„Es geht darum, dass man sich gemeinsam entwickelt und auf eine Wellenlänge kommt“: Interview mit Basiru Touray vom SportMobil-Team

Basiru (23) ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Wie viele Deutsche ist er „halb-halb“, wie er selbst sagt. Sein Vater ist aus Gambia, seine Mutter aus Deutschland. Für das Programm „Integration durch Sport“ betreut er als Kleinspielgeräte-Ass Einsätze mit dem SportMobil, einem für interkulturelle Sportfeste umgebauten Transporter. Außerdem studiert er Medien- und Kommunikations- kombiniert mit Erziehungs- und Bildungswissenschaften an der Uni Bremen. Zum Ausklang der internationalen Wochen gegen Rassismus sprachen wir über seine ehrenamtliche Tätigkeit, den Bremer African-Cup und seine persönlichen Erfahrungen zum Thema Rassismus.

Basiru Touray, Foto: privat
Basiru Touray, Foto: privat

Moin Basiru, danke dass du dir Zeit nimmst. Wir kennen uns ja schon über das SportMobil. Wie kam es denn dazu, dass du angefangen hast die mobile Spielstation mit zu betreuen?

Ich bin da quasi reingewachsen und es hat mich bisher nicht losgelassen. Meine Mutter war oft bei Einsätzen als Betreuerin mit dabei und hat mich mitgenommen. Ich war dadurch von klein auf ein bisschen Zirkus-Kind, könnte man sagen. So hab ich Tellerdrehen, Diabolo und viele von den anderen Sportgeräten kennen gelernt. Ein Diabolo habe ich mir auch direkt gewünscht nachdem ich das zum ersten Mal in der Hand hatte. Insofern kam auch schnell die Möglichkeit, den Kids bei den Einsätzen mal was zu zeigen und beizubringen. Ich hatte dann soviel Spaß, dass ich immer weiter gemacht habe, die anderen Leute beim LSB (Anm. d. Red.: Landessportbund Bremen) kennen gelernt, kam mit in den E-Mail-Verteiler und dann ging‘s los. 

Wir waren ja mal gemeinsam in Bremerhaven beim FC Sparta. Es war schon beeindruckend, was du mit dem Diabolo drauf hast. Weißt du noch bei welchen Events du so mit dabei warst?

Also ich war bei vielen Sportfesten mit dabei von der Vahr bis Huchting und Bremerhaven wie du schon angemerkt hast. Beim African-Cup war ich auch super gerne mit dabei, weil ich früher auch selbst teilgenommen habe. In verschiedenen Unterkünften von Geflohenen hier in Bremen bin ich auch ab und zu gewesen. Insgesamt aber hauptsächlich Sportfeste und vereinzelt mal kleinere Events, wie an der Kirche St. Johann in der Innenstadt. Also gefühlt war ich schon in ganz Bremen mal mit dabei.

Du meinst, du warst beim African-Cup. Das ist hauptsächlich ein Fußballturnier der verschiedenen afrikanischen Nationalitäten, die in Bremen gemeinsam leben, oder?

Ja, aber auch noch Kultur, könnte man sagen, bei den riesigen Essensständen der teilnehmenden Länder. Der Cup ist ja dafür da, dass die Länder Afrikas repräsentiert werden und spielen können. Ich habe mit 14 Jahren mal beim Jugendcup mitgespielt. Diese Lebendigkeit auf dem Platz ist auch echt schön, die Diskussionen auf dem Feld, meinetwegen Kamerun gegen Gambia, Senegal gegen Nigeria, das ist schon spektakulär, was da  abgeht. Vor allem kommt die ganze African Community dann auf dem Platz mal zusammen und egal wie groß die Unterschiede jetzt sind, egal ob Osten, Westen, Norden, Süden, in dem Moment sind sie dann gemeinsam da und zeigen, was sie können im Sport, aber auch gerade was das Essen angeht. Das ist ein richtiges Battle: „Mein Stand verkauft mehr als deiner, hier haste nochmal gebackene Bananen, willst du das scharf haben? Aber mein scharf ist wirklich scharf, glaub mir mal.“ Du gehst da durch und wirst so ein bisschen mitgenommen in diese Welt. Es wird viel getanzt in jedem Alter, vor allem auf dem Platz vor der Bühne, das sieht man sonst in Deutschland ja eher selten und das feiere ich enorm.

