Berlin: Black History Month – "Gemeinsam sind wir stark und wir müssen einfordern was uns gehört, niemand wird uns hier draußen etwas umsonst geben."

Africa United Sports Club ist der erste afrozentrische und zugleich sportartenübergreifende Verein in Deutschland. Dabei ist es kein Zufall, dass der Verein aus der Hamburger Innenstadt ausgerechnet im Monat Februar 2015 gegründet wurde. Dieser Artikel veranschaulicht am konkreten Beispiel, was sich hinter den Begriffen Safe Spaces und Empowerment verbirgt und warum sie elementarer Bestandteil rassismuskritischer Gesellschaften sind. Africa United Sports Club macht vor, wovon wir alle etwas lernen können.

„Wir feiern unser jährliches Sommerfest am 16.Juni, dem internationalen Tag des Afrikanischen Kindes“ erklärt Vorstandsmitglied und Basketballtrainer Ruben Castro. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Um Schwarzen Kindern und Jugendlichen den Rücken zu stärken, richtet der Verein alle Sportfeste und Events an panafrikanischen Feiertagen aus. So erinnert der 16. Juni an den Aufstand der Kinder und Jugendlichen von Soweto gegen das damalige Apartheidsregime in Südafrika. Dabei tun die Ehrenamtlichen des Vereins das Menschenmögliche und manchmal noch ein bisschen mehr. Zur Vereinsgründung anlässlich des Black History Months 2015 hatte der Africa United Sports Club prominente Unterstützung. Marcia Merchant und Otto Addo berichteten von ihren Erfahrungen als Fußballprofis. Beide wissen, Schwarze Sportler*innen haben es unverhältnismäßig schwerer, auf und neben dem Spielfeld. Deswegen unterstützen sie das Konzept panafrikanischer Safe Spaces. Der frühere ghanaische Nationalspieler Otto Addo ist mittlerweile Assistenztrainer beim BVB, mit dem er 2001/2002 als Spieler selbst deutscher Meister wurde. Bei Africa United Sports Club in seiner Heimatstadt gibt er sein Wissen weiter – im Talent- und Empowermenttraining direkt an die Spieler oder indem er die Trainer des Vereins zu seiner eigenen Wirkungsstätte einlud, damit sie ein Gespür fürs Profigeschäft bekommen können. Überhaupt baut der Verein darauf, erfolgreichen & prominenten Hamburger*innen eine Plattform zu geben. „2016 kam Eric Maxim Choupo-Moting anlässlich des Kwanza-Festes* im Multisport-Trainingscamp in Mümmelmannsberg vorbei. Mittlerweile spielt er für den FC Bayern München. Aber unsere Kids wissen natürlich, dass er ein gebürtiger Hamburger aus Altona ist. Die Freude, einem ihrer Idole auf Augenhöhe zu begegnen, war einfach gigantisch!“ und während der 26-jährige Ruben Castro erzählt, merkt man, dass auch er sich gigantisch freut. Gleichzeitig steckt in seinen Worten auch ein gewisser Schmerz, denn der Verein ist nicht nur aus Spaß an der Freude entstanden, sondern aus einer pragmatischen Not heraus. Er bildet einen bewussten Gegenpol zur weißen Mehrheitsgesellschaft und einen besonderen Anlaufpunkt für Menschen afrikanischer Herkunft.

*Anmerkung: Kwanza ist ein mehrtägiges panafrikanisches Fest, das in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr gefeiert wird.

Der Ausruf „Wenn nicht wir, wer sonst?“ wurde schon vor Beginn der christlichen Zeitrechnung in Babylonien geprägt – ein Grundsatz, der bis heute gilt. Wirksame und nachhaltige Selbstermächtigung kommt von Innen. So wie sich am Ende des 18. Jahrhunderts in Europa der Pöbel gegen die Monarchien erhob und so wie seit Anfang des 20. Jahrhunderts Frauen in Frauenrechtsbewegungen massiv mobil machen, so kämpfen Schwarze Menschen seit dem Beginn von Sklaverei und Kolonialismus gegen anti-Schwarzen Rassismus. Dieser Kampf (genau wie der feministische Kampf) gleicht eher einem generationsübergreifenden Fackellauf, als einem Boxkampf. Schritt um Schritt baut jede Generation auf die Erfolge ihrer Vorgänger*innen auf und setzt den Weg fort. Der schlagende Punkt ist, die Community kämpft für die Community. Um diese Form des Empowerments aus einer Schwarzen Perspektive dreht sich das Angebot des Africa United Sport Clubs.

Es geht um weitaus mehr, als reines Sporttreiben zum Selbstzweck, das offenbart bereits der erste Blick auf die Homepage des Vereins. Unter dem Reiter „Aktiv werden“ finden sich neben Basketball auch Bildung, ASE Martial Arts, Ta Set Neferu – Schönheit und Haare, Organisation. Futsal wird auf Augenhöhe mit „König“-Fußball präsentiert. Futsal ist eine 5 gegen 5 Hallenfußballvariante, die in Lateinamerika entwickelt wurde und an den legendären Straßenfußball von Rio de Janeiro erinnert. Dahinter verbirgt sich eine wahre Erfolgsgeschichte, denn der Verein spielt bereits fünf Jahre nach der Vereinsgründung in der bundesweit höchsten Spielklasse im Futsal– der Regionalliga Nord.

