„Der Sport hat mir geholfen“

Volleyballspielen als fester Bestandteil im Alltag einer Afghanin

Von Susann Eberlein

Nach der Machtergreifung der Taliban ist Najiba Rasuli aus ihrer Heimat Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. In Erfurt baut sich die 36-Jährige ein neues Leben auf – nicht zuletzt dank des Sports. Zwei Mal pro Woche trainiert sie im Verein Move, der vom Programm „Integration durch Sport“ im Deutschen Olympischen Sportbund gefördert wird. Gemeinsam blicken wir auf eine schwierige Zeit zurück und zugleich optimistisch nach vorn Najiba Rasuli atmet tief durch. „Es ist eine Zeit, die ich niemals vergessen werde. Es war sehr schwer, vor allem für die Menschen, die in internationalen Organisationen gearbeitet haben. Wir hatten große Angst“, sagt sie über die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan. Im August 2021 wurde die Regierung gestürzt, ihr Heimatland war über Nacht ein anderes, ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt. Gut ein Jahr lang harrte die junge Frau unter hohem Risiko in Afghanistan aus, bis sie im Oktober 2022 nach Deutschland flüchtete. Als ehemalige Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hatte sie Anspruch auf Ausreise. „Wenn man Angst hat, kann man nicht bleiben“, sagt sie heute. Von Kabul aus fliegt sie über Pakistan nach Deutschland, gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern, die mittlerweile knapp fünf und sechs Jahre alt sind und den Kindergarten besuchen. Seit dem vergangenen Frühjahr lebt die Familie in Erfurt, nachdem sie zunächst in Hirschberg im Saale-Orla-Kreis untergekommen war.

Neues Leben in Erfurt

Für die Afghanin begann ein neues Leben. Alles war neu. Das Busfahren, zum Beispiel, oder das Vereinbaren von Arztterminen. „Meine Kinder brauchten eine Impfung. Als ich einen Termin vereinbaren wollte und es am Anfang mit Englisch probiert habe, wurde aufgelegt“, erinnert sie sich. Najiba Rasuli versteht: Sie muss schnellstmöglich Deutsch lernen. „Manche Geflüchtete leben sechs, sieben Jahre hier und können kaum Deutsch. Ohne die Sprache geht es aber nicht, egal ob bei Ärzten oder beim Bürgeramt. Unterstützung ist gut, aber man muss auch in der Lage sein, selbstständig zu werden.“ Das deutsche Alphabet hatte sie schon in Afghanistan gebüffelt – mit Hilfe von YouTube. In Erfurt besuchte die Frau, deren Muttersprache Persisch ist, ein Jahr lang die Sprachschule und verbesserte sich von Tag zu Tag. „Ich höre viel Radio, lese, auch Kinderbücher, und schaue einmal pro Woche einen deutschen Film“, verrät sie. Auch ihre Kinder sind eine starke Stütze. „Sie lernen so schnell und korrigieren mich“, berichtet Najiba Rasuli. Heute spricht sie quasi perfekt Deutsch, hat im Sommer den B2-Kurs erfolgreich abgeschlossen. „Es ist noch nicht so gut wie Muttersprachler“, sagt sie, „aber ich übe viel.“

Fester Bestandteil im Alltag

Sich in die Gesellschaft zu integrieren, ist ihr nicht zuletzt auch durch den Sport gelungen. „Ich komme aus einem anderen Land. Meine Eltern und Geschwister sind in Afghanistan. Ich hatte hier keine Freunde oder Bekannte, war oft allein und traurig. Das ist viel besser geworden. Der Sport hat mir wirklich geholfen“, sagt sie. Mittwochs spielen die Frauen Volleyball in der Sporthalle des Staatlichen Förderzentrums am Andreasried. „Wir können es nicht gut. Mein Pritschen ist sehr unprofessionell“, gibt sie mit einem Augenzwinkern zu. Freitags trainieren sie die Kondition und kräftigen den gesamten Körper. „Es gibt auch Übungen für den Bauch“, sagt sie und streicht schmunzelnd sie über ihren. Das Training ist mittlerweile ein fester Bestandteil ihrer Woche. „Danach fühle ich mich gut und energiegeladen. Die Laune ist besser und man hat mehr Nerven für die Kinder“, sagt sie. „Wenn unsere Trainerin im Urlaub ist, fehlt es mir richtig.“ Organisiert werden die Sporteinheiten vom Verein Move, der auch Beratung und Unterstützung für Geflüchtete anbietet. Der Verein aus Erfurt organisiert kulturelle Veranstaltungen, ist aber auch Teil des Programms „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbunds, das der Landessportbund Thüringen unterstützt. Mit der Afghanin trainieren Frauen aus der ganzen Welt, beispielsweise auch aus der Ukraine. „Wir konnten uns anfangs nur wenig verständigen. Aber wir konnten miteinander lachen. So sind einige Freundschaften entstanden.“

Integration hilft bei Jobsuche

In ihrem Heimatland hat Najiba Rasuli deutlich weniger Sport betrieben als in Erfurt, und vor allem individuell, wenngleich ihre Universität einige Angebote unterbreitet hatte. „Ich habe in Vollzeit gearbeitet und hatte nur wenig Zeit. In Afghanistan ist Sport nicht verboten, aber auch nicht so normal wie hier. In Deutschland ist Fahrradfahren zum Beispiel viel alltäglicher als in Afghanistan“, hat die 36-Jährige beobachtet. Sie steigt mittlerweile regelmäßig auf den Sattel, erledigt viele Wege mit dem Rad. „Ich genieße das sehr, auch wenn ich schon zwei, drei Mal gestürzt bin.“ Jetzt ist Najiba Rasuli auf Jobsuche. Die Arbeitserlaubnis liegt vor. Sie hat ein Visum, das ihr das Arbeiten und Reisen in Europa erlaubt. Vor allem aber ihre sehr guten Sprachkenntnisse sollten ein echter Pluspunkt für die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin sein, die ihre Zukunft vorerst in Deutschland sieht. „Die politische Situation in Afghanistan wird sich so schnell nicht ändern. Für uns wäre es ein Risiko, zurückzukehren. Und auch meine Kinder haben hier eine bessere Zukunft hier“, sagt sie. Nach drei Jahren kann sich die Familie um einen deutschen Pass bewerben. „Das wollen wir auch machen. Um Sicherheit zu haben.“