Angekommen in Deutschland – Sofie Raykhlina geht ihren Weg

Der Sportverein als Wegbereiter zur Integration in die Gesellschaft

Ich lernte Sofie im Jahr 2005 auf einer Fahrt zu Wettkämpfen nach Kopenhagen kennen. Beim Warten auf die Fähre nutzen die Fahrgäste die Zeit, um sich die Beine zu vertreten.

Die kleinen Sportgymnastinnen des TSV Schwerin im Alter von 7 bis 8 Jahren dagegen wirbelten über den Fußweg, schlugen Räder und drehten Pirouetten. Staunend schauten die Passagiere zu und bewunderten die Gelenkigkeit der Kinder.

Ein blasses Mädchen mit einem Pferdeschwanz fiel besonders auf. Sie bewegte sich mit besonderer Eleganz und Unbekümmertheit und plauderte nebenher auf Russisch mit ihrer ukrainischen Trainerin.

Dieses Mädchen war Sofie Raykhlina, ein unbeschwertes russisches Mädchen, das seine sportlichen Ambitionen im TSV Schwerin ausleben konnte. Jahre später organisierten Schweriner Sportvereine auf dem Marktplatz in der Innenstadt ein Spiel- und Sportfest anlässlich des „Tags der Integration“. Die Sportgymnastinnen des TSV wollten dort ein Showprogramm zeigen. Leider konnten dafür keine Trainer und Betreuer abgestellt werden, da der Verein gleichzeitig Gastgeber eines überregionalen Wettkampfes im entfernten Stadtteil Krebsförden war. Da beide Veranstaltungen wichtige Höhepunkte waren, musste improvisiert werden.

Die zwölfjährige Sofie wurde mit zwei Sportkameradinnen und einer Mutter zum Schauturnen abgesandt, um den Verein auf der eigens aufgebauten Marktplatz-Bühne zu vertreten. Diese Aufgabe erledigte Sofie mit erstaunlicher Cleverness. Sie organisierte das Anziehen der Turnanzüge und das Warmmachen der Mädchen, sprach mit ihnen den Programmablauf ab und sorgte für ihren pünktlichen Einsatz. Der Auftritt der Gymnastinnen wurde mit viel Applaus bedacht und auch Sofie zeigte eine ausdrucksstarke Übung. Aus dem unscheinbaren blassen Mädchen war eine kleine Sportlerpersönlichkeit geworden.

Mit 15 Jahren hatte Sofie dann im Jahr 2012 ihren sportlichen Höhepunkt. Beim Deutschland-Pokal in der Rhythmischen Sportgymnastik im südwestpfälzischen Dahn durfte sie im Mehrkampf mit Reifen, Keulen und Band turnen. Für diesen Wettkampf hatten sich die besten 45 Juniorinnen aus ganz Deutschland über die Regionalmeisterschaften Nord bzw. Süd qualifiziert. Sofie überzeugte durch sichere und fehlerfreie Beiträge voll individueller Ausdrucksstärke und konnte ihr Leistungsvermögen zum Wettkampfhöhepunkt voll abrufen. Am Ende erhielt sie im großen Feld die Silbermedaille im Mehrkampf. Auch in den Gerätefinals, wofür sich die besten acht Sportgymnastinnen in jeder Kategorie qualifiziert hatten, erkämpfte sie jeweils Silber im Reifen- und im Keulenfinale.

Die Russin Sofie Raykhlina hat ihren Weg in Deutschland gemacht, fleißig, selbstbewusst und in der Trainingsgruppe anerkannt. Sie zählt zu den besten Gymnasiastinnen der Schweriner Eliteschule des Sports.

Heute ist sie bereits selbst Übungsleiterin einer Trainingsgruppe und gibt ihre sportlichen Erfahrungen auch an die vielen kleinen Mädchen mit Migrationshintergrund im Verein weiter. So werden auch diese Mädchen die Chance haben, einen ähnlichen Weg zu gehen, wie sie selbst.

Dietmar Büch,

TSV Schwerin e. V.