Vielleicht sind Sie im vorherigen Absatz über den Punkt Schönheit und Haare gestolpert und fragen sich nun, wie das ins Angebot eines Sportvereins passt?! Africa United Sports Club hat das erklärte Ziel v.a. Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene ganzheitlich zu stärken. Dazu gehört es auch, koloniale Stereotypen und Vorurteile zu dekonstruieren, denn noch immer dienen die Körper Schwarzer Menschen als Projektionsoberfläche für Stigmatisierung. Aus diesem Grund veranstaltet der Verein seit 2018 regelmäßig Workshops und Projekttage unter dem Motto Ta Set Neferu – was auf Altägyptisch „Platz der Schönheiten“ bedeutet. Dort erfahren die Teilnehmenden alles rund um das Thema Schwarze Haare, von den Bedeutungen und der Geschichte verschiedener Haarfrisuren (z.B. Braids, Cornrows, Dreadlocks), über Pflege bis hin zur Struktur unterschiedlicher Haartypen unter dem Mikroskop. Nur ein kurzes Beispiel: Wussten Sie, dass ins Haar geflochtene Muster während der Sklaverei für die Übermittelung geheimer Botschaften genutzt wurden? Ta Set Neferu ist ein Teil des globalen Natural Hair Movement. Dahinter verbirgt sich ein Aufruf zu mehr Zärtlichkeit, Selbstbestimmung und Zurückgewinnung verdrängten und verlorenen Wissens; kurz: Schwarze Identität.

Die gebürtige Kölnerin Alice Hasters erläutert die Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung und dem gesellschaftlichen Umgang mit Schwarzen Körpern ausführlich in ihrem 2019 erschienen Buch „Was weiße Menschen über Rassismus nicht hören wollen – aber wissen sollten“. Die Autorin und Journalistin hat u.a. Sportwissenschaft an der Deutschen Sporthochschule studiert und verbindet auf nachvollziehbare Weise fundierte Befunde aus der Wissenschaft mit persönlichen Erfahrungen.

A.S.E. - African Self-Defense & Empowerment

„Alle Schwarzen Menschen haben das Recht und die Notwendigkeit, sich selbst verteidigen zu können. Dafür müssen wir geschützte Räume schaffen und uns selbst organisieren.“  

ASE wirkt sich unmittelbar auf das Selbstbewusstsein und notfalls auch die Wehrhaftigkeit der Teilnehmenden aus. In gezielt niedrigschwelligen und kostenlosen Kursen lernen Fortgeschrittene und Neulinge von- und miteinander. Das Angebot reicht dabei von klassischem Boxen, über Grima – einen afro-kolumbianischen Kampfstil – bis hin zur Selbstverteidigung für Frauen u.v.m..

Seit der Vereinsgründung 2015 unterstützt das Taiyo Sport Center unter Leitung des 5-fachen Kung-Fu-Weltmeisters Emanuel Bettencourt den Verein als fester Kooperationspartner. Africa United Sports nutzt die renommierten Räumlichkeiten regelmäßig für Workshops. Dabei sind „Respekt, Mut und Disziplin“ für die A.S.E.-Boxtrainerin Sona die wichtigsten Werte und Prinzipien für die Ausübung von Kampfkunst. Aus diesem Grund sagt die hauptberufliche Bibliothekarin, die erfolgreich ein Studium in international Management abgeschlossen hat: „Jeden Tag versuche ich, mit gutem Beispiel voranzugehen, und ich ermutige euch das Gleiche zu tun!“ Getreu dem Leitspruch Touch One, Touch All (auf deutsch: was eine*n berührt, berührt alle). Das funktioniert im Positiven wie im Negativen und im Großen wie im Kleinen. Wenn einem Schwarzen Mensch Diskriminierung widerfährt, trifft dies oft eine ganze Reihe weitere Menschen direkt und noch viel mehr Menschen indirekt. Wenn ein Schwarzer Mensch triumphiert, kann sich der Erfolg auf ganze Communities übertragen. So wurden erfolgreiche Sportler*innen wie Serena Williams oder Muhammad Ali zu wahren Ikonen, sogenannten GoATs - Greatest of All Times (die Größten aller Zeiten). Ihr Erfolg geht über den Sport hinaus, sie inspirieren Millionen von Rassismus Betroffene. Sie erinnern uns auch, dass wir für unsere Chancen und gleichberechtigte Teilhabe einstehen müssen – auf dem Spielfeld und im Ring, aber auch in Bildungseinrichtungen, Debatten, Parlamenten, Gerichtssälen und auf der Straße.

Philosophie

Africa Sport United folgt einem ganzheitlichen Ansatz, bei dem Sport eine zentrale Rolle einnimmt. Die Teilnehmenden werden also gezielt aufgefordert, das im Sport erlernte, auch in ihren Alltag zu übertragen und so schwierige Situationen zu meistern. ‚Wenn ich mich auf dem Spielfeld oder auch im Boxring beispielsweise, behaupten kann, dann kann ich das auch in anderen Lebenssituationen - in der Schule, in der Ausbildung oder im Job. Ich gehe vielleicht nicht jedes Mal als Gewinner*in vom Platz und manche Niederlagen sind besonders schmerzhaft. Aber am Ende des Tages kann ich wie im Sport eine Analyse machen und sehe, was lief gut und was kann ich verbessern.‘

Diese Mehrdimensionalität wird generationsübergreifend angewendet, indem die Sportgruppen und Events nach „dem uralten afrikanischen Ansatz der gleichberechtigen, holistischen (ganzheitlichen), inklusiven und komplementären Partizipation arbeiten, wobei großer Wert darauf gelegt wird, dass alle Mitglieder der Familie und der Community sich sportlich betätigen. Deshalb gestalten wir unsere Angebote so, dass es zeitlich und räumlich günstig für die Teilnehmenden aller Altersgruppen ist. Dies ist wichtig für die Gesundheit aller Familienmitglieder.“

 

Filmtipps

"Afro zu tragen, ist ein Akt des Widerstands" von Poliana Baumgarten und Elif Kücük

„Sarafina!“ (1992)