beim SV Lurup wird Integration durch Sport seit Jahren groß geschrieben. Die Boxabteilung, Motor der Entwicklung, wächst und will hoch hinaus.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

16.12.2024

Von Frank Heike (Text) und Frank Molter (Fotos)

Es ist gar nicht so leicht, Susanne Otto zu verstehen, wenn Springseile den Boden peitschen, Handschuhe auf Sandsäcke krachen  und zwischendurch die Ringglocke läutet. 

Hier sind an diesem Dezember-Abend alle gut beschäftigt; etwa 50 Männer, Frauen und Jugendliche haben den dunklen Weg in die Halle der vormaligen Grundschule Vorhornweg gefunden und lassen sich im Schweiße des Angesichts auf das beeindruckende Boxangebot des SV Lurup ein. Da wird richtig geschuftet!

Aber nicht nur von Kerlen mit dicken Oberarmen. Sondern auch von eher zarten Jungs und Mädchen. Gut gemischt wirkt das, und so bunt, wie es Susanne Otto mag, die langjährige Integrationsbeauftragte des SV Lurup: „Junge Frauen, verschiedene Migrationshintergründe und Deutsche –  unser Boxangebot für alle. Das ist für mich Integration. Wir holen Kinder von der Straße. Wir freuen uns, dass sie den Weg zu uns gefunden haben, um Aggressionen abzubauen und Freundschaften zu schließen.“

Igli Kapllani ist in seinem Element. Pratzenarbeit mit einer Boxerin, laute Ansagen, aufmunternde Rufe – der durchtrainierte Coach und Abteilungsleiter liebt seinen Job im Kreis der Lernwilligen. Stolz ist er auf vier Trainer, die allesamt hierherkamen, um zu boxen, dann von ihm den Drive mitkriegten, auch Übungsleiter zu werden. Denn ohne eine/n Chef*in im Ring geht es nicht. 

Willkommen ist hier jede und jeder, ob sie oder er Fitness machen will, spezielle Techniken lernen, sparren oder boxen will. Wobei Fitness der Hauptantrieb sei, sagt Igli Kapllani: „Kaum jemand möchte heute noch richtig Wettkampf boxen.“

Auf 121 Mitglieder ist die Abteilung des im Stadtteil bestens vernetzten SV Lurup gewachsen. Mit üppigerem Platz könnten es noch mehr sein, denn in der nahen Unterkunft hat sich herumgesprochen, dass es da ein Boxzentrum gibt: Viele Ukrainer*innen schätzen diesen Sport. Zu ihnen ist Susanne Otto gegangen, hat zweisprachige Flyer verteilt, mit der Unterkunfts-Leitung gesprochen. Der Zustrom gibt ihr recht.

Aus diesem Erfolgsmodell heraus hat die Abteilung um Kapllani einen Wunsch an den Verein herangetragen: Sie will einen echten Boxabend mit Ring und Zuschauer*innen veranstalten. Susanne Otto mag es, wenn Ziele formuliert werden. Gemeinsam wollen sie prüfen, ob ein solches Turnier möglich ist: „Das wäre ein Highlight“, sagt sie. Doch erstmal müssen sich Igli Kapllani und die Boxer*innen auf die Suche nach einer neuen Heimat begeben, denn diese Halle steht nur noch bis Ende 2024 für sie bereit. Susanne Otto wirkt zuversichtlich.

Vieles hat sich unter ihrer Leitung entwickelt. Integration ist ein Motor der Mitgliedergewinnung geworden. Die Ideen gehen ihr und ihrer Mitstreiterin Sevda Puls nicht aus. Inzwischen wird in Kooperation mit der „Community School“ auf dem Luruper Campus eine türkische Tanzgruppe angeboten: „Da sind wir gut zusammengewachsen“, sagt sie. Frauen und Männer sind willkommen, Kinder sollen bald dazukommen. 

Häufig helfen Vereins- oder Stadteilfeste, bei denen SVL-Mitglieder mit Menschen aus dem Viertel ins Gespräch kommen; aus Schnacks werden Ideen, manches wird umgesetzt: „Unsere Tanzlehrerin habe ich auf dem Integrationsfest kennengelernt.“ Die Line-Dancerinnen und die Hiphop-Mädchen gewannen durch ihre Auftritte bei solchen Feiern Mitglieder. Dabei hülfe in der Ansprache der Hinzugekommenen der richtige Ton: „Ich schätze sie wert, stelle sie gleich, agiere nicht so: Ich bin Deutsche, ich wohne hier, ich bin der Chef.“

Nicht alles hat funktioniert. Eine gemischte Frauengruppe mit Muslima, anderen Migrantinnen und Deutschen, das misslang.  Sevda Puls versuchte sich als Übungsleiterin speziell dieser Migrantinnen – aber irgendwann kam niemand mehr. „Die Muslima wollten gern einen Sichtschutz, andere wollten das nicht“, nennt Otto einen der vermuteten Gründe.

Ihre Learnings als Integrationsbeauftragte? „Wir wollen Kontakte aus den Unterkünften halten und erfahren, wer wohin zieht. Wenn sie hier wohnen, wollen wir sie wieder ansprechen. Denn wer aus einer Unterkunft in eine Wohnung gezogen ist, fühlt sich sicherer, fester verwurzelt.“

Gern würde Susanne Otto innerhalb des Vereins mehr Leute dazu bringen, sich um Integration durch Sport zu kümmern. Drei Migranten im Vorstand gibt es schon. Eine stolze Zahl: Furkan Bozal, Turgay Eroglu, José Barreto. „Eine Frau fehlt uns noch.“ Wie gesagt: Die Ziele gehen ihr und dem SVL nicht aus.

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