Netzwerkarbeit, im Moment geboren
Wie der Langenhorner Verein „Stadtteil in Bewegung“ Geflüchtete und Alteingessene in Bewegung bringt und dabei die umgebaute Schulturnhalle „Tala300“ nutzt.

19.12.2024

Von Frank Heike (Text) und Frank Molter (Fotos)
Es sind goldene Momente, wenn sich Helfende zufällig treffen und merken, dass just in diesem Augenblick die gemeinsame Grundlage für eine fruchtbare Kooperation wächst: Es ist nämlich Zufall, dass sich Maren Schindeler-Grove, 62 Jahre alt, und Cristina Mereacre, 30, an diesem Mittwoch-Nachmittag in der „Tala300“ zu Langenhorn begegnen: Schindeler-Grove ist die Vorsitzende von „Stadtteil in Bewegung“ e.V. (SiB); sie hat den Verein vor 25 Jahren aufgebaut.
Die frühere Lehrerin schneit heute herein, weil sie sich das bunte Angebot für Kleinkinder und ihre Eltern anschauen will. Vier Euro Tagesmitgliedschaft kostet es, hier niedrigschwellig zu spielen. Cristina Mereacre arbeitet bei Basis-und-Woge als pädagogische Flüchtlingshelferin. Sie hat Wurzeln in Moldau sowie Italien und arbeitet seit zwei Jahren in diesem Sozialprojekt: Vor allem holt sie Familien aus den Unterkünften in Alsterdorf und Ohlsdorf ab und bringt sie nach Langenhorn in die „Tala300“. Das ist die Schnittstelle von Basis-und-Woge und SiB.
Die beiden Frauen kannten sich nicht – bisher. Als sich in der kommenden Stunde ein reger Austausch über die Bedarfe beider Seiten entwickelt und die Chemie stimmt, tauschen sie Nummern aus. Bessere Netzwerkarbeit unter Mithilfe des Zufalls ist kaum denkbar.
Während in der Halle getobt, gelacht, geschrien wird, erklärt Maren Schindeler-Grove den Ansatz von SiB: „Wir sind ein klassischer Verein, der ausschließlich Breitensport anbietet. Wir machen den umliegenden Familien seit 25 Jahren ein Angebot und wollen damit Kinder an den Sport heranführen. Pro Woche haben wir 25 Kurse, aber keinen Teamsport. Immer mittwochs laden wir Familien aus dem Flüchtlingsbereich ein, die bisher keine Berührungspunkte mit Sport hatten. Dabei hilft uns unsere Kooperation mit Basis- und Woge, auf die wir stolz sind.“
Elf Unterkünfte im Hamburger Norden werden durch die Zusammenarbeit erreicht. Dort leben addiert mehr als 5000 Menschen, die in offenen Cafés, am Telefon oder durch Flyer von den Basis-und-Woge Mitarbeiter*innen wie Cristina Mereacre angesprochen werden. Die Rückmeldung nach einem Tag oder einigen Stunden in der „Tala300“ sei erfreulich, berichtet sie – viele Kinder kämen gern wieder.
Was natürlich ganz im Sinne des Vereins ist. Maren Schindeler- Grove sagt: „Das Mittwochs-Angebot war von vornherein ein offenes Angebot. Wir haben auch feste Angebote, um Familien zu integrieren. Ziel sollte sein, dass die Kinder über das HSB-Programm „Kids in die Klubs“ Mitglieder werden. Doch es ist kompliziert für sie, die richtigen Bescheide mitzubringen. Da haben wir noch keinen Weg gefunden. Deshalb machen wir es kostenlos.“
Der Zufluss an Mitgliedern ist noch gering: „Vier Kinder sind über das Mittwochs-Angebot 2024 eingetreten. Das ist nicht viel. Ich sehe das aber sportlich“, erklärt Maren Schindeler-Grove, „es wäre natürlich viel besser, wenn zehn der Familien, die heute hier sind, uns später die Anmeldung hinlegten. Aber das ist bisher ausgeblieben.“
Der Verein zieht trotzdem mit: Anfang Dezember gab es eine große Fortbildung. Alle kamen zusammen und sprachen zum ersten Mal über das Thema Integration. „Die normalen Mitglieder wissen wenig davon. Alle sollten sich öffnen und sensibilisieren“, sagt Schindeler-Grove, „wir müssen uns neu ausrichten und fragen uns: Wie kriegen wir andere Vereinsmitglieder ins Boot? Die Integration ist bisher nämlich eine Sache weniger.“
Verstetigen solle sich das Projekt, sagt die Vereinsvorsitzende, vor allem dadurch, dass mehr Familien allein und zuverlässiger den Weg in die „Tala300“ finden – manchmal kommen sie, dann wieder nicht. Abholen und bringen ist das sicherste, klappt aber nicht immer und ist personalintensiv. Einige Mütter seien selbstständiger als andere, erklärt Cristina Mereacre. Noch mehr Basis-und-Woge-Mitarbeiter*innen mit Sprachkenntnissen der Flüchtlingsgruppen wünscht sie sich; sie selbst spricht Russisch.
Gesucht wird beim SiB eine migrantische 520-Euro-Kraft, die sich um die Angebote in der „Tala300“ kümmert und am besten nicht nur Deutsch spricht. Ob Cristina Mereacre jemanden kenne, fragt Maren Schindeler-Grove. Diese überlegt und antwortet freundlich: „Bestimmt!“
So geht Netzwerkarbeit.