Fallstudie aus unserem IdS Stützpunktverein TSG Reutlingen 1843 e.V.

Der Verein im Überblick

Foto: TSG Reutlingen
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Die TSG Reutlingen wurde bereits 1843 gegründet und zählt somit zu einem der ersten württembergischen Turnvereine. Seit der Gründung vor über 175 Jahren ist der Verein stetig um weitere Sportangebote und Vereinsabteilungen gewachsen. Inzwischen zählt die TSG Reutlingen 18 Sportabteilungen, knapp 4.500 Mitglieder und ist mit fünf hauptamtlich geführten Sportbereichen Reutlingens größter Sportverein. Nicht zuletzt aufgrund des hohen Migrationsanteils in der Reutlinger Bevölkerung, hat sich der Verein zum Ziel gesetzt, Menschen mit Migrationshintergrund über ausgewählte Angebote als Mitglieder zu gewinnen und in das Vereinsleben zu integrieren. Die TSG Reutlingen will die Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Beschäftigungsebenen und in unterschiedlichen Vereinsfunktionen erreichen und so eine echte Willkommenskultur etablieren. Durchschnittlich beträgt der Anteil von Mitgliedern mit Migrationshintergrund rund 15 Prozent. Einzelne Sportabteilungen wie beispielsweise Fußball, Kickboxen oder Eiskunstlauf weisen einen deutlich höheren Migrationsanteil auf.

Die TSG Reutlingen 1843 e.V. ist anerkannter Stützpunktverein im Programm „Integration durch Sport“ und finanziert mit der Förderung insbesondere Mieten für Räumlichkeiten (Eiskunsthalle/ Kickboxen) sowie die Entschädigungen für die Übungsleiter*innen.

Bedeutung und Umsetzung von Integration durch Sport

Das Thema Integration durch Sport nimmt einen zunehmenden Stellenwert in der TSG Reutlingen ein. So hat der Verein einen nachhaltigen interkulturellen Öffnungsprozess angestoßen. Die interkulturelle Öffnung soll einerseits durch eine gelebte Vielfalt in Vereinsstrukturen und Trainer*innenschaft sowie durch ein vielfältiges und niedrigschwelliges Sportangebot erreicht werden. So wurde beispielsweise im Rahmen der Neustrukturierung des Vorstandes ein Vorstandsressort „Integration und Inklusion“.

gegründet und mit einer Person besetzt, die einen Migrationshintergrund aufweist. Unterstützt wird das Ressort durch einen Referenten, der hauptamtlich im Verein tätig ist. Darüber hinaus legt der Verein einen wesentlichen Fokus auf die Rekrutierung von Übungsleiter*innen aus den Reihen der eigenen Mitglieder sowie auf einen Ausbau des freiwilligen Engagements. Hierfür fördert die TSG Reutlingen gezielt die Ausbildung und Qualifizierung von Menschen mit Migrationshintergrund in Tandems mit erfahrenen Übungsleiter*innen. Unter dem Begriff „Gemeinschaft“ möchte der Verein seinen Mitgliedern niedrigschwellig vermitteln, dass ein Zusammenhalt nur durch Geben und Nehmen funktioniert. Dieses Vorgehen zeigt Wirkung. So engagieren sich über 200 Personen mit Migrationshintergrund ehrenamtlich im Verein – 55 davon als Übungsleiter*innen.   

 „Wir schreiben den sozialen Aspekt des Vereinslebens von Beginn an groß. Mitglieder sollen erlernen auch über eigene Themen und Interessen hinauszuschauen und einen Gemeinschaftssinn zu entwickeln.“

Um das Bewusstsein für Integration fortlaufend in den Verein zu tragen und zu steigern, ergreift die TSG Reutlingen Maßnahmen, um Aufklärung unter den Mitgliedern und Übungsleiter*innen zu leisten.

Neben Fortbildungen wie „Fit für die Vielfalt“ werden Übungsleiter*innen und Mitglieder auch durch andere Schulungen für das Thema sensibilisiert. So wurden beispielsweise auf einer Tagung rassistische Alltagssituationen durchgespielt, um die Demokratieförderung zu unterstützen. Teilnehmende sollten lernen, wie sie als Außenstehende reagieren und für die Vielfalt eintreten können. Einen regelmäßigen Austausch über das Ziel und den Aufbau von Integrationsarbeit erachtet der Verein dabei als sehr gewinnbringend. Besonders der halbjährliche Austausch und die Zusammenarbeit mit dem Landessportbund liefern häufig neue Anregungen.

