Die Netzwerk-Profis

Wie sich Hamburg United in Eidelstedt mit Flag Football etabliert und dabei wertvolle Integrationsarbeit leistet

Von Frank Heike (Text) und Frank Molter (Fotos)

Sie wollten nichts überstürzen, beim jungen Flag Football-Verein „Hamburg United“: „Wir hatten vergangenes Jahr gesehen, dass es verschiedene Fördermöglichkeiten beim HSB gibt“, erklärt Finanz-Vorstand Tamara Meyer, „wir dachten dann, man muss ja nicht gleich in die Vollen gehen und haben 2023 erstmal ein Mädchenteam gegründet. Das war eine geförderte Integration durch Sport-Maßnahme (IDS). Die restlichen Kosten haben wir von der Alexander Otto-Stiftung bekommen. Das hat gut funktioniert. Der HSB sah Potential bei uns, und jetzt sind wir Stützpunktverein und haben eine Integrationsbeauftragte.“ Das erwähnt Tamara Meyer nicht ohne Stolz.

Die Integrationsbeauftragte heißt Jessie, ist auch zweite Vorsitzende und erzählt an diesem kalten, weil windigen März-Abend, worauf es Hamburg United ankommt: „Integration, Inklusion und Diversität sind uns wichtig. Sieben unserer zwölf ehrenamtlichen Organisations- und Coaching-Mitglieder haben einen Migrationshintergrund.“ Bei Hamburg United wird das Thema Integration immer mitgedacht und ständig vorangetrieben. Jessie sagt: „Mit Schaffung meiner Stelle wollen wir mehr Geflüchtete in unseren Sport holen und den Frauenanteil erhöhen. Wir wollen die Internationalen Vorbereitungsklassen hier in Eidelstedt erreichen und dort unser Flag Football-Angebot präsentieren.“

Beim „Flag“ ersetzt das Abziehen der Flagge aus dem Gummiverschluss am Gürtel des Gegners den Körperkontakt des American Football. Deshalb kann „Flag“ von gemischten Teams gespielt werden – so ist es auch an diesem Abend am Steinwiesenweg in Eidelstedt. Das Flutlicht weist uns den Weg.

Im Zentrum der Einheit mit vielen Neulingen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter: Cheftrainer Kenneth Flanders, 38 Jahre alt, früher Football-Profi in Kiel, Magdeburg und Hamburg. Er ist sei 2020 dabei. „Für ein erstes Training läuft es richtig gut“, erläutert er, „die, die schon mehr können, bringen den Anfängern etwas bei.“ Flanders ist auch erster Vorsitzende bei Hamburg United. Als Headcoach der ersten Mannschaft will er das Team voranbringen, aber: „Die sportliche Entwicklung ist wichtig. Aber alles andere ist wichtiger.“

Hamburg United bietet „Flag“ in der Variante mit fünf Spieler*innen an. 2019 begann der früher „Hamburg Heat“ heißende Klub von vorn. Mit dieser Neugründung veränderte sich die Ausrichtung: „Wir wollen mehr Stadtteilarbeit leisten, einen geschützten Raum für Frauen im Sport und benachteiligten Kindern und Jugendlichen ein Forum bieten. Im Zuge dessen wollen wir mehr Integrationsarbeit in jeder Beziehung leisten“, sagt Tamara Meyer.

Sie selbst hat Softball gespielt, ist dann über einen ihrer Söhne zum Football und von dort zum Flag gekommen – Flag gehört zum Hamburger American Football-Verband. Nur bei Hamburg United wird Flag derzeit in unserer Stadt angeboten, Wachstum ausdrücklich erwünscht: Der Verein warb für sein offenes Training überall in Eidelstedt; bei Möbel Höffner, im Supermarkt, an Schulen. Dabei ist die Schaffung eines Frauenteams der Wunsch aller: „Das soll gern hauptsächlich aus Geflüchteten bestehen“, so Meyer. Bei der Netzwerkarbeit ist Hamburg United schon jetzt führend, hat über IDS Veranstaltungen besucht, war beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, hat NGOs kennengelernt und das „Sisters Network“.

Im gesamten Eidelstedter Sozialraum bewegt sich der Verein inzwischen behände, ist vernetzt mit Einrichtungen wie dem Theodorus Kinderhospiz, den Schulen, sitzt in der Stadtteilkonferenz: „Mehr Leute kennen uns und kommen von sich aus auf uns zu“, sagt Tamara Meyer. Als jüngst eine Anfrage aus einer vierten Schulklasse kam, in der der Umgang miteinander problematisch war, stellte Hamburg United auf Anfrage der Lehranstalt von jetzt auf gleich einen Kurs auf die Beine. Einmal pro Woche spielte die Klasse Flag, nahm dann als Team an einem offiziellen Event teil. Tamara Meyer berichtet: „Es hieß, dass die Stimmung in der Klasse nun viel besser sei.“

Die Ideen gehen dem Verein nicht aus. Für zukünftige Trainer*innen schwebt den Verantwortlichen vor, dass alle die C-Lizenz Breitensport besitzen sollen und obendrauf noch eine Flag-Ausbildung – auf der Basis eines 20-seitigen-Lehrwerks, dass Tamara Meyer gemeinsam mit dem Hamburger Flag-Jugend Landestrainer Marcel John geschrieben hat. Auch hier denken sie und ihre Vorstandskolleg*innen Integration mit: „Aus Mitgliedern sollen Ehrenamtler*innen werden. Wenn ich Trainer*innen mit Zuwanderungsgeschichte habe, die die Mädels in ihrer Sprache coachen, habe ich eine ganz andere Ansprache.“ Derweil ruft Chefcoach Kenneth seine Ansagen in Englisch und Deutsch über den Rasen, fordert mehr Bewegung – keine schlechte Idee an diesem kalten Abend.