Noch langes Engagement nötig

Tausende Frauen und Kinder flüchten vor dem Krieg in der Ukraine. Unsere Vereine helfen auf ganz unterschiedliche Weise

"Ukrainische Kinder können beim Sport auf andere Gedanken kommen"
Foto: LSVBW
"Ukrainische Kinder können beim Sport auf andere Gedanken kommen" Foto: LSVBW

Der TV Hebsack aus Remshalden hat für Geflüchtete eine Interimsschule eingerichtet. Kinder und Jugendliche können dort online von ihren Lehrer*innen in der Ukraine unterrichtet werden. Außerdem bekommen sie und die Erwachsenen die Möglichkeit, Deutsch zu lernen.

„Es ist gar keine Frage gewesen, dass der TV Hebsack Geflüchteten aus der Ukraine helfen wird. Wir hatten schon, bevor sie bei uns in der Gemeinde ankamen, in einer Ausschusssitzung beschlossen, dass wir ihnen unseren Vereinsraum zur Verfügung stellen. Damals dachten wir noch als Unterkunft. Als dann aber mehr und mehr Geflüchtete zu uns kamen und privat untergebracht wurden, war uns relativ schnell klar, dass wir den Menschen aus der Ukraine eine Integrationsmöglichkeit bieten müssen. Das bedeutete auch, dass wir ihnen Deutsch- unterricht anbieten wollten. Da war es eine glückliche Fügung, dass wir mit Frau Anna Husak am Ort eine ebenfalls aus der Ukraine geflüchtete Lehrerin haben, die neben Ukrainisch und Russisch auch Englisch und Deutsch spricht. So war die Idee geboren, eine Interimsschule einzurichten. Damit sind wir am 21. März gestartet.

Zwischenzeitlich haben wir rund 40 hoch motivierte Helfer*innen aus den verschiedensten Institutionen und Vereinen Remshaldens, die in mehreren Schichten montags, mittwochs und freitags bei uns den Schulbetrieb machen. Morgens von 8.30 bis 10.00 Uhr haben die Kinder und Jugendlichen Online-Unterricht mit Lehrern in ihrer Heimat. Unternehmen aus Remshalden haben Computer, Kameras, Headsets und anderes mehr gespendet. Dadurch haben wir jetzt zwölf voll ausgestattete Bildschirm-Arbeitsplätze für die Geflüchteten. Die Lehrer in der Ukraine sitzen dort zum Teil in Bunkern, während sie unterrichten. Danach haben die Schüler*innen bis 12.00 Uhr Deutschunterricht, von 13.00 bis 15.00 UhrgibtesaußerdemUnterrichtfürdieErwachsenen. Ebenfalls an den drei Tagen findet von 15.00 bis 17.00 Uhr ein Integrations-Café statt, damit sich die Leute unkompliziert treffen und austauschen können.

Man muss dazu sagen, dass die Geflüchteten zum Teil stark traumatisiert sind. Auch wegen der Sprachbarriere ist es nicht immer einfach, denn viele können nur Ukrainisch oder Russisch und dazu keine lateinischen Buchstaben. Die Bildschirm-Arbeitsplätze wurden übrigens von einem IT-Fachmann aus unserem Verein eingerichtet. Bei uns macht einfach jeder, was er kann. Wir sind wie eine große Familie, in der alle mitmachen nach unserem Gemeinde-Motto „Remshalden verbindet“. Die Situation mit dem Krieg und den Geflüchteten wird meines Erachtens noch lange anhalten, wir alle müssen uns daher auch noch lange engagieren.“

Dr. Uli F. Hasert,1. Vorsitzender des TV Hebsack

Der TV Derendingen aus Tübingen bietet an jedem Werktag zwei Stunden Sport für ukrainische Kinder an. Nach teils traumatischen Erfahrungen können sie dabei mal auf andere Gedanken zu kommen. Politik und Behörden rufen im Verein allerdings Unmut hervor.

„Wir engagieren uns für Geflüchtete, weil wir als Verein neben dem Sport auch einen sozialen Auftrag haben, den wir gerne übernehmen. Wir sind sowieso schon länger Integrationsstützpunktverein und werden da vom WLSB unterstützt. In der Geschäftsstelle sind wir mit zwei FSJ-lern, drei Auszubildenden und mir als Geschäftsführer so aufgestellt, dass wir den Kriegsflüchtlingen Sportstunden anbieten können Seit dem 28. März bieten wir an jedem Werktag zwei Stunden Sport für ukrainische Kids an, die sind zwischen drei und 17 Jahre alt. Dafür stellt der Verein mehrere Übungsleiter ab. Die fehlen dann zwar ein paar Stunden im Büro, aber das können wir auffangen.

Erstaunt war ich allerdings über das Vorgehen des Landratsamtes Tübingen. An der Kreissporthalle, die wir häufig nutzen, hing von einem Tag auf den nächsten ein Schild, dass die Halle ab sofort gesperrt ist. Auf einmal hatten 25 Sportgruppen mitten in der Saison kein Zuhause mehr. Erst danach fanden Gespräche mit Stadt und Landratsamt statt. Wir haben dann innerhalb von zwei Wochen Lösungen mit anderen Hallen gefunden, was total super und unkompliziert war. Aber die Kreissporthalle wird uns sicher ein komplettes Jahr fehlen. Ich hätte mir hier gewünscht, dass man es genau andersherum macht: Dass man zuerst mit den Vereinen redet und Lösungen auslotet und die Geflüchteten dann unterbringt. Da war ich schon ein bisschen irritiert.

Ich finde außerdem, dass die Politik generell viel zu viele Aufgaben auf das Ehrenamt ablädt und dem Sport zu viel zumutet. Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Erst hatten wir Corona, da hatten die Kinder zwei Jahre lang praktisch keinen Sport, diese Zeit hat ihnen in ihrer Entwicklung gefehlt. Jetzt kommen die Flüchtlinge aus der Ukraine, denen wir wirklich gerne helfen, das ist keine Frage. Aber dann werden wieder die Sporthallen zugemacht. Warum baut man keine provisorischen Unterkünfte, um sie unterzubringen? Die Menschen bleiben sowieso nicht lange in Tübingen, meist nur ein paar Tage.

In den Sportstunden ist die Kommunikation mit den Kindern kaum möglich, weil von ihnen niemand Deutsch oder Englisch spricht. Und es sind, wie gesagt, jede Woche andere da. Aber sie treiben gerne Sport und das tut ihnen gut. Ich glaube auch, dass Sport das Gemüt und die Gedanken normalisiert. Dass es den teilweise traumatisierten Kids hilft, sich zumindest in diesen zwei Stunden am Tag besser zu fühlen. Da können sie mal aus ihrer Depression und ihren dunklen Gedanken rauskommen“.

Gerhard Loeschke, Geschäftsführer des TV Derendingen

Die TSVgg Stuttgart-Münster engagiert sich schon längere Zeit in der Arbeit mit Geflüchteten – und würde das gerne auch für die Menschen aus der Ukraine tun. Allerdings wird der Verein noch von der örtlichen Politik ausgebremst. Deren Kommunikation ist aus Sicht der TSVgg nicht immer die beste.

„Es ist uns bei der TSVgg einfach ein Bedürfnis zu helfen. Das tun wir auch für die Geflüchteten, die seit 2015 zu uns kommen. Gerade die Integration von Kindern läuft über den Sport am einfachsten. Für die Menschen aus der Ukraine können wir aber noch nicht viel tun, außer bei „Sport im Park“, wo ein paar Erwachsene mitmachen. Das liegt daran, dass wir die Sporthalle nicht mehr nutzen können, weil die Geflüchteten dort untergebracht sind.

Das kam sehr plötzlich. Im März haben wir eine E-Mail er- halten, in der stand, dass die Halle schon am nächsten Tag gesperrt ist. Zwei Tage später kam eine weitere Mail, dass wir sie wieder nutzen können. Dann aber hieß es, sie ist doch gesperrt. Für Ehrenamtliche, die ja auch ihrem Beruf nachgehen müssen, ist das wirklich schwierig. Ich will die Politik bei uns im Bezirk nicht zu sehr kritisieren, für die Behörden ist das ja auch nicht leicht. Aber man hätte das wirklich besser kommunizieren können und uns nicht über Nacht vor vollendete Tatsachen stellen müssen. Das war nicht gut.

Unserer Bezirksvorsteherin in Münster tut das auch leid, sie hat sich bei uns entschuldigt. Sie tut alles dafür, dass es in Zukunft besser läuft. Wir als Verein hoffen, dass wir mit unserer Hilfe für die Kriegsflüchtlinge bald loslegen können. Dass auch sie unser Sport-Spiel-Spaß-Angebot nutzen oder samstagmorgens auf unserem Platz Fußball spielen können. Wenn die Kinder Sport treiben, können ihre Eltern mal ein paar Stunden durchschnaufen. Wir würden sie auch – wie die anderen Geflüchteten – gerne direkt im Verein einbinden.”

Sibylle Zurawka, Vorstandsmitglied der TSVgg Stuttgart-Münster


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