Zugehörigkeit und Partizipation im Fokus: Fachforum „Integration durch Sport“ im BLSV
Wie wird Sport zum Ort gelebter Zugehörigkeit? Das Fachforum „Integration durch Sport“ bringt Praxis, Politik und Perspektiven in Bayern an einen Tisch.

05.06.2025
München, Mai 2025 – Das Team von Integration durch Sport im Bayerischen Landes-Sportverband hatte zum Fachforum geladen – und viele sind der Einladung gefolgt. Gemeinsam mit Engagierten aus den bayerischen Stützpunktvereinen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Sportpraxis wurde diskutiert, wie der organisierte Sport auch in Zukunft ein Ort gelebter Zugehörigkeit und Partizipation sein kann – und wo es noch Potenziale gibt. Den inhaltlichen Rahmen setzte zum einen der Fachvortrag der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Arbeitsbereiches Sportsoziologie der Bergischen Universität Wuppertal, Lara Kronenbitter, sowie die Podiumsdiskussion mit dem bayerischen Integrationsbeauftragten Karl Straub, der BLSV-Vizepräsidentin Gudrun Brendel-Fischer, mit Ayla Inan, der Vorständin des Sozialdienstes muslimischer Frauen in Kempten und mit Hamed Ktari, dem Gründer eines Sportvereins im Nürnberger Raum. Im Zentrum standen dabei nicht nur politische und wissenschaftliche Perspektiven, sondern die Erfahrungen aus der Vereinsrealität.
Zuhören, vernetzen, gestalten
Schon beim Betreten des Hauses war klar: Hier wird heute nicht nur ein Fachforum abgehalten. Hier begegnen sich Menschen, die viel miteinander verbindet. Die ARAG-Arena im Haus des Sports war erfüllt von freundlichen Begrüßungen, Wiedersehensfreude und einer spürbaren Offenheit. Die gebündelte Präsenz des IdS-Teams machte sichtbar, wie viel Engagement hinter dem Programm steht. Als Bindeglied zwischen Praxis, Programmkoordination und Fachberatung brachte das Team an diesem Tag alle Perspektiven zusammen, die das Programm ausmachen. So wurde bereits zum Auftakt deutlich, worum es geht: Zugehörigkeit und Partizipation im Sport gemeinsam und wirksam zu gestalten. Den offiziellen Auftakt übernahmen Karl Straub und Gudrun Brendel-Fischer. Ihre Begrüßungsworte gaben dem Tag nicht nur einen formellen Rahmen, sondern unterstrichen auch den politischen Rückhalt und die Wertschätzung für all jene, die das Thema „Integration in den Sport“ täglich mit Leben füllen.
„Sportvereine sind Orte mit enormem Integrationspotenzial. Damit dieses Potenzial auch genutzt werden kann, braucht es gezielte Förderung, strukturelle Verankerung und ein klares Bekenntnis gegen Rassismus – von der Basis bis in die Spitze.“ (Karl Straub, Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung)
Wissenschaft mit Blick in die Praxis
Im Rahmen des Fachforums gab die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Arbeitsbereiches Sportsoziologie der Universität Wuppertal, Lara Kronenbitter, erste Einblicke in die laufende Studie „(Anti-)Rassismus im organisierten Sport“. Die Untersuchung befasst sich mit interpersonalen und strukturellen Dimensionen von Rassismus im vereinsorganisierten Sport – mit dem Ziel, Rassismuserfahrungen sichtbar zu machen, dominante Strukturen kritisch zu hinterfragen und praxisorientiertes Handlungswissen bereitzustellen. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen, was viele aus der Praxis bereits erleben: Aspekte wie Gleichstellung und antirassistische Arbeit finden bislang nur in einem Teil der Vereine systematisch Beachtung. Gleichzeitig gibt es vielerorts bereits erste Diskussionen und Ansätze, die zeigen, dass Bewegung in das Thema kommt. Der Impuls war ein deutlicher Appell an die Verantwortung aller Ebenen im organisierten Sport: Rassismus muss als strukturelles Phänomen erkannt, benannt und bearbeitet werden – nicht nur am Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Es brauche mehr Sensibilisierung, Einsicht in bestehende Machtverhältnisse und eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Privilegien. Rassismusfreie Räume entstehen nicht von selbst – sie sind Ergebnis bewusster Arbeit. Das Thema braucht weiterhin gezielte Impulse, um das Engagement in den Vereinen zu stärken. Wie diese Impulse in der Praxis aussehen können, wurde im Anschluss in der Podiumsdiskussion vertieft – mit Stimmen aus Politik, Sport und zivilgesellschaftlichem Engagement.
