Alexander Raduncev über seine Eindrücke von den Olympischen Spielen 2008 in Peking.

Alexander Raduncev wurde am 11.10.1967 in Ust-Kamenogorsk (Kasachstan) geboren. 2003 begann er mit seiner Arbeit in Deutschland und gründete zunächst die Wushu & Kampfkunst Föderation e.V in Berlin.

Im Jahr 2005 ließ sich Alexander Raduncev an der Staatlichen Universität Peking (China) als Trainer und  Kampfrichter der  Int. Kategorie A  (dies ist die höchste  internationale Kategorie und qualifiziert den Träger für die Arbeit bei den Weltmeisterschaften) ausbilden und fungierte als internationaler Kampfrichter in den 11. European Wushu Championship und 15. Asian Games. Seine hervorragende Arbeit weltweit wurde von den Welt Kampfkunst Bund und der Han Seo Universität durch eine Ehrenurkunde für „die Entwicklung der Kampfkünste“ ausgezeichnet.


Momentan wohnt Alexander Raduncev mit seiner Frau und seinen 2 Kindern in Berlin. Von dort verwaltet und leitet er seine internationale Organisation sowie seine eigene Filiale in Berlin, da trotz aller Erfolge und Leistungen der Sport und seine Schüler für ihn im Mittelpunkt stehen.Er arbeitet intensiv mit dem Programm „Integration durch Sport“ zusammen.


M. Wolfsohn: Die Olympischen Spiele 2008 in Peking sind zu Ende. Alle, die sich Zeit genommen haben, durften diese von ihrer besten Seite erleben. Welt- und olympische Rekorde deren Zahl jeden Rahmen sprengt. Freundschaftliche Atmosphäre, die die politischen Probleme verstummen ließ. Was viele nicht wissen, ist, dass dieses Mal parallel zur Olympiade die Weltmeisterschaft für Wushu Sanda und Wushu Taolu stattgefunden hat. Es war eine Meisterschaft von besonderer Art. Und zwar ging es darum diese beiden Disziplinen bestmöglich zu präsentieren, um die Entscheidung über deren Aufnahme in das Verzeichnis olympischer Sportarten zu beschleunigen.

 

Unser Landsmann, Großmeister Alexander Raduncev, war vor Ort an diesem schönen Ereignis unmittelbar beteiligt. Herr Raduncev, erzählen Sie bitte unseren Lesern etwas über sich.

 

A. Raduncev: Mein Name ist Alexander Raduncev. Ich bin schon mehr als ich mich zurück erinnern kann im Kampfkunstbereich tätig. Kampfkunst ist der wichtigste Bestandteil meines Lebens. So arbeite ich zum Beispiel sehr eng mit der Deutschen Wushu Föderation, insbesondere im Bereich Wushu Sanda, zusammen. Ich setze alles daran, Wushu in Deutschland auf ein höheres Niveau zu bringen. Seit geraumer Zeit bin ich auch als Kampfrichter unterwegs. Jede Menge Tourniere und Nationalmeisterschaften  in Deutschland und Kasachstan, Europa- und Asiameisterschaften, Asiatische Spiele. All das waren interessante Erfahrungen. Organisation auf höchstem Niveau. Doch der letzte Einsatz als Kampfrichter war für mich bislang die größte Ehre. Bei den Olympischen Spielen in Peking fand endlich der erste Probedurchlauf für Wushu statt. Es spricht alles dafür, dass diese wunderschöne Sportart vom Olympischen Komitee offiziell als olympisch anerkannt wird. Ich wurde nach Peking als einer der Fünf unabhängiger Kampfrichter eingeladen.

 

M. Wolfsohn: Erzählen Sie bitte etwas über den Verlauf der Veranstaltung.

 

A. Raduncev: Wushu befindet sich im Aufschwung. Und, wie ich das schon von den Chinesen kenne, haben sie sich größte Mühe gegeben, perfekte Organisation an den Tag zu legen. Alle Sportler waren bekannter Weise im olympischen Dorf untergebracht. Die Richter wurden je nach Einsatzsektor aufgeteilt und mit bequemen Unterkünften versorgt. So gehörten zum Beispiel Reitsport, Tischtennis und Wushu zum gleichen Sektor, und zu diesen Sportarten gehörende Richter, ich inklusive, bekamen ihre Zimmer im Beijing Grand Hotel. Als unabhängiger Kampfrichter vertritt man sein Land nur indirekt. Haben Sie für die Reise selbst aufkommen müssen?

