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Von Odessa nach Bremen: Wie Tanja durch Sport neue Wurzeln schlägt

Als Russland seinen vollumfänglichen Angriffskrieg begann, packte sie ihre Tochter und fuhr los – quer durch Europa, über Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien, bis sie schließlich in Bremen ankam. Schutz zu finden war das Ziel – und neue Wurzeln zu schlagen. Heute steht die Ukrainerin Tetiana Holovaschich, als lizenzierte Trainerin mit einem Lächeln vor ihren Fitnessgruppen beim Stützpunktverein des Programms "Integration durch Sport" Casa Cultural, bringt Menschen in Bewegung und verbindet körperliche und innere Stärke.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

26.08.2025

„Sport heilt – nicht nur den Körper, sondern auch die Seele“, sagt Tetiana Holovaschich, die alle nur Tanja nennen. Vor drei Jahren, am 14.7.2022, verließ sie die ukrainische Stadt Odessa. Ihr Auto klein, die Fahrt lang und die Zukunft ungewiss. Zurück blieben ihr gewohntes Leben am Schwarzen Meer, ihre Familie, ihre Arbeit – und all das, was der Krieg plötzlich unmöglich gemacht hatte. Was sie mitnahm war unter anderem die tiefe Überzeugung, dass Bewegung Halt geben kann – auch in unruhigen Zeiten.

Der Sport war schon immer Teil ihres Lebens: Als junge Frau träumte sie davon, an einer Sportuniversität zu studieren – doch ihre Eltern rieten ab. Sie schloss ein Studium an der Wirtschaftsfakultät ab, doch ihre Leidenschaft blieb: Skifahren in den Bergen, Volleyball, Eiskunstlauf, sogar Rallye-Auto fahren. Kurz vor dem Krieg machte sie ihren Motorradführerschein. Später entdeckte sie die Luftakrobatik für sich. Sie absolvierte eine Trainerausbildung in der Ukraine und arbeitete mit Kindern und Jugendlichen. Auch Yoga begleitete sie über viele Jahre.

Neuanfang an der Weser

In Bremen fand sie zurück zur Bewegung. Das Joggen entlang der Weser wurde zum täglichen Ritual, ein Stück Freiheit in einer fremden Stadt. „Ich lasse beim Laufen die Sorgen hinter mir“, sagt sie.

Als ihr der Landessportbund Bremen ein kostenloses Qualifizierungsprogramm anbot, nutzte sie die Chance. Sechs Monate später hielt sie die Lizenz als Übungsleiterin C in den Händen – und fand im Casa Cultural Bremen e. V. einen Ort, an dem sie wieder das tun konnte, was sie liebt: mit Menschen arbeiten, sie stärken, sie begleiten.

Sport im Casa Cultural: Gemeinsam wachsen

Im Casa Cultural Bremen e. V. finden Tanjas Fitnessangebote in einem Umfeld statt, das mehr ist als eine klassische Tanzschule. Der gemeinnützige Verein bringt seit Jahren Menschen aus aller Welt zusammen – durch Tänze wie Salsa Cubana, Bachata, Afro, Kizomba und auch durch Fitnessformate wie Tanjas Fitnesskurse oder Zumba®.

Das Casa Cultural ganz in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs ist nicht nur ein Raum für Tanz und Bewegung, sondern auch ein Treffpunkt für kulturellen Austausch und Gemeinschaft. Hier trainieren Menschen aus unterschiedlichen Ländern gemeinsam. Sie lachen, schwitzen, kommen ins Gespräch, wachsen über sich hinaus. Im Zentrum der Fitnesskurse: eine Trainerin, die weiß, was es heißt, neu anzufangen – und wie viel Kraft im Sport liegt. „Hier entsteht Gemeinschaft – unabhängig davon, woher man kommt oder welche Sprache man spricht“, so Kubaner Onelis Sanchez aus dem Vorstand des Vereins.

Trainerin, Mentorin und Zuhörerin

Tanjas Trainings sind schweißtreibend, aber nie überfordernd. „Jede Einheit ist wie ein kleiner Kampf mit sich selbst – und am Ende wartet ein süßer Sieg“, erzählt sie. Viele Teilnehmende kommen regelmäßig. Besonders bewegend, berichtet sie, war ein Moment, als eine Schwangere bis kurz vor der Geburt mittrainierte – und wenige Tage nach der Entbindung wiederkam, das kleine Baby schlafend im Maxicosi neben der Matte.

Ihre Gruppen sind bunt gemischt: Menschen aus der Ukraine, aus Deutschland, aus Südamerika – alle vereint durch den Wunsch, sich zu bewegen, den Alltag abzuschütteln und neue Energie zu tanken. „Manchmal bin ich für sie Trainerin, manchmal große Schwester, manchmal einfach Zuhörerin“, sagt Tanja. „Ich höre zu, wenn jemand seine Geschichte teilen möchte. Ich kenne diese Gefühle – Angst, Unsicherheit, der Wunsch, stark zu bleiben.“ Was sie weitergibt, ist Mut, die Einladung, an sich selbst zu glauben und eigenen Zweifel zu überwinden.

Eine Brücke zwischen zwei Welten

Es gibt einen Ort in Bremen, den sie besonders liebt: eine ruhige Stelle am Weserufer. Dort steht ein kleiner Holzsteg – im Sommer sitzt sie oft dort, die Füße im Wasser. „Dann bin ich wieder am Schwarzen Meer, in meiner Kindheit, wo alles begann“, sagt sie. Dieser Ort ist für sie wie eine stille Brücke zwischen Gestern und Heute, zwischen der Ukraine und Bremen – zwischen dem Leben, das sie verlassen musste, und dem, das sie nun aufbaut.

Über den Verein:

Casa Cultural Bremen e. V. ist ein gemeinnütziger Tanz- und Kulturverein, der die kubanisch-karibische Tanzkultur in Bremen fördert. Seit mehreren Jahren ist er Stützpunktverein im Programm “Integration durch Sport”. Die Kurse reichen von Salsa Cubana und Bachata bis hin zu Afro Cubano und Kizomba und bieten ein umfangreiches Programm, das von international erfahrenen Tanzlehrerinnen und Tanzlehrern authentisch und in familiärer Atmosphäre unterrichtet wird.
Neben den klassischen Tanzkursen bereichern auch Fitnessformate wie Zumba® und Ballet Fit das Programm und laden dazu ein, Bewegung und Lebensfreude mit karibischem Flair zu erleben. Der Verein bietet zudem Betriebssport und individuelle Kursangebote für Unternehmen an. Ein besonderes Highlight des Vereins sind die wöchentlichen Tanzabende und zahlreiche Workshops. Die Türen des Casa Cultural Bremen e. V. stehen allen offen – ob jung oder alt, Anfänger oder fortgeschrittene Tänzer, Einzel- oder Paartänzer. Der zentral in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs gelegene Verein lädt alle ein, die sich von der Energie und Vielfalt der karibischen Tanzkultur inspirieren lassen möchten. Neue Mitglieder sind herzlich willkommen und können jederzeit an einer kostenlosen Probestunde teilnehmen.

Text: Casa Cultural, LSB Bremen

Das Programm „Integration durch Sport“ wird vom Bundesministerium des Innern (BMI) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert.

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