25 Jahre „Integration durch Sport“ - „Der richtige Weg“

Seit 25 Jahren beteiligt sich der Landessportverband Schleswig-

Holstein an dem Programm „Integration durch Sport“ des

Bundesinnenministeriums, das vom DOSB und den

Landessportbünden umgesetzt wird. Integration durch Sport,

die Verknüpfung von Sport und sozialer Arbeit – all das war

damals am Anfang der 1990er Jahre in der deutschen

Wendezeit noch neu.

Der Anfang: Fußballturniere
Der Anfang: Fußballturniere

Selbstverständlich ist es noch immer nicht. „Integration durch Sport“: Dahinter stehen auch nach 25 Jahren ein unermüdliches Team, das mit unzähligen Organisationen und Institutionen glänzend vernetzt ist, und die stets rund 40 Stützpunktvereine, die an der Basis wertvolle Arbeit leisten.

Die Anfänge: 1989 riefen der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der Präsident des Deutschen Sportbundes und langjährige LSV-Präsident Hans Hansen das Projekt „Sport für alle/Sport mit Aussiedlern“ ins Leben, dem sich Schleswig-Holstein schnell 1990 anschloss. Die Bundesländer waren der zunehmenden Anzahl an Aussiedlern nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr gewachsen. Im Sport würde „per se Integration passieren“, lautete damals die Formel, erinnert sich LSV-Geschäftsführer Breitensport, Vereins- und Verbandsentwicklung Thomas Niggemann.

Der 56-Jährige war der erste Landeskoordinator des Programms. Dass die Formel zu einfach gedacht war, stellte sich schnell heraus. Engagierte Menschen in den Vereinen und interkulturelle Konzepte in den Vereinen waren nötig. Niggemann und sein Team leisteten damals echte Pionierarbeit, fuhren mit dem Sportmobil zu den Unterkünften der Aussiedler, suchten vor Ort Protagonisten in den Vereinen, fingen an, ein Netzwerk mit anderen Organisationen aufzubauen. „Die Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion waren den Sport ganz anders gewohnt – Ehrenamt und Vereinsbeiträge kannten sie nicht“, sagt Hans Korth. Der 64-Jährige engagiert sich für das Boxen im TSV Plön und im Amateurboxsportverband, seit 1999 ist der TSV dem Programm „Integration durch Sport“ als Stützpunktverein verbunden. Korth sagt: „Integration durch Sport ist der richtige Weg, und ohne das Programm wäre dieser Weg gar nicht möglich.“ In Wellen seien die Zuwanderer in den 90er Jahren nach Deutschland gekommen und hätten, so Korth, teilweise vergessene Eigenschaften mitgebracht: „Ehrgeiz, Disziplin, Zielorientierung auf den sportlichen Erfolg.“ Als leuchtendes Beispiel nennt Korth den Raisdorfer Boxer Mike Wladimir Schneider: „Er kam als schüchterner 14-Jähriger aus Sibirien, wurde sehr schnell zum Vorbild und später sogar zweimal deutscher Meister.“

Das Programm heute: Intensiveres Training, gemeinsame Aktionen, jährlich 15.000 Kilometer unterwegs, unzählige Ausflüge nach dem Motto „Ferien vor Ort“: Hans Korth könnte sich die Betreuung seiner Boxer ohne „Integration durch Sport“ gar nicht vorstellen. „Das ist ein echtes Erfolgsrezept.“ Georges Papaspyratos (71), seit 2001 über die Ringer der TuS Gaarden und den Ringerverband im Programm verankert, möchte den Fokus allerdings nicht nur auf die finanzielle Unterstützung legen: „Auch die breite Palette an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sind von unschätzbarem Wert“, sagt der Integrationsbotschafter des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Vor 15 Jahren übernahm Karsten Lübbe die Stelle des Landeskoordinators von „Integration durch Sport“. Angefangen hatte der heute 52-Jährige mit 14 Stützpunktvereinen, heute sind es rund 40. Unterstützt wird das Programm mit 310.000 Euro vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das dem Bundesinnenministerium angegliedert ist. Hinzu kommen Mittel vom Bundesgesundheitsministerium. Lübbe bildet mit Roman Wagner, der selbst als Spätaussiedler 1996 nach Deutschland kam, und Kirsten Bröse, die sich auf einer halben Stelle u.a. auch um Projekte für ältere Menschen mit Migrationshintergrund und Migrantinnen kümmert, ein Team.