Hinsehen, verstehen, verändern
Die anschließende Podiumsdiskussion vertiefte die Frage, was es für eine glaubwürdige und wirksame Kultur des Antirassismus im organisierten Sport braucht. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass rassistische Vorfälle im Sport regelmäßig medial bekannt werden – häufig gefolgt von klaren Distanzierungen und symbolischen Kampagnen. Doch wie steht es um die alltägliche Vereinsrealität? In der Diskussion wurde deutlich: Diskriminierung im Sport ist für viele Betroffene Teil des Alltags – ob beim Zugang zu Sportangeboten, in Wettkampfsituationen oder im Vereinsumfeld. Beratungsstellen erleben immer wieder Fälle, in denen Kinder oder Familien rassistische Erfahrungen machen, die kaum sichtbar sind. Gleichzeitig wurde betont, dass sich etwas bewegt. Vereine beginnen, sich mit eigenen Strukturen kritisch auseinanderzusetzen, erste Maßnahmen zur Sensibilisierung und Prävention entstehen. Häufig wird dies getragen vom Engagement einzelner Akteurinnen und Akteure. Klar wurde jedoch auch: Es braucht verbindliche Strukturen, konkrete Handlungssicherheit und eine Haltung, die über Symbolik hinausgeht. Antirassismus im Sport ist kein einmaliger Akt – sondern eine kontinuierliche, gemeinsame Aufgabe.
Workshops mit echtem Mehrwert
Der Nachmittag stand im Zeichen der Praxis: In Workshops zu gendersensibler Vereinsentwicklung, diskriminierungssensibler Sprache oder dem Umgang mit Alltagsrassismus wurde gemeinsam gearbeitet, gefragt, ausprobiert. Nicht theoretisch, sondern nah am Vereinsalltag. Viele Teilnehmende nahmen neue Impulse mit – für die eigene Arbeit im Verein, aber auch für die eigene Haltung. Denn: Integration braucht nicht nur Strukturen, sondern auch Bewusstsein.
Haltung zeigen – und dranbleiben
Aus dem Podium und den Workshops wird klar, dass Integration durch Sport ein zentraler Bestandteil der gesellschaftlichen Verantwortung des organisierten Sports ist. Das Fachforum hat gezeigt, wie wichtig es ist, nicht nur über Zugehörigkeit und Partizipation zu sprechen, sondern konkrete Schritte zur Umsetzung zu gehen. Der Vortrag sowie die Gespräche auf dem Podium und in den Workshops haben gezeigt: Viele Akteurinnen und Akteure wollen etwas bewegen, stoßen dabei aber auch auf strukturelle Grenzen. Klar ist: Die Themen sind gesetzt und sie fordern kontinuierliche Auseinandersetzung. Erfahrungen aus der Praxis, der Austausch im Netzwerk und einzelne gelungene Ansätze können dafür wertvolle Orientierung bieten. Das Fachforum war ein Anstoß und ein realistischer Blick darauf, wie viel Arbeit, aber auch wie viel Potenzial im Thema liegt.
Gudrun Brendel-Fischer, Vize-Präsidentin Breiten- und Gesundheitssport im BLSV, unterstreicht die Bedeutung des Programms: „‘Integration durch Sport‘ ist ein Haltungskonzept für unsere Sportlandschaft. Es steht für gelebte Werte, sichtbare Vielfalt und das beeindruckende Engagement unserer Vereine und Ehrenamtlichen.“
Was bleibt von diesem Tag?
Ein starkes Gemeinschaftsgefühl, viele neue Denkanstöße – und der klare Eindruck: In Bayern gibt es nicht nur Bedarf, sondern vor allem Bereitschaft, Integration im Sport weiter voranzubringen.