Mittendrin und dabei

Fachtag Integration: Für Sportvereine bieten sich mit der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund große Chancen

Fachgespräch beim Fachtag Integration 2021 / Foto: WLSB
Fachgespräch beim Fachtag Integration 2021 / Foto: WLSB

Es klingt so leicht, so einfach, so selbstverständlich, wenn Soheila Hosseini über die Integration von Frauen mit islamischem Glauben in die mitteleuropäische Gesellschaft erzählt. „Auch diese Frauen möchten Schwimmen lernen“, sagt die gebürtige Iranerin, die seit 40 Jahren in Deutschland lebt. Doch ganz so einfach ist es nicht, es gehört auch ein wenig Mut dazu. „Man darf keine Angst haben, muss sich einfach öffnen“, argumentiert die engagierte Deutsch-Iranerin. Einzige Voraussetzung sei, dass man einen geschützten Raum schafft, dann kämen die Frauen von allein. So wie dies seit mehr als 30 Jahren der Schwimmverein Muslimischer Frauen in Stuttgart erfolgreich tue. Ein weiteres Argument sei, dass sie sage: „Nehmt Euch Zeit für Euch selbst.“
Soheila Hosseini und weitere Vereinsvertreter*innen wie Ramazan Selcuk und Eduard Marker haben von ihren Erfahrungen beim Fachtag Integration des WLSB berichtet. Dieser fand digital mit rund 125 Teilnehmenden im Rahmen des Programms „Integration durch Sport“ des DOSB statt. Das Programm wird gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Der Fachtag wurde in Kooperation mit dem Landessportverband Baden-Württemberg und den badischen Sportbünden umgesetzt. Wie wichtig das Thema Integration gerade in Baden-Württemberg ist, verdeutlichte WLSB-Vizepräsidentin Christine Vollmer bei ihrer Begrüßung: „34 Prozent der Bevölkerung in unserem Bundesland haben einen Migrationshintergrund.“

Wie Sportvereine zu Orten der Zugehörigkeit werden

Freudig überrascht war Soheila Hosseini, wie aktuell die Arbeit ihres Vereins ist, die dieser seit Jahrzehnten betreibt. „Wir machen das schon so lange und wussten gar nicht, dass es den Begriff Belonging gibt“, sagte sie. Was unter Belonging zu verstehen ist, hatte zuvor Professorin Tina Nobis vom Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften an der Universität Osnabrück in ihrem Impulsreferat „Sport und Belonging: Wie Sportvereine zu Orten der Zugehörigkeit werden und wie das Recht auf Zugehörigkeit zum Sportverein verwehrt werden kann“ erläutert. Dabei bedeute Belonging neben dem Dazugehören auch eine Verbundenheit mit sozialen Gruppen. „Sportvereine, Sportgruppen und Mannschaften können Ankerpunkte für Belonging sein“ erklärte Nobis.
Die Sportsoziologin hat in mehreren empirischen Studien herausgefunden, dass Jugendliche gerade Sportvereine sowohl als Orte sozialer Unterstützung, indem sie Anerkennung, Kameradschaft und Wertschätzung erhielten, als auch Orte der Zuflucht, an denen sie Schutz und Stabilität erführen, erleben. Ein weiteres Ergebnis sei, dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund, sobald sie den Weg in einen Sportverein gefunden hätten, sich deutlich mehr ehrenamtlich engagierten als ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund. Für Nobis bieten diese Erkenntnisse ein immenses Potenzial: „Jugendliche erleben die Sportvereine als Orte von Belonging.“

Als Sport einbinden und nicht ausgrenzen

Allerdings können Jugendliche mit Migrationshintergrund auch ausgegrenzt werden. Bewusst oder unbewusst. Professorin Nobis berichtete von einem Experiment, in dem sich junge Fußballer*innen mit demselben Schreiben bei Vereinen um ein Probetraining beworben hatten. Der einzige Unterschied war der Name. Im einen Schreiben ließ er auf einen deutschen Interessenten schließen, im anderen auf jemanden mit Migrationshintergrund. Während der mit dem deutsch klingenden Namen von zwei Drittel der Vereine eine Einladung erhielt, bekam nur etwa die Hälfte derer, deren Name auf einen Migrationshintergrund schließen ließ, eine Einladung. Deshalb fordert WLSB-Präsident Andreas Felchle: „Wir wollen als Sport einbinden, dürfen nicht ausgrenzen“, was von LSVBW-Präsidentin Elvira Menzer-Haasis bekräftigt wurde.
Ein ganz wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Integration ist es, Deutsch zu sprechen. „Die deutsche Sprache ist die Tür zu dieser Welt“, sagt Soheila Hosseini, „ohne ist man blind und taub.“ Frauen, die kein oder wenig Deutsch sprechen, dieses Sehen und Hören zu vermitteln, sei nur dank der verschiedenen DOSB- und WLSB-Programme möglich gewesen. „Ohne hätten wir das alles nicht umsetzen können“, so ihre Überzeugung, „weil wir nicht die nötigen Ressourcen haben.“

Text: Klaus-Eckhard Jost


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