Safe Spaces: Warum „Integration durch Sport“ auch Migrantensportvereine fördert

Diskussionen über Migrantenorganisationen sind auch in der Sportwelt keine Seltenheit. Wir haben versucht uns dem Thema anzunähern und mit einem Vertreter der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD) sowie dem All Stars FC e.V. aus Bremen gesprochen.

Die 1. Mannschaft des FC All Stars in Teambesprechung
Die 1. Mannschaft des FC All Stars in Teambesprechung

„Viele der Menschen, die in den Achtzigern nach Deutschland gekommen sind, haben beim Sport erstmal den Weg über etablierte Vereine gesucht, das Problem war aber: Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht. Man war häufig der Türke, manchmal auch der Kanacke – eben nicht auf Augenhöhe. So erlebt man es ja heute auch noch: Wenn Youssoufa Moukoko trifft, ist er Deutscher, wenn er verschießt der Ausländer.“ fasst Martin Gerlach, Geschäftsführer der TGD, einige Erfahrungen von Mitgliedern seiner Gemeinde zusammen.

Das heißt aber nicht, dass es für Integration und Respekt im Sportverein keine Positiv-Beispiele gäbe: „Viele Menschen in Sportvereinen setzen sich gegen Diskriminierung und Rassismus und für eine gleichberechtigte Teilhabe ein. Dass diese für Menschen mit Migrationsgeschichte per se funktioniert, soweit sind wir aber noch nicht. Menschen engagieren sich nun mal dort, wo sie sich wohlfühlen und Wertschätzung erfahren, wo sie sich nicht ständig erklären müssen. Es gibt etablierte Vereine, denen es gelungen ist, eine solche Alltagsatmosphäre zu schaffen. Es sind aber eben nicht genug. Dass Menschen mit Rassismuserfahrungen sich dann selbst organisieren ist nicht nur legitim, sondern für unsere Gesellschaft eine richtig gute Nachricht.“

Manchmal ist der Grund für die Selbstorganisation auch ganz pragmatisch: Samuel Okoh ist Vorsitzender des All Stars FC in Bremen und erzählt die Geschichte einer seit 2019 stetig gewachsenen Gruppe von Freizeitkickern: „Wir haben uns sonntags auf dem Bolzplatz am Neustadtsbahnhof getroffen. Verlässlichkeit war damals aber noch ein Fremdwort, deshalb haben wir Regeln eingeführt und eine WhatsApp-Gruppe für Absprachen gegründet. Wie es dann häufig so ist, hat sich das rumgesprochen – die Gruppe wurde größer und der Platz kleiner. Wir haben dann mit einigen Vereinen gesprochen, weil wir ja mindestens eine Mannschaft und Laune auf Ligabetrieb hatten. Was wir dringend brauchten waren ja Platzzeiten, da lag eigentlich das Hauptproblem. Vereine wie VfL07 und FC Riensberg, mit denen wir gesprochen hatten waren auch offen und sehr freundlich – leider hat es aus ganz sachlichen Gründen nicht geklappt.“ beschreibt Okoh das Vorgeplänkel der Vereinsgründung.

„Letztendlich haben wir die Vereinsgründung als letzte Möglichkeit zu genügend Platzzeiten und einer Liga-Lizenz gesehen. Das war auf jeden Fall ein bürokratieintensiver Prozess. Inzwischen haben wir die nötigen zwei Mannschaften beim Bremer Fußballverband gemeldet und haben drei Trainingszeiten in der Woche auf der BSA Süd – wir etablieren uns langsam und hatten auch schon Freundschaftsspiele. Es ist zwar traurig, aber auch durch den Ukraine-Krieg hatten wir Zulauf, weil einige afrikanische Menschen, die dort studiert haben, nach Deutschland gekommen sind – inzwischen haben wir unter anderem Menschen aus Nigeria, Ghana, Eritrea, Kenia, Somalia und Sierra Leone bei uns. Wir versuchen natürlich auch über den Sport aktiv zu sein und zum Beispiel Deutschkurse und wichtige Werte wie Verlässlichkeit oder Pünktlichkeit zu vermitteln.“

Auch Martin Gerlach kritisiert die Behauptung, dass Migrantenorganisationen keinen oder weniger Mehrwert für die Gesellschaft hätten: „Man kennt ja Thesen wie: Migrantenvereine würden die Integration hemmen, ein absolutes Unwort in diesem Kontext sind die so genannten Parallel-Gesellschaften. Golfclubs oder Yachtclubs macht man diesen Vorwurf schließlich nie. Migrantische Vereine nehmen an den Ligen teil, treffen sich zu Freundschaftsturnieren wie alle anderen auch. Wie bei den urdeutschen Vereinen gibt es sehr offene und weniger offene Strukturen. Ich denke: Hauptsache die Menschen engagieren sich und schaffen positive Erlebnisse im Sport für viele andere Menschen. Ich würde mir wünschen, die Grundeinstellung zu migrantischen Sportvereinen wäre so: Geil, dass ihr euch organisiert, lass uns was zusammen machen.“

Das Programm „Integration durch Sport“ unterstützt Migrantenorganisationen in ihren Bestrebungen sich kooperativ sportlich im Stadtteil einzubringen, aber ebenso auch alle weiteren Sportvereine, Bedingungen und Angebote zu schaffen, damit ein offenes und respektvolles Miteinander stattfinden kann und Integration innerhalb des Sportvereins und über den Sportverein in die Gesellschaft funktioniert – am Ende engagiert man sich dort, wo man sich wohlfühlt. 

Übrigens bezeichnet man selbstorganisierte Migrantensportvereine entsprechend, sobald diese einen Migrantenanteil im Verein und im Vorstand von mindestens 75 % besitzen. Die meisten Migrantensportvereine haben auf Stand der Expertise „Migrantensportvereine“ zum Sportentwicklungsbericht 2009/2010, eine eher geringe Mitgliederzahl (Schnitt: 78 Mitglieder) und sind hauptsächlich Einsparten-Vereine mit männlicher Dominanz unter den Mitgliedern (Männeranteil rund 90 %) und überwiegend erwachsenen Mitgliedern (19 bis 40 Jahre). Es überwiegen Fußballvereine, wobei inhaltlich auch Gemeinschaft, Geselligkeit sowie die Pflege von Tradition wichtig sind.


  • Die 1. Mannschaft des FC All Stars in Teambesprechung
    Die 1. Mannschaft des FC All Stars in Teambesprechung
  • Samuel Okoh mit der 1. Mannschaft des 1. FC All Stars (1. v.l.)
    Samuel Okoh mit der 1. Mannschaft des 1. FC All Stars (1. v.l.)