Ablenkung auf dem Alperstedter See

Katrin Heymel vom Club Maritim Erfurt hilft ukrainischen Geflüchteten nach ihrer Ankunft in Deutschland

Foto: LSB Thüringen
Katrin Heymel ist gebürtige Ukrainerin und bietet mit ihrem Verein, dem IdS-Stützpunktverein Club Maritim Erfurt, ukrainischen Geflüchteten neben Unterstützung auch sportliche Ablenkung. Foto: LSB Thüringen e.V.

Es mutet fast ein wenig grotesk an, wenn Katrin Heymel am Ufer des Alperstedter Sees die Sonne ins Gesicht scheint, während die 44-Jährige über einen Krieg in nur rund 1.500 Kilometer Entfernung spricht, der sie auch persönlich betrifft. Katrin Heymel ist nicht nur Pressewartin beim Club Maritim Erfurt, sondern auch gebürtige Ukrainerin.

Der Club Maritim Erfurt engagiert sich als Stützpunktverein im Bundesprogramm „Integration durch Sport“. Gefördert wird das Bundesprogramm durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Im Alter von 13 Jahren ist sie dauerhaft nach Deutschland gezogen, fühle sich inzwischen aber vollständig als Deutsche, wie sie rund 30 Jahre später sagt. Doch die Verbundenheit in die frühere Heimat lässt sie freilich nicht los. In Krementschuk geboren, leben heute noch zwei Cousins und eine Tante dort. Täglich sind sie in Kontakt. Auch Verwandtschaft in Kiew hat sie. „Sie alle sind mürbe im Kopf vom ständigen Geheule der Sirenen“, erzählt Heymel, die parallel zum Kriegsbeginn in der Ukraine das Ableben ihres Vaters verkraften musste. Zeit zur Trauer blieb nur bedingt, schnell bot sie bereits geflüchteten Ukrainer*innen ihre Hilfe an und nahm mit Leonid und Valentina zwei Jugendliche in ihrem Haus auf. Zu Höchstzeiten lebten zwölf Geflüchtete bei Heymels unterm Dach.

Die 44-Jährige bietet den Ukrainer*innen nicht nur eine zwischenzeitliche Heimat, sondern hilft bei Behördengängen, materieller Unterstützung und der Übersetzung. Zudem sorgt sie als Pressewartin beim Club Maritim Erfurt dafür, dass die Geflüchteten beim Seesportverein sportliche Ablenkung erfahren. „Gerade für Kinder ist es sehr schwer, die meisten sind ohne Väter nach Deutschland gekommen. Viele Jugendliche ziehen sich zurück“, weiß Heymel, die aber auch viel Dankbarkeit erfährt und weiß, was die Ukrainer*innen brauchen. „Neben der Sprachbarriere, viele können keine lateinischen Buchstaben lesen, ist es vor allem die unterschiedliche Esskultur. Sie mögen Rote Beete und Weißbrot, Schwarzbrot und Spargel kennen sie dagegen nicht.“

Rund 20 Stunden wöchentlich schätzt sie den Umfang ihrer Hilfeleistungen ein. Und das neben einem 40-Stunden-Job als Juristin beim Energieversorger TEAG. „Die Thüringer Energie AG ist sehr verständnisvoll und unterstützt meine ehrenamtliche Tätigkeit nebenbei. Sie haben mir sogar eine Freistellung angeboten, damit ich den Geflüchteten noch mehr helfen kann, aber ich brauche den Ausgleich auf Arbeit“, erzählt Heymel. Den gesamten Ostermontag half sie bei einem Umzug. Für 25 in Stotternheim untergebrachte Geflüchtete besorgte sie kürzlich einen Kühl- und Gefrierschrank. „Das schlaucht ganz schön. Manchmal bin ich komplett hinüber. Aber ich mache es gerne und möchte helfen“, sagt sie. Anfang Mai erwartet Heymel wieder drei geflüchtete Frauen, die in Erfurt untergebracht sind und im Mariupoler Seesportverein gerudert haben. Überhaupt ist die Verbindung zum Seesportverein im zerbombten Mariupol sehr eng. „Wir haben am 30. Januar einen gemeinsamen Online-Wettkampf im Rudern durchgeführt. Daher hatten sie meine Handynummer. Inzwischen geht diese in der halben Ukraine rum“, vermutet sie und lächelt.

Russischer Partnerverein hilft Ukrainer*innen bei der Flucht

Mehrere ukrainische Kinder waren inzwischen beim Club Maritim zum Training. Für den Sommer bei noch besserem Wetter rechnen die Vereinsmitglieder mit weiteren Interessierten, auch wenn diese womöglich nicht alle dauerhaft bleiben und Vereinsmitglieder werden. „Ich schätze, dass zwei Drittel der Geflüchteten wieder in die Ukraine zurückgehen. Die ersten, die wir zum Training hier hatten, sind sogar schon wieder zurück, weil die Mutter als Ärztin in der Ukraine gebraucht wurde. Viele können aber auch nicht zurück, weil sie kein Zuhause mehr haben“, weiß Heymel, die vermutet, dass der von Russland heraufbeschworene Krieg nicht so schnell aufhören werde.

Dass „Russen nicht gleich Russen“ sind, ist ihr dabei wichtig zu betonen. So ist eine ukrainische Familie, die bei ihr gelandet ist, sogar über Russland geflohen. Der Partnerverein vom Club Maritim, der im russischen Sankt Petersburg beheimatet ist, hatte sich gekümmert, dass die Ukrainer*innen über Estland nach Deutschland fliehen können. „Der Verein kümmert sich auch darum, dass der Seesportverein Mariupol wieder aufgebaut werden kann. Dafür wird in Sankt Petersburg sogar Geld gesammelt“, erzählt Heymel und hofft, dass nach einem baldigen Kriegsende alle drei Vereine wieder bei einem gemeinsamen Wettkampf ihrem Sport nachgehen können. Vielleicht auf dem idyllischen Alperstedter See…


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    Katrin Heymel ist gebürtige Ukrainerin und bietet mit ihrem Verein, dem IdS-Stützpunktverein Club Maritim Erfurt, ukrainischen Geflüchteten neben Unterstützung auch sportliche Ablenkung. Foto: LSB Thüringen e.V.
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    Die Verbundenheit in die frühere Heimat lässt Katrin Heymel nicht los. Sie hilft bei Behördengängen, materieller Unterstützung und der Übersetzung. Foto: LSB Thüringen e.V.