Weltflüchtlingstag in Bremen: Fluchtschicksale und Ort der Begegnung

Bewegende Erfahrungsberichte über die eigene Flucht auf der einen Seite, Momente voller Lebensfreude auf der anderen: Die Bandbreite der ersten Ausgabe des Bremer Weltflüchtlingstages war groß. Mit dabei war auch das SportMobil sowie ein Team des Programms "Integration durch Sport".

Geselliges Treiben bei einer Tanzeinlage des Afrika Netzwerk. Im Hintergrund das SportMobil des Programms "Integration durch Sport" mit seiner Hüpfburg
Geselliges Treiben bei einer Tanzeinlage des Afrika Netzwerk. Im Hintergrund das SportMobil des Programms "Integration durch Sport" mit seiner Hüpfburg

Am Samstag und Sonntag, 18. und 19. Juni 2022, fanden auf dem Gelände der Evangelischen Kirchengemeinde Arsten-Habenhausen zahlreiche Aktivitäten aus den Bereichen Kultur, Gedenken, Politik und Sport statt. Ziel der vielseitigen Veranstaltung war es, einen Ort der Begegnung zu schaffen und zu zeigen: Bremen ist weltoffen und bunt.

"Die Suche nach Freiheit ist ein Menschenrecht", sagte Klaus Platz, einer der Mitorganisatoren der Veranstaltung. Er eröffnete das Event auf dem Arster Kirchhof an der Gedenkstätte für Menschen, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren haben. "Diejenigen, die dazu gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, müssen willkommen sein." Bremens ehemaliger Bürgermeister und Schirmherr Henning Scherf (SPD) stellte klar, dass niemand einfach so seine Heimat verlässt: "Viele wollen einfach nur weg aus mörderischer Gefahr, Unterdrückung, absoluter Armut oder Dürre".

Am Wochenende vorm offiziellen Termin des Weltflüchtlingstag (20. Juni) wurde das gesamte Gelände der Gemeinde, inklusive der Kirche St. Johannes, genutzt. Dort fanden unter anderem zwei große Podiumsdiskussionen mit Vertreter:innen aus Politik und Gesellschaft statt. "Wir müssen unsere Flüchtlingspolitik in eine Zuwanderungspolitik umgestalten", forderte der Bremer Herzchirurg und Bestsellerautor Umes Arunagirinathan bei der Diskussion am Sonnabend zum Thema "Festung Europa".

Arunagirinathan kam selbst mit 13 Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus seiner Heimat Sri Lanka nach Deutschland. "Es gibt in vielen Bereichen einen Fachkräftebedarf. Wir müssen die Menschen dafür gewinnen, unsere Gesellschaft mitzugestalten und ihr Ankommen als eine Bereicherung verstehen. Damit Geflüchtete Verantwortung für sich übernehmen können, müssen aber auch die Voraussetzungen stimmen, weshalb wir etwa den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern müssen", sagte er im Gespräch mit Maike Röttger, Geschäftsführerin der zivilen Seenotrettungsorganisation SOS Humanity. Ähnliche Wünsche formulierten auch mehrere Geflüchtete, die bei der Runde am Sonntag zum Thema "Sicherer Hafen Bremen" eindrücklich von ihren eigenen Fluchterfahrungen und ihrem Ankommen in Europa und Bremen berichteten.

Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist das Thema Flucht aktueller denn je. Was das für die Menschen in der Ukraine und Geflüchtete in Bremen bedeutet, schilderte Kate Guban von dem Verein "O.K. Human Rights Ukraine", der sich für Geflüchtete in Bremen und Menschen in der Ukraine engagiert. Guban hat erst vor Kurzem ihre Familie in Kiew besucht und ist seit Kriegsbeginn dauerhaft ehrenamtlich im Einsatz. Ihr Appell: "Der Krieg ist nicht vorbei, wir dürfen uns nicht daran gewöhnen."

Die Erfahrungen, die Menschen auf der Flucht und beim Ankommen in einer neuen Heimat machen, bleiben ein Leben lang.
Das wurde auch aus den Berichten ersichtlich, die Schauspieler und Regisseur Dirk Böhling gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vortrug. Chöre, darunter die Arster Kantorei, das Ensemble d'accord sowie weitere Musikbeiträge rundeten das Programm ab.

Während auf dem Podium die ernsten Themen im Vordergrund standen, war im Kirchgarten der Gemeinde Platz für Begegnungen, etwa an den Essensständen des internationalen Food-Courts oder vor der Bühne, auf der sich im Laufe der Tage verschiedene Künstler:innen und Organisationen präsentierten. Auch eine Hüpfburg des Programms „Integration durch Sport“ sowie zahlreiche Kleinspielgeräte wie Diabolos waren auf dem kirchlichen Rasen vertreten. Am Samstag konnten Freiwillige zudem gegen Vizeweltmeister Semin Mensah im Tischkicker antreten. Zu den Highlights zählte ebenso eine Tanzeinlage von Mitgliedern des Vereins Afrika-Netzwerk Bremen, die Besucher:innen schon zum Mitmachen animieren konnten und ihnen tanzend einen Teil ihrer Kultur näherbrachten. "Genau für solche Momente sind wir hier", sagte Virginie Kamche vom Afrika-Netzwerk.

Am Sonntagvormittag gestaltete Pastor Christian Schulken gemeinsam mit Geflüchteten und weiteren Unterstützer:innen den Gottesdienst in der Kirche St. Johannes. Parallel dazu fand auf dem benachbarten Sportplatz am Korbhauser Weg ein Fußballturnier statt, bei dem acht Teams gegeneinander antraten, darunter Mannschaften vom TuS Komet Arsten, dem Afrika-Netzwerk oder dem christlichen Fußball-Fanclub Offensive Werder Bremen. Während der Partien wurde einmal mehr deutlich: Sport verbindet.

Zum Abschluss versteigerte Auktionator Mateng Pollkläsener ein Bild des Bremer Künstlers Peter KF Krueger, das zusammen mit anderen Werken Teil einer Ausstellung war, die sich mit der Fluchtroute über das Mittelmeer auseinandersetzt. Der Erlös von knapp 700 Euro sowie Spenden und der finanzielle Überschuss der Veranstaltung kommen "United4Rescue" zugute, ein breites Bündnis zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung. Die Kollekte, die am Sonntag im Gottesdienst gesammelt wurde, fließt indes in die Finanzierung des neuen Rettungsschiffes von SOS Humanity.

Für die Organisatoren ist das Ziel der Veranstaltung erreicht: "An den beiden Tagen wurden sehr wertvolle Begegnungsräume geschaffen, die ich mir viel häufiger in der ganzen Stadt wünsche", fasste Virginie Kamche vom Afrika-Netzwerk zusammen.

Zum Hintergrund:

Seit mehr als 50 Jahren macht das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mit dem Weltflüchtlingstag am 20. Juni auf die Not von Geflüchteten in aller Welt aufmerksam. Bremen wollte in diesem Jahr ein Zeichen setzen und zeigen, dass die Stadt weltoffen und bunt ist. Ideengeber und Hauptorganisatoren waren Klaus Platz und Gerd Knoop, die sich unter anderem für die zivile Seenotrettungsorganisation SOS Humanity engagieren. Unterstützung erhielten sie neben dem Arbeitskreis Asyl der Gemeinde Arsten-Habenhausen von zahlreichen Organisationen und Initiativen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Die Gemeinde wurde als Veranstaltungsort gewählt, weil sich auf dem Arster Kirchhof eine Gedenkstätte für Menschen befindet, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren haben.

Alle Bilder: Bündnis Weltflüchtlingstag

 


  • Geselliges Treiben bei einer Tanzeinlage des Afrika Netzwerk. Im Hintergrund das SportMobil des Programms "Integration durch Sport" mit seiner Hüpfburg
    Geselliges Treiben bei einer Tanzeinlage des Afrika Netzwerk. Im Hintergrund das SportMobil des Programms "Integration durch Sport" mit seiner Hüpfburg
  • Basiru Touray vom SpoMo-Team lehrt an seinem Lieblings-Sportgerät
    Basiru Touray vom SpoMo-Team lehrt an seinem Lieblings-Sportgerät
  • Ausgelassene Stimmung
    Ausgelassene Stimmung
  • Erfahrungsberichte aus der Flucht
    Erfahrungsberichte aus der Flucht
  • Podiumsdikussion: "Sicherer Hafen Bremen"?!
    Podiumsdikussion: "Sicherer Hafen Bremen"?!
  • Gäste waren in sowie außerhalb der Kirche
    Gäste waren in sowie außerhalb der Kirche
  • "Vier Gewinnt" aus dem SportMobil
    "Vier Gewinnt" aus dem SportMobil
  • Tischkicker mit Vize-Weltmeister Semin Mensah
    Tischkicker mit Vize-Weltmeister Semin Mensah
  • Bürgermeister a.D. Henning Scherf
    Bürgermeister a.D. Henning Scherf