„Integration ist eine Zweibahnstraße“

Der in Gonnesweiler lebende Dr. Ghifar Taher Agha sprach am Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung im deutschen Historischen Museum in Berlin.

Peter Schneider
Dr. Ghifar Taher Agha und seine Familie

Als in Syrien die Gewalt eskalierte, sah Dr. Ghifar Taher Agha das Leben seiner Familie bedroht. Not und Perspektivlosigkeit haben ihn 2014 dazu bewogen, sich allein auf den Weg nach Deutschland zu machen. Seit dem 1. Juli arbeitet der in Gonnesweiler lebende Chirurg als Stationsarzt an der Illinger St.-Hedwig-Fachklinik. Der 44-Jährige ist zudem Teilnehmer in dem, vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten Programm „Integration durch Sport“. Stellvertretend für alle Flüchtlinge wurde er ausgewählt, um am dritten Gedenktag an die Opfer von Flucht und Vertreibung die Rede vor 500 Gästen im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin zu halten. Zu seinen Zuhörern zählten unter anderem Bundesratspräsidentin Malu Dreyer, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der rumänische Staatspräsident Klaus Werner Johannis und Dietrich Brauer, Erzbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Russland.

All zu sehr nervös sei er bei seiner Rede nicht gewesen. „Es war sehr emotional, viele Menschen haben ihr Mitgefühl mit Tränen bekundet“, berichtete der aus der syrischen Großstadt Aleppo stammende Dr. Agha in seiner Rede von den Erfahrungen seiner zehnmonatigen Flucht. Die ganze Welt schaue beim Bürgerkrieg in Syrien zu, es sei für ihn ein Trauma. „Es gibt viele Erlebnisse, die ich nicht vergessen kann“, blickte er zurück. Seine schwangere Frau Rans habe er mit seiner eineinhalb Jahre alten Tochter Carmen in der Türkei zurückgelassen, um zunächst allein  zu fliehen. „Es war mein Ziel nach Deutschland zu gehen. 2006 hatte ich bereits einmal eine Arbeit an einem Krankenhaus in Dresden gefunden. Wegen fehlender Sprachkenntnisse konnte ich damals nicht bleiben“, sagte er. Im März 2015 kam er wieder in Deutschland an und machte erste Schritte zur Integration im Saarland.

Über die Landesaufnahmestelle in Lebach ging es weiter in eine Männer-WG nach Bosen. Spracherwerb und eigenes soziales Engagement bestimmten anfangs seinen Alltag. Nebenher bemühte sich Dr. Agha erfolgreich um die Anerkennung seines Studiums und des Berufes. Ein Jahr nach seiner Ankunft konnte die Familie nachkommen und er endlich seine Frau Rans, Tochter Carmen (5) und Sohnemann Hassan (3) in die Arme schließen.

„Ein Traum war für mich wahr geworden“, meinte Dr. Agha. Zunächst in Bosen und später in der neuen Heimat Gonnesweiler seien die Leute sehr freundlich, offen und hilfsbereit. „Wir sind sehr glücklich“, sagte er. Beide Kinder besuchen die Kindertagesstätte in Selbach und würden schon fast besser deutsch sprechen als er und seine Frau. Beim Fußballverein FV Gonnesweiler, einem anerkannten Stützpunktverein des Bundesprogramms „Integration durch Sport“ bringen sich die Aghas ehrenamtlich ein. „Integration ist eine Zweibahnstraße, durch den gemeinsamen Austausch kann sehr viel gelingen“, erklärte der Mediziner, der bereits einen Arabischkurs für Deutsche organisiert hat.

Seine Frau Rans, eine ausgebildete Sportlehrerin, trainiert eine Kindertanzgruppe, er hilft bei Organisation von Veranstaltungen des FVG und des interkulturellen Vereins mit. In gleichem Atemzug muss er aber an seine Eltern denken, die noch in Aleppo leben und mit denen er ständig in Kontakt steht. In Berlin überreichte er Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Gemälde „Syrien ist mein Paradies“ von der Künstlerin Mayaz Al Dakash. „Vielleicht ist Heimat gar nicht der Ort, wo wir geboren wurden, sondern wo sich unser Herz zu Hause fühlt“, gab Dr. Agha zu bedenken. Abschließend betonte er, dass Flucht, Vertreibung, Ankommen und Heimat die Hoffnung aller Flüchtlinge sei.

Text: Frank Faber

Quelle: www.saarbruecker-zeitung.de


  • Peter Schneider
    Dr. Ghifar Taher Agha und seine Familie