Insgesamt erachtet die TSG Reutlingen integrative Sportgruppen als einen guten Anfang. Das übergeordnete Ziel sollte jedoch sein, die kulturelle Vielfalt als „Benefit“ ins Vereinsleben zu integrieren. Die Vereinsmitglieder mit Migrationshintergrund erhalten Zugang zu den sozialen Potenzialen des organisierten Sports und der Verein selbst kann auf die Erfahrungen und Sichtweisen sowie das Know-how der neuen Mitglieder zugreifen und davon lernen. So entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Integrative Sportgruppen – Kickboxen

Zielgruppe:      Alle Sportinteressierten – insbesondere Kinder und Jugendliche

Zielsetzung:    Sportliche Aktivität und körperliche Gesundheit

Gewinnung von neuen Mitgliedern und freiwillig Engagierten

Verbesserung des Integrationsverständnisses

Integration in die Vereinsstrukturen

Konzept:         Zwei Mal wöchentlich verschiedene Trainingsgruppen (Mädchen/Frauen, Jugendliche, Erwachsene und Kinder von acht bis zwölf), Turniere und Wettkämpfe sowie Teilnahme an Meisterschaften

Das Integrationsprojekt und die Förderung im Rahmen des Programms Integration entstammen aus der Kickbox-Abteilung des Vereins. Aus Sicht des Vereins ist diese Sportart besonders geeignet, um wichtige Aspekte der Integration zu vermitteln sowie Gewaltprävention und eine Steigerung des Selbstbewusstseins zu erreichen. Insbesondere letzteres ist ein wichtiger Aspekt für junge Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund. Hierfür wurde eine eigene Mädchen- bzw. Frauengruppe ins Leben gerufen. Da beim Kickboxen Fitness, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Reaktionsvermögen gleichermaßen wichtig sind, trägt die Sportart wesentlich zur Gesunderhaltung des Körpers bei. 
Darüber hinaus werden neben den körperlichen Fähigkeiten ebenfalls charakterliche Eigenschaften, wie z.B. Mut, Willenskraft, Selbstvertrauen, Disziplin und Fairness trainiert. 
„Sport verbindet über die Sprache hinaus und reißt somit Barrieren und Grenzen ein“

Das Integrationsprojekt und die Förderung im Rahmen des Programms Integration entstammen aus der Kickbox-Abteilung des Vereins. Aus Sicht des Vereins ist diese Sportart besonders geeignet, um wichtige Aspekte der Integration zu vermitteln sowie Gewaltprävention und eine Steigerung des Selbstbewusstseins zu erreichen. Insbesondere letzteres ist ein wichtiger Aspekt für junge Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund. Hierfür wurde eine eigene Mädchen- bzw. Frauengruppe ins Leben gerufen. Da beim Kickboxen Fitness, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Reaktionsvermögen gleichermaßen wichtig sind, trägt die Sportart wesentlich zur Gesunderhaltung des Körpers bei.

Darüber hinaus werden neben den körperlichen Fähigkeiten ebenfalls charakterliche Eigenschaften, wie z.B. Mut, Willenskraft, Selbstvertrauen, Disziplin und Fairness trainiert.

„Sport verbindet über die Sprache hinaus und reißt somit Barrieren und Grenzen ein“

Ausblick

Aufgrund der Größe und teils regionalen Verteilung war die Kommunikation zwischen dem Hauptverein und den 18 Abteilungen teils schwierig. Wenngleich bereits eine spürbare Verbesserung erreicht und zunehmende Zusammenarbeit gefördert wurde, soll die vereinsübergreifende Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut werden. Hierfür sollen u. a. gezielt breit gefächerte Integrationsprojekte (sportartenübergreifend) mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden. Darüber hinaus soll die Bekanntheit des Programms „Integration durch Sport“ und das Thema Integration weiter in den Verein getragen werden. Hierfür findet begleitet durch den WLSB Ende März 2021 beispielsweise eine eineinhalb-tägige Zukunftswerkstatt statt, bei der bis zu 15 haupt- und ehrenamtliche TSG’ler*innen die Ziele der Integrationsarbeit in der TSG Reutlingen überarbeiten und neue Projekte konzipieren.

Text: Kienbaum


  • Foto: TSG Reutlingen
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