Für welche Nation warst du unterwegs?

Natürlich vorerst für Gambia, ich muss ja meine Wurzeln supporten. Leider verlieren wir nur immer sehr früh. (lacht) Ich würde aber schon sagen, seitdem ich selber auch mal da war und mich mit dem Land auseinandersetze, assoziiere ich mich natürlich auch irgendwie mit der gambianischen Kultur. Wir sind ja auch das kleinste Land Afrikas und da ist schon schön zu sehen, wenn dann „dein“ Team gewinnt. Das ist ja wie Bremen mit Werder, oder? Da ist man ja schon fast automatisch dafür. Aber am Ende des Tages ist mir der Fußball sogar wichtiger, weil tatsächlich echt viele Talente dabei sind, die da richtig loslegen und dann ist das echt nebensächlich, woher die Leute kommen.

Ist so ein Event auch eine gute Möglichkeit für dich, mal in den Austausch zu gehen?

Ja, auf jeden Fall! Gerade auch weil, ich sage mal, ich halb-halb bin. Ich bin natürlich deutsch geprägt, ich lebe ja auch in Deutschland und habe auch viele Verbindungen zu der deutschen Gesellschaft aufgebaut. Aber da im Team Gambia war es auch so, dass ich Jungs kennengelernt habe, die ähnlich aussehen wie ich und die genau die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Das war wirklich der erste Austausch in so einer Form, der unabhängig von meinen Eltern passiert ist und bei dem ich gemerkt habe: „Okay, die verstehen mich. Die fühlen, wie ich fühle. Die sehen die Welt in einer Art und Weise, wie ich sie sehe, weil sie halt die gleichen Erfahrungen gemacht haben und dadurch eben auch den selben Blick auf Dinge entwickelt haben.“ Das war mit 14, 15 und das war ein ganz anderes Verständnis als in meiner Klasse, wo eigentlich alle weiß waren. Es war schon schön muss ich sagen, also der Austausch hat einen auch stärker gemacht, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht alleine bin. Das war echt eine der besten Erfahrungen, die ich machen konnte.

Was waren das so für Erfahrungen über die ihr euch ausgetauscht habt?

Wir haben zum Beispiel über unsere Haare geredet. Also ich hatte geflochtene Haare in der Zeit. In der Schule waren dann viele so: „Boah, voll cool, darf ich die mal anfassen?“ – und beim Cup meinte aus meinem Team dann einer: „Meine Haare, es nervt mich so.“ und bei mir war es ja genau dasselbe. Das Kämmen ist stressig, das Bürsten ist stressig, es ist einfach anstrengend und das verstehen viele Leute eben nicht, weil sie nicht dieselben Haare haben. Da hast du halt einfach einen Austausch gehabt, der sonst immer nochmal erklärt werden muss, zum Beispiel: „Ja, der Nachbar guckt mich immer so komisch an, vielleicht ist der ein Nazi.“. Solche Bedenken konnte ich halt nachvollziehen. „Ja, ich kenne das auch, wenn Personen auf der Straße an einem vorbei gehen, einen angucken und mit dem Kopf schütteln.“ Da hatte ich das Gefühl,  es wird eins zu eins verstanden, wie ich Dinge meine, woher sie kommen und da muss ich nicht noch außen rum erklären. Das war wirklich eine Wellenlänge auf der man da durch seine Erlebnisse unterwegs war, schon wie eine Gemeinschaft, würde ich sagen.

Wie geht es dir denn bei Freuden, die vielleicht keine Migrationsgeschichte haben, solche Themen anzusprechen?

