„Ich habe Bremerhaven immer als das Tor zur Welt gesehen, denn wir sind ein Hafen und eine Auswandererstadt. Ich kenne noch das Gefühl, wie es war, als ich mit 23 angekommen bin. Es war eine selbst gewählte Entscheidung und ich war der deutschen Sprache mächtig, trotzdem war es als Berufsanfängerin erst einmal befremdlich. Der Sport war für mich immer die Möglichkeit mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und den Kopf freizubekommen. Diese Möglichkeit möchte ich weitergeben und auch Hilfe anbieten.“ resümiert Susanne Schultz ihre persönlichen Erfahrungen, die einen Grundstein für ihr Engagement legten, in ihrer Dankesrede.
Dem Vorausgehend hatten die Laudator*innen, die gleichzeitig auch Juror*innen des Diaspora-Preises 2023 waren, das Motto „aus der Diaspora für die Diaspora“, eigener Aussage nach, erstmals etwas gelockert, um „Walking & Talking“ den Preis übergeben zu können. Die Laudatorin Dr. Parisa Fathi erklärte, wieso gerade dieses Projekt aus Bremerhaven ausgewählt wurde: „Die Sprache ist der Schlüssel für alles, genau an dieser Stelle setzt das Projekt an. Geflüchtete kommen zusammen und erhalten die Möglichkeit der Teilhabe an etwas Gemeinschaftlichem. Sie lernen andere Menschen und Kulturen kennen und werden motiviert, die deutsche Sprache jenseits von Sprachkursen, Grammatikübungen und Ausspracheregeln zu lernen. Aus dieser zuerst nur sportlich ausgerichteten Gemeinschaft haben sich tatsächlich Freundschaften entwickelt. Man ist füreinander da.“
Parisa Fathi unterstrich die Wahl in ihrer Laudatio auch um eine persönliche Erfahrung: „Ich habe selbst erlebt, dass die erste Zeit nach der Flucht von einem Gefühl bestimmt sein kann, in Deutschland fremd und allein zu sein – man sucht nach einer Familie oder einem Ersatz dafür. Auch diesem Bedürfnis konnte durch das Projekt begegnet werden. Es braucht eben nebst staatlicher Hilfe auch das unbürokratische Engagement von Privatpersonen, um Menschen schnell und wirksam zu helfen, ein Teil dieser Gesellschaft zu werden. Herzlichen Dank dafür, Frau Schultz!“
Susanne Schultz resümierte anschließend in ihrer Dankesrede, die Entwicklung des multikulturellen Lauftreffs: „Ich habe 2016 in einem Bereich gearbeitet in dem ich ab und zu mit Geflüchteten zu tun hatte und war überrascht von der Herzlichkeit und Wärme, die ich trotz der schwierigen Lebensumstände erfahren habe. Für eine Patenschaft fehlte vormittags die Zeit und so kam damals die Idee mein Hobby um etwas Raum fürs Sprache lernen und weiterführende Hilfe zu erweitern und mit einem festen Termin zu versehen. Ich habe mich 2016 dann an eine gut vernetzte Kirchengemeinde in Bremerhaven gewandt, um Menschen zu erreichen und „Walking & Talking“ ins Leben gerufen. Anfänglich waren wir nur zu Zweit, aber wie es so ist, wurden Freunde mitgebracht und nach acht Wochen waren wir eine richtige Gruppe, haben sogar am Stadtmarathon in Bremerhaven teilgenommen und sind langsam auch bei den Volksläufen der Region herzlich empfangene Gäste geworden. Es wurden viele gemeinsame Erfahrungen gesammelt, es sind Freundschaften entstanden und wir helfen uns auch heute noch gegenseitig. Wir freuen uns, dass wir inzwischen auch immernoch Zuwachs bekommen und eine Koreanerin sowie Ukrainerin zu uns zählen dürfen. Letztere macht inzwischen auch einen Übungsleiterinnen-Schein und hat einen Flyer für unseren Lauftreff entworfen.“
Die einzelnen Projekte, die sich auf diesen Preis beworben hatten, wurden der Öffentlichkeit am Vormittag der Preisverleihung vorgestellt. Um 12:00 Uhr eröffneten die Organisator*innen des Afrika Neztwerkes Bremen unter der Leitung von Virgine Kamche die Veranstaltung. Ahmad Arjafi, Abdulhamid Alhazzouri und Susanne Schultz aus Bremerhaven stellten dabei im Zuge eines Gallery-Walks „ihren“ multikulturellen Lauftreff “Walking & Talking” vor. Mit dabei waren auch eine Fotowand mit Impressionen der sportlichen Gemeinschaft sowie einige Fotobücher und Flyer.
Der Bremer Diaspora-Preis wird seit fünf Jahren vom Afrika Netzwerk Bremen und Partner:innen organisiert und würdigt ehrenamtliche Leistungen von Diaspora- und migrantischen Organisationen in Bremen und umzu, die sich in als auch außerhalb von Deutschland engagieren.
Einen kurzen Nachbericht gibt es auch auf der Seite des Nord-Süd-Forums Bremerhaven hier. Ein Erfahrungsbericht der letzten Jahre des Lauftreffs der Sportlotsin Susanne Schultz hier.
Das Programm „Integration durch Sport“ wird aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstützt.