Wessam Salamana – ein saarländischer Boxer reist nach Tokio

Wessam Salamana hat nicht nur ein besonderes Talent, sondern auch eine besondere Geschichte. Der ehemalige Flüchtling wird in nur wenigen Tagen nach Tokio fliegen und dort für das IOC Refugee Team bei Olympia antreten. In einem Interview verriet er uns, wie es dazu kam, was das für ihn bedeutet und wie es danach für ihn weitergeht.

Foto: Annabell Schäfer
Heiko Staack (links) und Wessam Salamana (rechts) vor Ort beim Landessportverband für das Saarland.
Foto: Annabell Schäfer Heiko Staack (links) und Wessam Salamana (rechts) vor Ort beim Landessportverband für das Saarland.

Es ist nun wenige Tage her, seit Wessam Salamana und sein Trainer Heiko Staack bei uns vor Ort waren, um uns ihre Geschichte zu erzählen. Was sofort deutlich wurde, war die Vorfreude der beiden auf die Teilnahme bei Olympia. Doch wie kam es dazu? Um das zu verstehen, müssen wir am Anfang der Geschichte starten:

Salamanas Box-Karriere begann zunächst wie die von vielen anderen. Er bezeichnet das Ganze sogar „eher als Zufall“ und erzählt: „Als ich 15 Jahre alt war, hat sich mein Bruder in einem Box Club angemeldet und mein Vater sagte, dass ich ihn begleiten soll. Der Trainer erkannte schnell, dass ich Talent habe und sagte, dass ich weitermachen soll. Nach zwei Monaten habe ich dann auch schon an den syrischen Meisterschaften teilgenommen und meine erste Medaille gewonnen.“ Von da an ging es mit seiner Boxkarriere steil Berg auf. Dank seines harten Trainings und seiner Disziplin erarbeitete sich das junge Boxtalent schnell einen Namen in der internationalen Boxszene und gewann etliche Auszeichnungen. Beispielsweise trat er 2003 bei den syrischen Nationalmeisterschaften an und nahm schon zwei Mal an den Weltmeisterschaften im Boxen teil. Salamanas bisher größter Erfolg war aber die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London, bei denen er 2012 für Syrien antrat.

Eigentlich hätte es für ihn so weitergehen können. Doch die damalige Lage in seinem Heimatland zwang den ambitionierten Sportler schließlich zur Flucht. In dieser Zeit rückte seine sportliche Karriere verständlicherweise in den Hintergrund. Er erzählt: „Das kann man gar nicht in Worte fassen, das war schrecklich. Das Problem ist, man muss hier von null wieder anfangen. Egal ob das der Sport ist, das Lernen, die Arbeit oder die Sprache. Auch die andere Kultur und Mentalität muss man erst mal kennenlernen. Das ist sehr schwer.“ Ein Thema, das auch an Heiko Staack nicht spurlos vorbeigeht, wenn Salamana davon berichtet: „Da gilt natürlich erst mal die Familie oder auch die Tatsache an sich, dass man aus seinem Land fliehen muss. Der komplette Neuanfang, das ist natürlich sehr schwer. Ich sage immer, wenn es genau anders rum wäre und ich müsste jetzt nach Syrien und Arabisch lernen, ich weiß nicht, ob ich das könnte.“

Seit 2015 lebt und trainiert der syrische Boxprofi nun schon im Saarland. Was ihm neben seinem hohen Maß an Ehrgeiz und Disziplin sehr beim Ankommen half, war der Sport, wie er erzählt: „Das Boxen hat mir geholfen, mich hier in die Gesellschaft zu integrieren. Ich habe viele Freunde gefunden und das Wichtigste ist, dass ich meinen Trainer kennengelernt habe.“ Trotz anfänglicher Sprachbarrieren fanden Staack und Salamana schnell einen Draht zueinander und der Trainer merkte schnell, dass der syrische Boxprofi schon einiges an Kampferfahrung mitbringt: „Am Anfang war es schon manchmal, dass man sich nicht richtig verständigen konnte, aber mittlerweile ist es ja wunderbar. Im Boxen geht auch viel über Handzeichen. Da merkt man ja direkt, ob einer Ahnung vom Boxen hat oder schon mal geboxt hat und seine Erfolge sprechen ja auch für ihn.“ Dank des intensiven Trainings beim BC Völklingen konnte Salamana auch schnell an seine Erfolge aus der Vergangenheit anknüpfen. So erreichte er 2017 beispielsweise den zweiten Platz bei den deutschen Boxmeisterschaften und gewann erst kürzlich die Bronze Medaille beim „Cologne Boxing World Cup 2021“. Wichtige Meilensteine, die ihn schließlich zu einer erneuten Teilnahme an den Olympischen Spielen führten.

In Tokio möchte Salamana seine bisherigen Erfolge nun übertreffen und sich gegen die Weltspitze des Boxsports beweisen. Allerdings wird er in diesem Jahr nicht für Syrien antreten, wie es 2012 in London der Fall war. Dass er in diesem Jahr für das IOC Refugee Team antritt, sieht der Boxprofi pragmatischer, als man vielleicht vermuten würde. Er sagt: „Die Idee des IOC Refugee Teams finde ich sehr gut. Der Sport ist Sport, aber das Heimatland bleibt auch das Heimatland. Das ist für Sportler wie mich eine große Chance.“

Obwohl Salamana schon zahlreiche Kämpfe auf hohem Niveau ausgefochten hat, ist er vor diesem Wettkampf besonders aufgeregt, denn aufgrund seines Alters (35 Jahre), ist es seine letzte Chance, an Olympia teilzunehmen. Das verringert den Druck natürlich nicht gerade. Ein Grund mehr, warum der ambitionierte Sportler alles daransetzt, sich bestmöglich auf die bevorstehenden Kämpfe vorzubereiten: „Momentan machen wir Intensivtraining. Da geht es viel um Ausdauer, Kondition, ein wenig Technik beim Boxen. Die letzten 3 Wochen müssen wir richtig Gas geben. Wir trainieren jeden Tag, manchmal auch zwei Mal pro Tag.“ Das sei auch nötig, denn Corona schränkte die Trainingsmöglichkeiten für den Sportler in den vergangenen Monaten stark ein. Er berichtet, dass aufgrund der Pandemie weder Trainingslager, noch Wettkämpfe oder Partnerübung möglich waren. Insbesondere diese seien aber wichtig, um Erfahrungen zu sammeln und effektiv zu trainieren. Einschränkungen, mit denen seine Gegner bei Olympia nicht zu kämpfen hatten, wie Trainer Heiko Staack erklärt: „Wir sind ja quasi Hobbysportler, wir machen das ja ehrenamtlich. Die Nationalmannschaften eines jeden Landes durften aber die ganze Zeit trainieren, als gäbe es kein Corona. Das ist ein großes Problem für uns. Aber trotzdem haben wir so gut trainiert, wie wir eben konnten und werden es weiterhin tun.“

Die Tatsache, dass seine Gegner sich besser vorbereiten konnten, ist natürlich ein erheblicher Nachteil für Salamana. Trotzdem hat er eine positive Einstellung und große Ziele: „Mein Wunsch wäre es natürlich eine Medaille zu gewinnen. Aber das ist nicht einfach. Alle Boxer dort sind sehr gut. Das ist die absolute Weltspitze. Aber ich werde es versuchen und gebe alles.“ Wann und gegen wen er in Tokio seinen ersten Kampf antreten wird, weiß Salamana zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Was er aber schon weiß ist, wie es nach Olympia für ihn weitergeht: „Schon als ich in Syrien war, war es mein Ziel, eine Boxschule zu gründen. Das ist schwer, aber das ist immer noch mein Ziel. Derzeit mache ich eine Ausbildung als Sport- und Fitnesskaufmann und wenn ich fertig bin, will ich versuchen, einen kleinen „Club“ zu gründen.“ Seinen künftigen Schützlingen möchte er dann so einiges von seiner Erfahrung mit auf den Weg geben, wie er erzählt: „Um ein Boxprofi zu werden, muss man fleißig trainieren, Disziplin zeigen und viele Wettkämpfe absolvieren. Es ist aber auch wichtig, sich Ziele zu setzten. Ohne Ziele kein Erfolg. Das können erst mal auch kleine Ziele sein, aber wenn man klein anfängt, erreicht man irgendwann auch die großen. Das ist, was ich jedem jungen Boxer mit auf den Weg geben würde.“

Wir wünschen Wessam Salamana jedenfalls sehr, dass er all seine Ziele erreichen wird und bedanken uns bei ihm und Heiko Staack für das gelungene Interview.

Text: Annabell Schäfer


  • Foto: Annabell Schäfer
Heiko Staack (links) und Wessam Salamana (rechts) vor Ort beim Landessportverband für das Saarland.
    Foto: Annabell Schäfer Heiko Staack (links) und Wessam Salamana (rechts) vor Ort beim Landessportverband für das Saarland.