Also mittlerweile spreche ich eigentlich direkt alles an, was mich betrifft und versuche dann auch meinen Standpunkt darzulegen. Schlechte Erfahrungen habe ich eher früher gemacht, als ich noch nicht so selbstbewusst war und noch nicht wusste, wer ich bin und wo ich hin will. Zum Beispiel war ich mal in Hamburg auf einer Party von einem Freund von mir, es war so ein bisschen außerhalb, eher ländlich und die Gäste waren auch eher ländlich-deutsch. Ich hatte Dreadlocks und dann haben die Leute ein paar Bier getrunken, kamen an und haben einfach angefangen, die anzufassen und ich dachte mir halt so: „Du hast deine Haare vielleicht auch gemacht und ich komme doch auch nicht einfach an und fasse dir in die Haare und streich da so durch.“ Ich war da halt noch unsicher, mein Kumpel hat zu dem Zeitpunkt schon gepennt, weil es ihm nicht gut ging, also war ich praktisch alleine auf der Party und es hat sich für mich halt schon echt wie eine Art Belästigung angefühlt. Ich wusste aber auch nicht, wie ich damit umgehen soll, ich wollte dann auch nicht der Arsch sein, der die Stimmung versaut, obwohl das eigentlich übergriffig war. Das ist zum Beispiel etwas, das ich gemerkt hab, das muss man direkt klarstellen, denn dann kommt es gar nicht erst weiter zu so etwas wie Konflikten, wenn man so etwas sagt, wie: „Ey, du hast mir grad in die Haare gefasst, das finde ich nicht gut, lass es bitte bleiben.“ Bis hierhin und nicht weiter im Grunde. Das kann man ja dann auch noch weiter erklären.

Hast du in so einer Situation auch mal Hilfe bekommen?

Ja, auf jeden Fall. Ich würde auch sagen, dass mein Freundeskreis auch aus super aufgeschlossenen Menschen besteht. Die fragen dann auch wie du, auf eine korrekte Art und Weise nach, ob Dinge so in Ordnung sind. Ich finde auch, wenn ein Fehltritt passiert und ich weiß diese Person hatte keine böse Intention dahinter, dann spreche ich das auch einfach an und sage: „Wir können ja mal schauen, ob es nächstes Mal besser klappt.“ Das ist auch das Wichtigste, dass man drüber redet, was schief gelaufen ist. Nicht so, dass man jemandem direkt alles vor die Füße schmeißt, sondern dass man klar stellt, was einen gerade gestört hat, damit man auch versteht, was beim Gegenüber passiert ist, man daraus lernen kann und hoffentlich zusammenfindet.

Ich habe, die Erfahrung gemacht, dass wenn jemand auf Rassismus angesprochen wird, es häufig erstmal von sich weggeschoben wird, anstatt zuzuhören, es anzunehmen, nachzudenken und sich danach zu richten. Hast du auch schon mal gemerkt, dass es Leuten tendenziell unangenehm ist über das Thema zu sprechen?

Ja, kann man schon sagen. Tatsächlich auch an der Uni vor einer Weile. Wir haben über die westliche Machtverhältnisse gesprochen. Der Dozentin ist rausgerutscht, dass es früher ja auch Wörter wie das N-Wort gab und hat es dabei auch verwendet. Ich war etwas vor den Kopf gestoßen, aber niemand im Kurs hat etwas gesagt und ich habe das dann angesprochen. Meine Kommilitonen meinten dann, dass sie auch nicht wussten, wie sie es hätten ansprechen sollen. Ich dachte mir aber: „Wenn du nicht weißt wie, dann sprich es doch erstmal an und sag einfach, dass du nicht so richtig weißt, wie du es ansprechen sollst, dann ist auch schon viel gewonnen.“ Ich finde halt, das Wort passt überhaupt nicht in den akademischen Kontext, vor allem nicht, wenn es danach nicht klargestellt wird. Die Dozentin ist dem halt ausgewichen, indem sie nochmal People of Colour hinterhergeschoben hat. Sie hätte ruhig nochmal sagen können, dass man das Wort eigentlich nicht sagt, aber hat es halt übergangen. Ich habe ihr dann auch nochmal eine E-Mail geschrieben und wir haben einen Zoom-Talk gehabt. Sie hat sich dann auch im privaten Rahmen entschuldigt, aber nicht im Öffentlichen und da wäre es viel wichtiger gewesen einzusehen, dass man einen Fehler gemacht hat und das gerade rückt. Das klingt banal, aber es war für mich schlimm, weil ich mich in dieser Situation allein gelassen gefühlt habe, weil das passiert ist, obwohl wir genau darüber gesprochen haben, dass solche Machtverhältnisse nicht in Ordnung sind und die Unterdrückung von Schwarzen über viele Ebenen ja immer noch stattfindet. Ich dachte mir halt, das kann doch nicht sein, dass jetzt keiner Mal den Mund aufmacht und es jeder so von sich wegdrückt.

Wie steht es für dich im Sport?

Also ich habe da schon ein paar Sprüche im Kopf: „Ach, der junge Schwarze, der kann doch Fußball spielen!“ Auch in der Schule beim Basketball: „Ich wähle Basi, der kann doch bestimmt Basketball spielen.“ Ich bin ein schlechter Basketballspieler und zusätzlich bin ich auch noch klein, das bringt‘s halt einfach nicht. Das sind natürlich Vorurteile, die da reproduziert werden: „Sport liegt euch ja und tanzen könnt ihr auch.“ Vereinssport bietet da aber auch eine Chance, weil man sich kennenlernt: „Ah okay, Basiru kann vieles gut, aber zum Beispiel nicht dribbeln.“ Das ist im Privaten ja genauso, aber als ich dann mal in einer Auswahl gespielt habe, meinten die pauschal ich wäre schnell und wendig und sie müssten mich als Außenstürmer aufstellen, ich bin aber Innenverteidiger, weil ich mich durchsetzen kann, auch wenn ich klein bin. Also gerade, wenn man schwarz ist, gibt es im Sport schon viele Klischees. Das verwundert mich schon, dass so etwas immer noch stattfindet, bestes Beispiel war ja auch der Kommentar über Boateng: Fußballspielen ist okay, aber Nachbar muss er ja nicht sein. Es ist aber gut und wichtig, dass dagegen etwas getan wird.

Gibt es auch positive Dinge, die sich finden?

Gut, es ist ja schön, dass Menschen sehen, dass Talente überall liegen können, nur darf dann nicht außenvorgelassen werden, dass dahinter auch eine Person steht. Da kann Sport wertvoll sein, weil eine Gelegenheit entsteht, sich kennenzulernen. „Integration durch Sport“ und einige Vereine machen da ja gute Angebote um Verbindungen zu schaffen und sich zu verständigen, wenn die Sprache gerade noch eine Barriere ist. Es ist auch wichtig, dass der soziale Faktor mitgedacht wird, damit Fußballtalente nicht nur werkzeugartig in der Bundesliga oder auch im Verein genutzt werden, sondern auch als Teil dieser Gesellschaft anerkannt werden. Es sollte auch die Person in den Vordergrund gesetzt werden und nicht nur die sportliche Leistung, die sie bringt. Den Menschen auch außerhalb des Sports wahrnehmen, die Kultur zu zeigen, da hilft ein „Komm, ich zeig dir mein Deutschland“ schon ungemein. Da sind wir manchmal etwas verkrampft, gerade in diesen Zeiten, aber das wird schon.

Hast du sonst noch irgendetwas, das du dir für das Miteinander wünschen würdest?

Ja. Auch wenn man mal was anspricht, was danebengegangen ist, sollte man versuchen, immer respektvoll zu bleiben. Wenn man sich nur aggressiv anpampt, dann ist der Gegenüber sicher noch gehemmter danach etwas dazu zu sagen. Es geht darum, dass man sich gemeinsam entwickelt und auf eine Wellenlänge kommt. „Wenn ich was Falsches sage, korrigiert mich bitte, ich möchte ja verstehen. Wenn du ein Problem hast, ich höre dir zu.“ Das gilt übrigens auch für mich, nur weil ich schwarz bin, weiß ich ja auch nicht alles über Rassismus. Man kann schauen, wo man seinen Weg zusammen findet, Austausch ist mir halt unheimlich wichtig. Vielleicht sind wir nicht die Generation, die das Ende von Diskriminierung und Rassismus erfahren, aber wir müssen den Weg bereiten, wenn wir dahin wollen. Wäre doch schön, wenn unsere Enkel irgendwann mal sagen: „Meine Großeltern haben damals schon bei Black Lives Matter mitgemacht und jetzt seht ihr ja, gibt es kein Problem mehr, man kann über alles vernünftig reden, die Welt ist bunt.“

Das Interview führte Patrick Pavel (Referent im Programm IdS, LSB Bremen)

Das Programm „Integration durch Sport“ wird aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstützt.


  • Basiru Touray, Foto: privat
    Basiru Touray, Foto: privat
  • SportMobil-Einsatz in Leherheide
    SportMobil-Einsatz in Leherheide