Pilotprojekt mit hoher Symbolwirkung

Beim Interreligiösen Sportfest in Ruit spielen muslimische und christliche Teams sowie eine jüdische Mannschaft miteinander Fußball und Ultimate Frisbee

Bilder: WLSB
Bilder: WLSB

So etwas hat es in der Landessportschule Ruit noch nicht gegeben: Fünf muslimische, zwei christliche und eine jüdische Mannschaft haben sich dort am 7. Mai im Fußball/Ultimate Frisbee gemessen – beim 1. Interreligiösen Sportfest.

Schönes Beispiel, wie man aufeinander zugehen kann

„Es ist schon etwas Einmaliges: Nur ein kleines Sportfest, aber ein gutes Beispiel, aufeinander zuzugehen“, sagte Andreas Felchle, der Präsident des Württembergischen Landessportbunds (WLSB). „Rassismus ist wie eine Krankheit. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie sich in unseren Herzen ausbreitet“: So lautete indessen die islamische Fürbitte für ein gelingendes Miteinander. Trotz des Ehrgeizes der acht Teams war in Ruit der gesellschaftliche Kontext stets spürbar.

Am Ende dieser Pilot-Veranstaltung des WLSB und des Landesarbeitskreises Kirche und Sport – in zwei Jahren mit großem Enthusiasmus vor allem durch Philipp Geißler vorbereitet – waren die Reaktionen einmütig positiv. „Die Initiative hat uns sehr gepackt. Es war ein sehr gelungenes Sportfest mit hoher symbolischer Wirkung“, beschrieb zum Beispiel Lasse Müller vom Jüdischen Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland seine Eindrücke.

Gerade sollten die Halbfinal-Partien angepfiffen werden, da zuckten Blitze aus dunklen Wolkenbergen, und eine dichte Regenschleppe legte sich über den Kunstrasenplatz der Landessportschule Ruit. Und weil das noch anderthalb Stunden so andauern sollte, entschloss sich die Turnierleitung schon um halb vier, den Schlusspunkt zu setzen. „Die Entscheidung war richtig. Das Sicherheitsrisiko bei Gewitter ist zu hoch“, erklärte Mathias Bauer, der Leiter der Landessportschule, die 2023 ihr 75-jähriges Bestehen feiert.

Beim großen Abschlussfoto mit allen Teams sah man trotzdem in viele fröhliche und lachende Gesichter. Das Endklassement ließ sich nämlich aus den Ergebnissen der Vorrundenspiele gut berechnen: 1. CVJM Bernhausen (9 Punkte/15 Tore), 2. Evangelisches Jugendwerk Württemberg (EJW, 9 Punke/5 Tore), 3. Ahmadiyya Muslim Jamaat (6 Punkte), 4. Gesellschaft für Dialog Baden-Württemberg II (GfD, 4 Punkte). Und überdies konnte sich jedes Teammitglied über eine eigene Medaille freuen.

Beim Ultimate Frisbee tun sich manche noch schwer

Sechs Stunden vorher war das Sportfest durch einen empathischen und musikalischen christlichen Gottesdienst unter Leitung von Dekan Gunther Seibold (Bernhausen) eingeleitet worden. Alsbald waren dann die Teams zweimal acht Minuten im Fußball (erste Halbzeit) und Ultimate Frisbee (zweite Halbzeit) gefordert. Ein anspruchsvolles Kombi-Paket, kamen in Ruit doch viele der Akteure zum ersten Mal mit dem Frisbee-Spiel – zwar ohne Körperkontakt, aber doch überraschend bewegungsintensiv – in Berührung.

„Wir haben als Vorbereitung ein paar Videos auf You Tube angeschaut“, berichtete Abdul Awal, der Leiter von Ahmadiyya, lächelnd. Nur um gleich darauf seinem Team emotional „Jungs, Ihr müsst zusammen kürzer spielen, und Ihr dürft schon stören“ aufs Spielfeld zuzurufen. Und etwas zu grollen: „Wir spielen das nur einmal im Leben. Da sollte man auch Technik spielen und nicht so einen Quatsch…“

