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Wo Schläge verbinden

Der Olympische Boxstall in Hardthausen bietet mehr als Sport und Training. Er baut Brücken für Menschen mit Migrationsgeschichte

Sebastian Klaus

04.06.2025

  • Bilder: Verein

    Von außen betrachtet ist Hardthausen am Kocher einer dieser Orte, die man leicht übersehen kann. Ein Dorf im Landkreis Heilbronn, das selten groß auf sich aufmerksam macht. Doch dort, wo früher Tiere standen, trainieren heute Menschen mit Geschichten, die weit über die Felder der Umgebung hinausreichen. Seit 2017 gibt es hier den Olympischen Boxstall e.V., gegründet von Alexander Balko, einem Mann, der einst in einem Stall mit dem Boxtraining begann, weil es keinen anderen Ort gab.
    „Das war der Stall von meinem Vater“, erzählt Balko. „Irgendwann war es zu voll – da haben wir in der neuen Bubahalle angefangen.“ Was als improvisiertes Training mit ein paar Kindern begann, hat sich mittlerweile zu einem Verein mit bis zu 100 Vereinsmitgliedern gemausert, 30 davon sind im Leistungssport aktiv. Darunter gibt es viele mit einer Migrationsgeschichte, manche mit Fluchterfahrung. Der Verein wird gefördert durch das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern.

    Gemeinschaft ist Trumpf
    Einmal die Woche öffnet der Verein seine Türen für ein kostenloses Boxtraining – speziell für Menschen mit Migrationsgeschichte. Es geht dabei nicht allein um Technik. Es geht um Disziplin, Teamarbeit und darum, sich in einer neuen Sprache, einer neuen Gesellschaft zu bewegen.
    „Das wird gut angenommen“, sagt Balko. Konflikte aufgrund unterschiedlicher Herkunft? Fehlanzeige. „Da ist es egal, ob jemand Russe oder Ukrainer ist. Bei uns zählt das nicht.“ Im Gegenteil – sie helfen sich, auch außerhalb der Trainingshalle. „Dass sie sich hassen, haben wir nicht“, sagt Balko. Wenn einer Hilfe beim Umzug braucht, packt der andere mit an – unabhängig von Herkunft oder Muttersprache. „Da zieht der eine dem anderen die Handschuhe an.“
    Und wenn Musik läuft, dann läuft sie gemischt: ukrainisch, russisch, ganz selbstverständlich.
    „Ich lasse das zu. Bei uns geht es um Sport – nicht um Politik.“
    Auch außerhalb des Rings werden Brücken gebaut. Behördentermine, Formulare, Jobcenter- Anträge – für viele eine unüberwindbare Hürde.
    „Am 2. Mai hatte ich wieder einen Behördentermin mit einem der Jungs“, erzählt Balko. Manchmal ist es ein Antrag beim Landratsamt, manchmal ein Schulformular, das die Eltern nicht verstehen. Balko schreibt, erklärt, ver- mittelt. Nicht laut, nicht öffentlichkeitswirksam – aber für die Betroffenen oft entscheidend.
    „Für viele bin ich der Erste, der mitgeht“, sagt er. Auch das Vereinsleben selbst ist auf Gemeinschaft angelegt. Im Sommer wird ein Fest organisiert – mit Grillen, Getränken, Kaffee, Kuchen und sogar einigen Sparringskämpfen. Eingeladen sind Mitglieder, Familien, Freunde.
    „Meine Frau organisiert das alles hervorragend. So lernt man auch mal die Eltern kennen“, erläutert Balko. „Das Zusammensein ist uns sehr wichtig.“

    Am Einkommen soll es nicht scheitern
    Für Anfänger gibt es spezielle Kurse mit Fokus auf Technik, Fitness und Teambuilding. Die Ausstattung – Handschuhe, Kopfschutz, Mundschutz, Kleidung, sogar Vereins-T-Shirts – wird bereitgestellt. Kostenlos. Ein Regal mit Trainingsmaterial steht bereit, weil niemand ausgegrenzt werden soll, der sich Boxen nicht leisten kann.
    Parallel dazu baut der Verein seine sportlichen Aktivitäten aus. Ein Veranstaltungsring wurde angeschafft, eine Software für Punktwertungen ebenfalls. Internationale Turniere sind geplant. Kooperationen mit Schulen, Gemeinden und an- deren Vereinen laufen bereits.
    Trotzdem bleibt der Fokus klar. „Wir genießen die Zeit jetzt“, sagt Balko. Ein Satz, der vieles über die Haltung im Verein verrät. Es geht nicht um schnellen Erfolg oder Prestige. Sondern um Zugehörigkeit. Um Alltag. Und um einen Ort, an dem Herkunft für den Moment keine Rolle spielt – solange man sich die Handschuhe reicht.

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