Der LSV hat sich – nicht zuletzt in seinem „Positionspapier zur interkulturellen Arbeit des Landessportverbandes und seiner Vereine und Verbände“ von 2010 – klar zu den Aufgaben des Programms bekannt. „Besonders der ehemalige LSV-Präsident Ekkehard Wienholtz hat das Programm zum echten Bekenntnis gemacht.“ Ein Bekenntnis, das für den Programmleiter Karsten Lübbe besonders an der Basis seinen Wert entfaltet und auch von LSV-Präsident Hans-Jakob Tiessen mit großer Überzeugung unterstützt wird: „Wir erreichen jede Woche rund 2.000 Sportler in den Projektgruppen, davon haben rund 60 bis 70 Prozent einen Migrationshintergrund, viele sind aber auch benachteiligte Einheimische.“

Die Arbeit im Programm hat sich dabei gewandelt – von der reinen aufsuchenden Sozialarbeit Anfang der 90er Jahre zu einer facettenreichen Querschnittsaufgabe im organisierten Sport, die von der interkulturellen Öffnung der Vereine und Verbände über die Projekt-Basisarbeit bis zur Beratung und Qualifizierung der Vereine reicht.

Die Hürden: Einige Schwierigkeiten, mit denen „Integration durch Sport“ zu kämpfen hat, haben sich seit den Anfangstagen geändert, andere sind geblieben. Verstärkt soll in Zukunft der Fokus auch auf Ältere und auf Migrantinnen liegen. „Obwohl mittlerweile auch Tanzen, Schwimmen oder gesundheitsorientierter Sport angeboten wird, bleibt es schwer, Frauen zu gewinnen“, weiß Karsten Lübbe. Nicht nur die oft noch tradierten Rollenbilder in den ausländischen Familien bilden eine Hemmschwelle. Genauso ist es oft problematisch, geeignete Trainingszeiten und Übungsleiterinnen für Frauen und Mütter zu finden. „Zudem gibt es noch nicht einmal in jeder Halle Duschräume für Frauen“, ergänzt Georges Papaspyratos.

Bei der TuS Gaarden im Training der Ringer tummeln sich derzeit auch 20 irakische und syrische Flüchtlinge. „Durch ,Integration durch Sport’ gibt es ein enormes Know-how, um Flüchtlinge zu integrieren“, sagt Georges Papaspyratos. Auf Bundesebene ist das Programm jedoch auf Menschen mit Bleibestatus ausgerichtet, den die Betroffenen der aktuellen Flüchtlingswellen (noch) nicht haben. „Wir können ihnen nicht helfen“, sagt Thomas Niggemann etwas hilflos. Andere Ideen müssen her. Ein weiteres großes Problem ist der Verwaltungsaufwand. „Das Bundesamt hat sehr hohe Auflagen“, sagt Lübbe, „und verlangt sehr viel Papierkram.“ Oft sind die „Macher“ an der Vereinsbasis damit überfordert oder schrecken davor zurück.

Die Zahlen sprechen Bände: Von rund 2.600 Vereinen in Schleswig-Holstein sind oder waren bislang erst 200 Vereine an dem Programm beteiligt. „Dabei“, betont Hans Korth, „ist die Arbeit des Teams von ,Integration durch Sport’ gar nicht hoch genug einzuschätzen.“ Mit viel Geduld nehme sich die Mannschaft um Karsten Lübbe der Probleme der Vereine an. Trotzdem sagt Karsten Lübbe: „Wir müssen die Vereine noch mehr motivieren, ihre Potenziale zu erkennen und Übungsleiter (mit Migrationsgeschichte) zu gewinnen, die wir dann qualifizieren. “ Die jungen Leute gelte es, so Hans Korth, „von der Straße zu holen“, und bisher klappe das schon sehr gut. Das hat sich auch nach 25 Jahren nicht geändert.  Tamo Schwarz


  • Der Anfang: Fußballturniere
    Der Anfang: Fußballturniere
  • Spielfeste in Übergangswohnheimen
    Spielfeste
  • oben: Georges Papaspyratos, Ringerverband Schleswig-Holstein, Integrationsbotschafter, Kirsten Bröse, ZuG-Projektleitung, unten v. links: Hans Korth, SHABV-Jugend, Boxring Plön, Thomas Niggemann, LSV-Geschäftsführer Breitensport, Karsten Lübbe, Programmleitung
    Id S Macher vorm Haus des Sports
  • Spielfest in Kiel-Mettenhof
    Mettenhof 10.09.-8
  • Tag des Sports Siegerehrung
    TDS Siegerehrung
  • Freiwillig engagierte Programmmitarbeiter/innen und Übungsleiter im Programm
    Programmmitarbeiter