Hoher Besuch beim TV 1860 Nassau

Integration ist für Sportler selbstverständlich

Beispielhaft TV 1860 Nassau setzt seit Jahren aufs Miteinander der Nationen für Erfolge und Freizeitvergnügen

"Der Begriff Integration dominiert in der jüngsten Vergangenheit die Schlagzeilen. Ganz selbstverständlich praktiziert das, was dahintersteckt, schon seit vielen Jahren der TV 1860 Nassau. Integration durch Sport wird bei den Nassauern, insbesondere der Judo-Abteilung des Vereins, großgeschrieben, und zwar sowohl mit sportlichen Erfolgen als auch beim Spaß in der Freizeit.
„Unsere Judokas sind eine Familie, da ist es egal, wo jemand herkommt, welche Hautfarbe oder Nationalität jemand hat“, sagte der Vorsitzende des TV 1860 Nassau Jörg Müller, als er jetzt dem Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Nick (CDU) und Vertretern des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Landessportbundes die Integrationsarbeit des Vereins in der Sporthalle des Schulzentrums während einer Trainingseinheit vorstellte. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund, denen dort sportliche und nebenbei soziale Kompetenzen vermittelt werden, liegt bei knapp 40 Prozent. Aber egal, wie lange jemand in Nassau wohne oder nicht: Der Verein begleite viele vom Kindesalter bis zum Erwachsenwerden, so Müller, der dabei insbesondere aufs Engagement von Peter Schuck als Integrationsbeauftragtem hinwies. „Integration dauert Jahre“, ist Müllers Erfahrung. Umso schöner, wenn dann ehemalige Jugendsportler mit Ehepartnern und ihren Familien zu Veranstaltungen kommen, erklärte er Nick und blickte in die Geschichte des Vereins. Zu den vielen türkischstämmigen Sportlern kamen ab 1989 russische Aussiedler hinzu, die sowohl in der Stadt Nassau als auch im Turnverein Aufnahme und Kontakt fanden. „Sie brachten damals die Kampfsportart
Sambo mit“, erzählte Müller von einem Integrationsprojekt aus dem Jahr 2004. Das sei anfangs nicht ohne Reibung verlaufen. „Jeder wollte quasi der bessere Deutsche sein.“ Mit Street-Basketball Turnieren zum gegenseitigen Kennenlernen wurden die Spannungen damals abgebaut. Und wenn nun
verstärkt Flüchtlingsfamilien aus Syrien und anderen Ländern in Nassau Heimat suchen, sei der Verein auch für diese eine gute Anlaufstelle, sich zu integrieren. „Natürlich gibt es Sprachbarrieren, aber
im sportlichen Miteinander beim Training werden die schnell überwunden.“ Sportliche Erfolge schweißten überdies zusammen. Die jugendlichen Gebrüder Hamidov seien für ihre landesweiten
Erfolge Aushängeschilder des Vereins, „auf die wir alle sehr stolz sind“, nannte Müller ein Beispiel.
Zeltlager, Vereinsausflüge, Besuche von Turnieren im In- und Ausland oder zuletzt die Teilnahme
am Drachenboot-Turnier förderten überdies das Miteinander unter den jungen Nachwuchssportlern; und bei manchen Veranstaltungen lernten sich auch die Eltern untereinander kennen, wenn Hilfe oder
mal was zum Essen gemacht werden soll. „Unsere Büfetts sind mit internationalen Leckerbissen bestückt“, ließ Müller die Trainingsbesucher aus Politik und Sport wissen und zeigte sich dankbar, dass
mit der Jugendarbeit des Deutschen Sportbundes sowie Programmen des Deutschen Olympischen Sportbundes finanzielle Förderer die Integrationsarbeit des Vereins unterstützen. Der Vorsitzende: „Bei
den Kosten, die wir gerade in unseren Kinder- und Jugendabteilungen zu stemmen haben, ist das bei unserem begrenzten Vereinsbudget sehr wichtig und hilfreich.“ Seit Jahren sei der TV 1860 in seiner Jugendarbeit auch in Sachen Vernetzung ein sehr aktiver Vorzeigeverein, erklärte Milan Kocian, Leiter des Programms „Integration durch Sport“ des Landessportbundes. So ist dem Verein der Kontakt zu städtischen Einrichtungen wie dem Jugendtreff wichtig, wo etwa Selbstverteidigungskurse für Mädchen
und junge Frauen angeboten werden, die das Selbstbewusstsein junger Menschen stärken. „Kommunikation ist ein entscheidender Aspekt, damit der Rassismus im Sport keine Chance hat“, sagte
Heike Kübler, Leitern des Bundesprogramms „Integration durch Sport“ im Deutschen Olympischen Sportbund, die mit Fußballerin Larissa Weidmann nach Nassau gekommen war. Sie stellt eine wachsende Nachfrage der Vereine nach Fortbildungen wie der Qualifizierung „Fit für Vielfalt“ vor. Die Seminare trainieren Übungs- und Abteilungsleitungen in Kommunikationsmethoden, um zum einen
Chancen von Verschiedenheit zu erschließen und zum anderen aus heterogenen Gruppen ein starkes
Team zu machen. „Der Anteil an Migranten in den Vereinen wird weiter steigen“, sagte Kübler. Da
bedürfe es aufseiten der Vereine einer entsprechenden Kompetenz, dieses Potenzial zu nutzen. Für Jörg Müller und den Vorstand geht es um die Zukunft des Vereins insgesamt. Immerhin sind von den rund 600 Mitgliedern etwa 260 bis zu 18 Jahre jung. „Die wollen wir auch weiterhin nach besten Kräften fördern.“

Aus der Rhein-Zeitung
Von Bernd-Christoph Matern