Integrative Trainingsgruppe 2022 – Zwischenbericht

Wir, die Abteilung Ringen des SV Warnemünde nehmen seit 2019 am Programm „Integration durch Sport“ des LSB Mecklenburg-Vorpommern teil.

Gleich vorab, wir bedanken uns außerordentlich bei unser Ansprechpartnerin Alexandra Delfs für ihre Unterstützung, ist das Programm doch durch unzählige Formulare gekennzeichnet. Alex hat auf alle Rückfragen eine Antwort und immer ein offenes Ohr für uns.

In unserer Abteilung trainieren zwei Trainingsgruppen Nachwuchs und Jugendliche/Männer. In beiden Trainingsgruppen gibt es einen hohen Anteil an Sportler*innen mit Migrationshintergrund (Vietnam, Russland, Polen, Bulgarien, Afghanistan, Iran). Der Hintergrund und der Anteil ist in beiden Trainingsgruppen ähnlich, die Besonderheiten weichen jedoch voneinander ab.

Der Nachwuchs geht das Thema Integration wesentlich entspannter und unvoreingenommener an. Die Kinder kennen diese Art der Zusammensetzung bereits aus der Schule. Es gibt keinerlei Unterschiede beim Training und keine Vorbehalte untereinander. Alle Sportler*innen haben einen Fokus auf die gestellte Aufgabe. Hier war die größte Herausforderung, den Müttern zu erklären, warum ein Mann mit anderer Religion ihnen zur Begrüßung keine Hand reicht. Nach einer Erläuterung sind sie jetzt mit einer „normalen“ freundlichen Begrüßung zufrieden. Auf Grund der Tradition kam es bereits vor, dass ein Vater sein Kind beim Wettkampf in der nächsthöheren Gewichtsklasse starten lässt, da in der eigentlichen Gewichtsklasse Mädchen gemeldet waren, gegen die der Sohn nicht antreten sollte. Das werten wir nicht, es ist allerdings schade für den Jungen, der in seiner Gewichtsklasse Medaillen Chancen hatte, in der höheren leider nicht.

Bei den Männern muss die Integration differenziert betrachtet werden. Sportler mit Migrationshintergrund, die beim SV Warnemünde das Ringen erlernt haben sind voll integrierte Personen, welche bereits Funktionen übernommen haben (Abteilungsleitung, Landestrainer, Übungsleiter). Diese Trainingsgruppe ist nach und nach um weitere Sportler mit Migrationshintergrund angewachsen (Polen, Russland). Dieser Zuwachs wurde durchweg positiv angenommen. Etwa 2019 wuchs die Trainingsgruppe innerhalb weniger Wochen um drei, später um fünf und am Ende um neun Afghanen an, von denen vier ringerisch vorgebildet waren. Die restlichen wurden als Freunde mitgebracht, die sich fithalten wollten. Durch den schlagartigen Zuwachs fühlten sich die altgedienten Sportler teilweise bedrängt. Hier kam die Integration an ihre Grenzen. Es wurden Diskussionen geführt, die Anzahl zu begrenzen, es kam zu Stilllegungen der Mitgliedschaft. Mit Corona und einigen privaten Veränderungen hat sich nun ein Stamm von drei afghanischen Sportlern gebildet, die regelmäßig am Trainingsbetrieb teilnehmen. Dabei handelt es sich um die fleißigsten Sportler der Gruppe, die selbstständig nach dem Training noch ihrer Runden Kraftkreis absolvieren. Die Trainingsgruppe hat sich konsolidiert und zusammengerauft. Inzwischen weiß den komplette Trainingsgruppe was „langsam“ auf Persisch heißt. Dazu kann ich die Sportler auf Persisch mit „wie geht es dir“ und „mir geht es gut“ ansprechen, was sie hoch erfreut. Techniknamen versuchen die Afghanen zu erlernen, bei uns bleiben einige Techniken auf Persich hängen. Kalasang (Achselwurf) und Ottopoi (Rolle mit Beininschluss) habe ich mir gemerkt. Das Miteinander ist nun geprägt von gemeinsamen (Kampf)Sport mit einer gehörigen Portion Humor. Im Männerbereich zeichnen sich zwei Besonderheiten ab. Der Mitgliedsbeitrag wird von den Afghanen bar eingezahlt und es gibt Diskussionen über Monatsbeiträge während Krankheiten oder coronabedingten Ausfällen. Im Monat April haben alle Muslime bedingt durch den Ramadan den Trainingsbetrieb komplett eingestellt.

Ich glaube, die derzeitigen Zusammensetzung der Trainingsgruppen ist für die Integration von Sportler*innen mit Migrationshintergrund optimal. Gleichwohl ist der prozentuale Anteil nach oben begrenzt. Es gibt Ringervereine in anderen Bundesländern, bei denen der Anteil ungleich höher ist und bei denen eine Abwanderung der deutschen Sportler zur anderen Ringervereinen in der Stadt stattfindet. Das wiederspricht der Integration.

Wir Ringer beim SV Warnemünde blicken zuversichtlich in eine gemeinsame Zukunft mit allen Sportlern unserer Trainingsgruppe.

Stefan Pentschew

Abteilungsleiter Ringen, SV Warnemünde 1949 e.V.