Auch wenn es viel mehr um das Miteinander als um das Gewinnen ging, wurde nicht nur beim Fußball, sondern gerade beim Ultimate Frisbee heftig darum gerungen, die Scheibe in der gegnerischen Endzone zu fangen und so zu punkten. Vor allem beim Start des Turniers war die Unsicherheit über die Regeln noch zu spüren – es wird ja ohne Schiedsrichter gespielt. Bei Scheibenbesitz ist eben nur ein Sternschritt wie im Basketball erlaubt. Folgender Dialog beim Spiel Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg I (IGBW) gegen GfD II war da zum Beispiel zu hören. Vorwurf: „Vier Schritte schon, der macht das die ganze Zeit!“ Gegner: „Darf man nur einen Sternschritt machen?“ Stimmengewirr. Dann einer resolut: „Nicht diskutieren: Nur ein Schritt!“

Die „Clearingstelle“ unter Jürgen Heimbach, die sich bei wirklich strittigen Szenen hätte einschalten müssen, war dennoch arbeitslos. „Selbst bei einem zunächst unhandlichen Spiel wie Ultimate Frisbee waren die Entspanntheit und die Stimmung richtig klasse“, lobte der WLSB-Geschäftsführer Bildung den freundschaftlichen Umgang miteinander. Ein Eindruck, den Yasin Adigüzel (EJW), der einzige Frisbee-Ligenspieler im Turnier, bestätigte: „Wir haben auch von anderen Mannschaften Spieler ausgeliehen, das gehört auch zum Kennenlernen.“ Außerdem habe er E-Mail-Adressen mit anderen Teams ausgetauscht.

Sehr, sehr zufrieden mit dem Ablauf äußerte sich auch Osman Yildiz von der GfD. Es habe faire Spiele und kaum Verletzte gegeben. Bei einer Wiederholung des Turniers würde er sich einzig mehr Begleitung durch Familien mit Kindern wünschen. Könnte so etwas wie das Interreligiöse Sportfest auch ein wenig in die Gesellschaft hineinwirken? Einen so hohen Anspruch will Yildiz nicht formulieren: „Ich wäre schon zufrieden, wenn das außerhalb der Stuttgarter Region bekannt würde.“

Eine gute Gelegenheit, Vorurteile abzubauen

Während in einigen Mannschaften auch Frauen nach Ball und Scheibe jagten, wollten sich die islamischen Verbände dazu nicht durchringen. Das sei nicht erlaubt, hieß es. Ihre Teams traten ausschließlich mit Männern an. Immerhin akzeptierten sie gegnerische Teams mit Frauen. Was Andreas Felchle sehr begrüßte: „Es gehört auch dazu, dass man Unterschiede anerkennt.“

Derweil zeigte sich Ramazan Kara – am Info- und Verpflegungsstand mit leckeren muslimischen Spezialitäten mit Schafskäse eingesetzt – begeistert über das neue Format: „Sport bietet Gelegenheit, Vorurteile abzubauen.“ Kara, Vorstandsmitglied bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft, rief eigens seinen 14-jährigen Sohn an und bat ihn, noch beim Sportfest vorbeizuschauen: „Er hat das Thema zwar im Ethik-Unterricht, aber man darf sich nicht nur in der digitalen Welt seine Meinung bilden. Man muss richtigen zwischenmenschlichen Kontakt haben. Es wäre schön, wenn wir das Format in die Schulen tragen können.“ Das könne er sich als Thema einer Sportwoche vorstellen. Welch Plädoyer für mehr Sensibilität zwischen den Religionen!

Am Ende einer mehr als bemerkenswerten Veranstaltung bilanzierte Andreas Felchle: „Die Botschaft ist gut rübergekommen. Klar ist, wofür Kirche und Sport und der WLSB stehen.“ Ganz im Sinne von Schirmherrin Theresa Schopper, der baden-württembergischen Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, in Ruit vertreten von Michael Daiber, könnte sich Organisator Philipp Geißler ein ähnliches Sportfest in etwa zwei Jahren erneut vorstellen: „Man weiß, dass es schon mal geklappt hat. Mit dieser Vorerfahrung könnte man es leichter aufbauen.“ Auch Katholiken oder Muslime könnten das ja vielleicht ausrichten. „Wir lassen uns auch gern mal einladen.“ Ansonsten prägte Geißler beim Abschied von Ruit vor allem ein großes Gefühl: „Dankbarkeit, dass es so hat klappen dürfen.“

WLSB/Klaus Vestewig

 


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