 

M. Wolfsohn: Als unabhängiger Kampfrichter vertritt man sein Land nur indirekt. Haben Sie für die Reise selbst aufkommen müssen?

A. Raduncev: Nein, nein. Die komplette Reise inklusive Unterkunft, Verpflegung und sogar die Uniform wurden vom olympischen Komitee finanziert. 

M. Wolfsohn: Man sprach im Vorfeld viel über die schlechten Ökologiebedingungen im sehr dicht bevölkerten China. Was können Sie dazu sagen?

A. Raduncev: Ich habe die Luft als sehr angenehm empfunden. Man muss schon sagen, dass die Chinesen letzte Zeit sich viel Mühe geben umweltbewusster zu leben. So wurden zum Beispiel für den olympischen Verkehr Busse und andere Fahrzeugarten mit Elektromotorantrieb eingesetzt. Die Einheimischen bevorzugen mittlerweile auch immer mehr die umweltfreundlicheren Motoren. Die meisten Mopeds, die ich in der Stadt gesehen habe, sind auch mit Elektromotoren versehen.

 

M. Wolfsohn: Sie haben von perfekter Organisation gesprochen. Wie kam diese zum Vorschein?

 

A. Raduncev: Ich kann natürlich nur aus meiner Sicht berichten, meine Eindrücke waren aber alle positiv. Wie Sie bereits selbst gesagt haben, war diese Präsentation von Wushu von besonderer Wichtigkeit. So wurde bei Richterauswahl besonders viel Wert auf Qualifikation, Erfahrung und, natürlich, Objektivität gelegt. Auch Sportler zeigten sehr hohes technisches Niveau. Man konnte ihnen schon ansehen, dass sie hervorragende Vorbereitung hinter sich brachten. Im Taolu muss man sehr schwierige technische und akrobatische Elemente hervorheben. Im Sanda waren das die atemberaubenden Vollkontaktkämpfe mit kombinierten Techniken. Die Kämpfe im Sanda finden auf einer erhobenen Kamffläche statt, was ihnen ein besonderes Kolorit verleiht. Die Fuss- und Fausttechniken werden durch Wurftechniken ergänzt. Die Regeln und die Schutzausrüstung sind sehr gut durchdacht und haben sich über mehrere Jahre bewehrt. Das hat die Verletzungsgefahr ganz stark reduziert, mittlerweile ist sie als sehr gering einzustufen.

 

Der Sportpalast war über die gesamte Zeit während der Wettkämpfe gefüllt. Die Atmosphäre war sehr freundlich. Die einheimischen Zuschauer unterschieden nicht zwischen eigenen und ausländischen Sportlern. Alle wurden gleichermaßen gut gefeiert.
 

M. Wolfsohn: Was war das für ein Gefühl, dabei zu sein?

 

A. Raduncev: Ein wunderschönes. Ich war von Glück und Stolz erfüllt. Umso mehr, weil ich als einer der drei besten Kampfrichter ausgezeichnet wurde.

 

M. Wolfsohn: Alexander, ich bedanke mich herzlichst für dieses schöne Interview und wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrer Kariere. Was würden Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

 

A. Raduncev: Ich hoffe, die Aufnahme des Wushu in die olympische Familie erfolgt schon sehr bald. Ich finde, auf diese Sportart sollte mehr Aufmerksamkeit gerichtet werden. Sie ist nicht nur was für das Auge, sondern auch sehr gesundheitsfördernd. Die Deutsche Wushu Föderation ist noch ziemlich jung, hat aber ein sehr hohes Potential wie im Trainerkader, so auch unter den Sportlern selbst. Ein guter Beleg dafür ist zum Beispiel der erste Platz bei letzter Europameisterschaft in Italien, den sich Jakob Lenz in der Schwergewichtsklasse des Wushu Sanda erkämpfte. Die Fortentwicklung unserer Föderation liegt mir sehr am Herzen. Mehr Förderung durch den Staat würde ihr sehr gut tun.
 

Und um auf Ihre letzte Frage zurück zu kommen: Was ich den Lesern wünschen möchte? Ganz einfach: Gesundheit, Frieden und Glück.