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Geflüchtete sind eine große Chance

Wie Integration neue Wege eröffnet, zeigt Danny Alkhaldy, Sportmittler bei „Vereine in Remseck e.V.“

WLSB

27.11.2025

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    Sportmittler Danny Alkhaldy

    Danny Alkhaldy kam 2015 selbst als Geflüchteter nach Deutschland. Seit etwa fünf Jahren engagiert er sich beim Dachverein „Vereine in Remseck e.V.“. Er unterstützt als Sportmittler Geflüchtete bei der Vereinsintegration, organisiert niederschwellige Angebote und trainiert die Tischtennis-Jugend beim SV Pattonville. Im Gespräch mit SPORT in BW erklärt der 42-Jährige, warum Geflüchtete kein Problem, sondern eine Chance für Vereine darstellen und wie das Miteinander gelingt.

    Herr Alkhaldy, welche Rolle spielen Sportvereine bei der Integration von Menschen mit Fluchterfahrung?
    Integration wird oft unterschiedlich verstanden. Für mich bedeutet sie mehr als nur die Sprache zu lernen und an gesellschaftlichen Angeboten teilzunehmen. Es gibt auch die emotionale oder psychische Ebene – wenn wir von einem Zugehörigkeitsgefühl sprechen. Und genau das entsteht im Sportverein. Hier kommen Menschen freiwillig zusammen, arbeiten gemeinsam, es entsteht ein gesellschaftliches Miteinander. Vereine bieten Geflüchteten eine Art Ersatzfamilie, sie schaffen Freundschaften und ein starkes Wir-Gefühl. Das ist oft der erste Schritt, sich wirklich zuhause zu fühlen.

    Als Stützpunktverein im Bundesprogramm „Integration durch Sport“ engagiert sich der „Vereine in Remseck e.V.“ seit 2023 besonders für dieses Miteinander. Wie kann man sich das vorstellen?
    Unser Ziel ist ganz klar: Teilhabe ermöglichen und den Einstieg in die Vereinswelt erleichtern. Neben der Vermittlung von Geflüchteten in die Vereine organisiere ich als Sportmittler regelmäßige Angebote wie Wanderungen für jedes Level. Oft kommen ganze Familien mit kleinen Kindern mit. Das gemeinsame Erlebnis und der Austausch, während und nach den Wanderungen, sind unglaublich wichtig. Zusätzlich biete ich monatliche Sprech- stunden an und organisiere Spieleabende,
    bei denen die Sprache spielerisch geübt wird. Bei all dem hilft mir meine eigene Fluchterfahrung, schnell Vertrauen aufzubauen – das macht vieles leichter.

    Welche positiven Effekte beobachten Sie bei den Geflüchteten selbst?
    Sport beschleunigt das Lernen der Sprache, das ist klar. Wichtig ist aber auch der psychische
    Effekt: Viele Geflüchtete haben traumatische Erlebnisse hinter sich. Die sportliche Aktivität baut Stress ab und setzt Glücksgefühle frei. Die regelmäßigen Angebote geben ihnen Struktur. Manche übernehmen sogar Aufgaben im Verein, das stärkt ihr Selbstwertgefühl.

    Aber auch die Sportvereine profitieren von der Integration und Vielfalt?
    Definitiv! Viele Vereine suchen neue Mitglieder, und Menschen mit Fluchterfahrung suchen Gemeinschaft. Das passt doch gut zusammen. Die Vielfalt bereichert den Verein und für die einheimischen Kinder ist der Kontakt mit anderen Kulturen sehr hilf- reich. Natürlich braucht es Offenheit. Aber geflüchtete Menschen stellen kein Problem dar, sondern eine Chance! Wenn wir ihnen helfen, in unseren Vereinen und in unserer Gesellschaft einen Platz zu finden, helfen sie schließlich auch uns im Verein und in der Gesellschaft.

    Können Sie ein Beispiel für gelungene Integration in Ihrem Verein nennen?
    Eine Ukrainerin, Mitte 50, habe ich vor etwa drei Jahren zu uns ins Tischtennis vermittelt. Sie spielt in der zweiten Mannschaft und zeigt großen Ehrgeiz. Sie hilft bei je- der Veranstaltung, kocht und unterstützt andere ukrainische Neuankömmlinge. Früher war sie Journalistin, jetzt macht sie eine Ausbildung zur Pflegekraft-Helferin. Sie ist ein sehr gutes Beispiel, wie Integration über den Sport hinauswirken kann.

    Nun ist Integration aber kein Selbstläufer. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen?
    Ich denke, die Sprachbarrieren sind die größte Hürde. Wenn jemand die Sprache noch nicht gut kann, hört er schneller auf, am Sportangebot teilzunehmen. Hier hilft es, wenn der Trainer einen Spielpartner sucht, der die gleiche Sprache spricht.
    Wenn die ersten Erfahrungen positiv sind, bleibt die Person meist auch dabei. Auch Mitgliedsbeiträge können ein Stolperstein sein – gerade bei Abteilungen, die einen hohen separaten Beitrag erheben. Da versuche ich zum Beispiel, Unterstützung über das Bildungs- und Teilhabepaket zu organisieren. Es gibt auch Vereine, die den ersten Jahresbeitrag anteilig übernehmen.

    Welche weiteren Tipps haben Sie für Vereine, die ihre Integrationsarbeit verstärken möchten?
    Das Sprachproblem ist oft nur temporär. Sport spricht alle Sprachen und verbindet. Wichtig ist, neuen Mitgliedern mit Fluchterfahrung mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen eine Ankerperson an die Seite zu stellen. Man muss Geduld haben und öfter zum Schnuppern einladen. Auch einen Sportmittler einzusetzen, kann ich empfehlen. Ich spreche zum Beispiel mit den Trainern über kulturelle Unterschiede, erkläre die Mitgliedschaft genau und spreche mit Eltern. Wenn man als Verein dranbleibt, er- geben sich viele Chancen – für die Geflüchteten und die Vereine gleichermaßen.

    Das Gespräch führte Julia Bernd
     

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