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Man muss den Willen haben, es zu schaffen

Seit kurzem ist der gebürtige Iraner Saeid Fazloula Botschafter für Integration durch Sport in Baden-Württemberg. Mittlerweile ist er deutscher Staatsbürger, doch der Weg dahin war alles andere als einfach. In seiner neuen Rolle möchte er seine Erfahrungen weitergeben. SPORT in BW sprach mit dem 33-Jährigen.

LSVBW

02.10.2025

  • Saeid Fazloula im Interview mit LSVBW (Bild: LSVBW)

    Saeid, 2015 flohst du als Vize-Asienmeister im Zweierkajak nach Deutschland. War für dich nach deiner Flucht aus dem Iran von Anfang an klar, dass du sich einem Verein anschließen wirst?

    Nein, und zunächst war Deutschland als Zielland auch gar nicht geplant, ich wollte nach Großbritannien. Doch dann landete ich in Dortmund und es wurde klar, dass ich dortbleiben müsste. Mir war von internationalen Wettkämpfen in Deutschland nur Essen als Kanu-Standort bekannt und so habe ich dann nachgefragt, ob ich dort hinkönnte. Das hat nicht funktioniert und ich kam nach Karlsruhe. Den Weg zurück zum Kanu hatte ich mir dann schon als Ziel gesetzt. Durch ein Missverständnis bei einem meiner sogenannten Interviews trug die Zuständige „Kanu“ als Geburtsort ein, das ist rückblickend recht lustig –und ein wenig bezeichnend. Um fit zu bleiben, ging ich in Karlsruhe dann oft laufen, und begegnete unbekannter Weise späteren Kanu-Kollegen. Ich wurde dann auf das IOC Refugee Team aufmerksam und über einen Journalisten, der einen Beitrag über mich machte, kam ich über Umwege in Kontakt zu den Rheinbrüdern Karlsruhe. Dafür bin ich heute noch sehr dankbar! Das hat den Stein ins Rollen gebracht.

    Wie lief dabei die Integration innerhalb der Sportgruppe und im Alltag ab?

    Bei den Rheinbrüdern wurde ich mit offenen Armen empfangen, konnte direkt bei Trainingslagern dabei sein, verstand mich sehr gut mit den Vereinskollegen. Wir haben uns viel zu sportlichen und Kanu-Themen ausgetauscht, ich wurde auch gefragt, wie das im Iran war. Ich habe im Verein auch viel Unterstützung bei Themen abseits vom Sport erhalten, wurde eingebunden, zu Weihnachten eingeladen. Das hat mir gezeigt, dass es nicht darum geht, wo ich herkomme. Vor den Olympischen Spielen in Rio de Ja6 neiro 2016 wurde in der Leistungsgruppe sehr konzentriert gearbeitet, das hat mir gut gefallen. Und ich habe gemerkt: Ich will auch mehr. Ich denke, darauf kommt es auch beim Thema Integration an: Man muss den Willen haben, es zu schaffen, dazuzugehören, Deutsch zu lernen, selbstständig zu sein. Dann wird das gut.

    Was waren für dich die größten Hindernisse in deiner neuen Heimat?

    Ich muss ehrlich sagen: Am meisten hatte ich mit Behördengängen und der deutschen Bürokratie zu kämpfen, die machen es einem nicht leicht. Das ist schade. Auch die Sprache war eine Herausforderung, doch das hat ebenfalls über das soziale Umfeld im Sport immer besser geklappt.

    Das wäre die nächste Frage: Wie hast du Deutsch gelernt?

    Der Besuch von Deutschkursen war Pflicht, da einem sonst Sozialleistungen, ohne die es am Anfang nicht geht, gestrichen werden. Doch so richtig Deutsch gelernt habe ich im Verein, durch soziale Kontakte, durch Learning-by-doing.

    Du hast eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann gemacht. Wie bist du an diese Stelle gekommen? Bist du da heute noch?

    Ich war dann in den Leistungssportstrukturen und konnte die Angebote des Olympiastützpunkts Metropolregion Rhein-Neckar nutzen. Über die Laufbahnberatung dort kam ich in Kontakt mit einem Partnerbetrieb des Spitzensports, dem Pfitzenmeier Premium Resort, einem Fitnessstudio in Karlsruhe. Während der dreijährigen Ausbildung konnte ich den Fokus dennoch auf den Sport legen, wurde freigestellt für Trainingslager, hatte reduzierte Arbeitszeiten. Das war eine große Hilfe, auch wenn so eine duale Karriere echt herausfordernd ist. Mittlerweile arbeite ich bei CRONIMET, einem Partner der Rheinbrüder. Dort wurde damals extra für mich eine Stelle als Betriebsfitnesscoach geschaffen, wobei ich mittlerweile in die Unternehmenskommunikation gewechselt bin. Zudem bin ich nun Athletiktrainer bei der U17 des KSC.

    Warum eignet sich deiner Einschätzung nach Sport besonders gut für die Integration?

    Der Sport und speziell Sportvereine sind eine Gemeinschaft, waren für mich von Beginn an wie eine Familie. Vereinsmenschen helfen einem bei Herausforderungen, haben mir Kultur nähergebracht, mir geholfen beim Meistern der deutschen Sprache. Zudem kann das Netzwerk eines Sportvereins in allen Bereichen des Lebens helfen. Die i nternationalen Regeln und Werte des Sports machen den Zugang einfacher für alle.

    Welche Tipps hast du für eine schnelle und erfolgreiche Integration?

    Ich weiß aus eigener Erfahrung: Man muss sich durchkämpfen, Biss zeigen, sich gut überlegen, was man will und sich Ziele setzen. Jeder bekommt Chancen, es kommt auf einen selbst an, ob man diese nutzt.

    Welche Rolle können Sportvereine im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung spielen?

    Sportvereine sind, wie vorher schon gesagt, eine starke Gemeinschaft, die wichtige Werte vermittelt. Im Verein werden alle gleichbehandelt, die Regeln gelten für alle. Ich denke, das wirkt vor allem präventiv – und sollte das nötig sein, steht man zusammen, auch an der Seite von marginalisierten Gruppen.

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