Frei Schwimmen - ein Erfahrungsbericht

Schwimmen - für die meisten Frauen in Deutschland ist der Kontakt mit dem Element Wasser eine Selbstverständlichkeit, für viele neu Angekommene das genaue Gegenteil. Unter anderem aus diesem Grund organisiert das Programm „Integration durch Sport“ im Landessportbund Bremen e.V. seit dem Jahr 2005 Schwimmunterricht für Migrantinnen, die ansonsten kaum den Weg ins kalte oder warme Nass finden würden. Die Vielfalt der Herkunftsländer ist dabei über die Jahre sehr aufgeblüht: Türkei, Russland, Albanien, Iran, Irak, Jordanien, Afghanistan, Libyen, Ägypten, Marokko, Senegal, Südafrika und zurzeit natürlich vor allem Syrien - der Bedarf ist groß. Nebst dem Zugewinn an Sicherheit innerhalb und außerhalb des Wassers, tragen die Kurse zum Heranführen ans Schwimmen auch ein wesentliches Potential für Teilhabe, Integration und Lebensqualität in sich.

Vier muslimische Frauen voller Vorfreude
Vier muslimische Frauen voller Vorfreude

Der Weg zur Entfaltung dieses Potentials ist allerdings wahrlich kein Selbstläufer. Das weiß auch Schwimmtrainerin Anka Sander: "Die Schwimmlernkurse finden idealerweise in abgetrennten Bewegungsbädern statt und Wasserzeiten für unsere Kurse sind alles andere als einfach zu bekommen. Je besser sie sich dort vor fremden Blicken geschützt fühlen, desto merklich lockerer und befreiter ist die Atmosphäre unter den Frauen." Erscheinen beim ersten Kurstermin noch fast alle Frauen im Burkini oder vergleichbarer Ganzkörperschwimmbekleidung, so hat sich nach einigen Terminen die erste Hälfte von ihnen bereits einen Badeanzug mit Schwimmbrille zugelegt.

"Viele der Teilnehmerinnen sind nicht nur Schwimmanfängerinnen, sondern hatten in ihrem bisherigen Leben teils kaum die Möglichkeit Sport zu betreiben. Unter anderem im Iran sind Frauen im Sport sehr eingeschränkt. Ihnen ist unter anderem das Radfahren untersagt. Solche Begebenheiten gehören mit zu den Ausgangsbedingungen, die sie für das Schwimmenlernen mitbringen. Wer nicht gewohnt ist, den eigenen Körperschwerpunkt über die zarte Vorlage des  Gehens hinaus zu verlagern, für den stellt Fahrradfahren, Turnen und eben auch Schwimmen eine gänzlich neue Herausforderung dar. Man kann erahnen, dass das Verändern der gewohnten körperlichen Bewegungsmuster einige Zeit erfordert."

Somit spielt die Wassergewöhnung in den ersten Einheiten die absolut übergeordnete Rolle. Alle Lerngruppen sind mehr oder weniger inhomogen, was die Vorerfahrungen mit dem Element Wasser angeht: "Es gibt Frauen, die sich trotz nur brusttiefen Wassers in den ersten Stunden ängstlich am Beckenrand festhalten; andere können bereits Schwimmbewegungen ausführen. Dennoch ist fast durchgängig keine Wassergewöhnung im Sinne eines Sicherheitsgefühls vorhanden, das aus der Beherrschung von Grundfertigkeiten wie Atmen, Schweben, Gleiten, Auftreiben oder gar Tauchen entsteht. Hinzu kommt, dass bei nicht an Sport gewöhnten Frauen oft nur geringe Muskelkraft vorhanden ist, die für Bewegungen gegen den Wasserdruck nur schwerlich ausreicht." Daher sind Wassergewöhnungsübungen und leichtes Muskelaufbautraining in der Regel für alle Teilnehmerinnen ebenso notwendig wie neu.

"Je mehr die Gewöhnung an das Wasser voran schreitet, desto einfacher lassen sich Schwimmbewegungen vermitteln und von den Teilnehmerinnen umsetzen. Es ist dabei völlig zweitrangig, welche Schwimmart geübt wird." Der Weg führt auch oft über Schwimmkombinationen wie Brustarme/Kraulbeine oder nur Arm- oder nur Beinbewegungen in Rückenlage zur Beherrschung einer oder mehrerer Schwimmarten. "Was letztendlich zählt, ist Wassergefühl, die Koordination der Atmung mit der Bewegung im Wasser, sowie eine Vortriebsbewegung, egal in welcher Schwimmart. Die Fortschritte der Frauen zu beobachten, wenn sie sich immer freier im Wasser bewegen, Tauchen üben oder sogar einen Kopfsprung lernen, ist absolut erstaunlich. Sie haben Spaß!" freut sich Anka Sander.

Wer bereits das freie Schwimmen beherrscht, kann sich als nächsten Schritt beispielsweise bei den Bremer Schwimmtagen für Frauen im Grohner Bad fit halten und auf das kommende Abzeichen vorbereiten - am Schwimmspaß mangelt es nach den ersten fünf Wochen in jedem Fall nicht.


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