“Bei uns ist jeder ein Star“

Im Allgäu in Kempten engagieren sich zwei Sportvereine, in besonderer Art und Weise für die Integration von Kindern und Jugendlichen. Ihre Mitglieder werden nicht nur sportlich gefördert, sie leisten mit bemerkenswerten Ideen und Engagement auch wertvolle Sozialarbeit für die Gemeinde, die über den Sport hinausgeht. In Ihrer Arbeit werden die beiden Vereine vom Programm „Integration durch Sport“ im Bayerischen Landes-Sportverband unterstützt.

Stolz lacht der 21-jährige Boxer Patrick Maciulewicz (2. von links) nach seinem bisher größten Sieg. Mit Unterstützung seiner Vereinsfreunde und der Paukkammer in Kempten hat er den Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit der Gesamtnote 2,1 nachgeholt.
Stolz lacht der 21-jährige Boxer Patrick Maciulewicz (2. von links) nach seinem bisher größten Sieg. Mit Unterstützung seiner Vereinsfreunde und der Paukkammer in Kempten hat er den Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit der Gesamtnote 2,1 nachgeholt.

„Bei uns ist jeder ein Star“, so beschreibt Anette Dreyer 2. Vorsitzende des Star-Box-Clubs Kempten die Philosophie des eineinhalb Jahre jungen Vereins in Kempten. Bereits 45 Mitglieder aus acht Nationen haben hier eine sportliche Heimat gefunden und können beim Training ihrer angestauten Energie freien Lauf lassen. Neben Ausdauer und Ehrgeiz sollen die Kinder- und Jugendlichen auch Disziplin, Respekt vor den Anderen und Zusammenhalt lernen. Dies sind Eigenschaften, die der Boxsport vermitteln kann, weiß Gerhard Bachl, 1. Vorsitzender und früher selbst Boxer. Mit seinem Engagement für die jungen Boxer konnte der Star-Box-Club die Paukkammer in Kempten überzeugen und als Bildungssponsor gewinnen. Um den Nachwuchs schulisch in die richtigen Bahnen zu leiten, werden diese auf ihrem Bildungsweg mit kostenlosen Nachhilfestunden unterstützt, damit jedes Mitglied auch seinen Schulabschluss schafft. Bevor es zum Training geht, heißt es also erst einmal pauken in Deutsch und Mathe. Der 21-jährige Patrick Maciulewicz ist ein schönes Beispiel für die erfolgreiche Arbeit des Vereins. Mit 15 Jahren hatte er die Schule abgebrochen und stand somit am Abgrund. Mit Hilfe der Paukkammer und dem Star-Box-Club holte Patrick den Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit der Note 2,1 nach und blickt heute optimistisch in die Zukunft. Außerhalb des Rings finden die jungen Faustkämpfer bei den Verantwortlichen immer ein offenes Ohr und sprechen auch über private, schulische und berufliche Sorgen. Anette Dreyer, die als Fach-Assistentin bei der Agentur für Arbeit angestellt ist, unterstützt in ihrer Freizeit die Mitglieder zusätzlich bei Bewerbungsscheiben, Behördengängen, Berufswahl sowie bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche.

 

Auf die Suche nach Mitgliedern musste sich auch der Post-Sportverein Kempten machen. Noch vor einigen Jahren hatte der Traditionsverein mit Mitgliederschwund zu kämpfen. 2006 wandte sich Judo- und Präventionsübungsleiter Karl Graf an einige ortsansässige Schulen, um dort im Rahmen der Kooperation „Sport nach 1“ ein kostenloses Sportangebot anzubieten. Zusätzlich wurde von den Kindergärten ein Programm „Eltern-Kinder-Judo“ für Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren mit großem Erfolg angenommen. Diese Zusammenarbeit wird bis heute durchgeführt und beschert dem Verein einen regelrechten Mitgliederboom. Durch die gezielte Ansprache der Eltern, betreiben mittlerweile ganze Migranten-Familien Sport beim Post-SV. Die Anzahl der Mitgliedschaften in den Abteilungen Judo und Aikido hat sich seit 2006, von 55 auf 120 Mitglieder, mehr als verdoppelt. Der Verein widersetzt sich dem allgemeinen Trend und nutzt die Chancen der interkulturellen Öffnung. Neben den Kooperationen mit Kindergärten und Schulen unterstützt der Post-SV aktiv die Ausbildung von Migranten zu Trainerassistenten und Übungsleitern. Zuwanderer sind im Verein als Ehrenamtliche noch deutlich unterrepräsentiert. Ein Potential, das der Verein erkannt hat. Der derzeitige Höhepunkt ist der Erwerb der Übungsleiter C-Lizenz von Dimitri Schmidt, der sich als neu gewählter Sportwart zukünftig für den Verein engagieren wird. Im Post SV wird über Integration nicht bloß gesprochen, sondern seit mehreren Jahren mit Erfolg gelebt.

 

Beide Sportvereine veranstalteten am 24. Juli 2010, unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dr. Netzer und weiteren Gästen aus Politik, Kommune und Sport das erste Integrationssportfest in Kempten. Unter dem Motto „Zusammen...“  wurde ein Sportangebot aus Aikido, Judo, Boxen, Tischtennis und Tennis präsentiert. Alle Kemptnerinnen und Kemptner, egal welcher Herkunft, wurden durch Vorführungen und Mitmachaktionen angesprochen, die verschiedenen Sportarten kennenzulernen und gleich selber auszuprobieren. Für gute Stimmung sorgten Live-Musik und die internationale Küche. Unterstützt wurden die Veranstalter von zahlreichen ehrenamtlichen Jugendlichen aus den Vereinen und vielen Kooperationspartnern der Stadt mit denen man auch sonst eng zusammenarbeitet. Schon im März 2010 wurden Kemptener Schulen aufgefordert zum Motto des Integrationsfestes ein Plakat zu entwerfen. 17 Klassen beteiligten sich und reichten Vorschläge ein, die ab 17. September im Rahmen einer Vernissage in den Räumen des Allgäuer Überlandwerkes besichtigt und ersteigert werden können. Der Erlös des Integrationsfestes und der Ausstellung kommt einem geplanten Kinder- und Jugendhilfsfond zu gute. Ab Januar 2011 sollen damit hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche unterstützt werden.

 

Das Engagement der beiden Kemptner Vereine für die Integration in den Sportverein geht weiter. Bereits im September 2010 findet in Kooperation mit dem Post-Sportverein die Schulung „Sport Interkulturell“ des Programms „Integration durch Sport“ statt, in der die Übungsleiter der Vereine interkulturell sensibilisiert werden und wichtiges Rüstzeug für Ihre Sportstunden mit Menschen aus anderen Kulturkreisen erlernen.

 

 

Vereinsportrait Star-Box-Club Kempten e.V.

Der vor eineinhalb Jahren neu gegründete Amateurboxverein zählt derzeit 45 Mitglieder, knapp zwei Drittel haben einen Migrationshintergrund. Der Verein fördert durch Kooperationen, Nachhilfeunterricht und durch die Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche die Integration von Migranten in den Sport und in die Gesellschaft. Im März 2010 wurde der Verein im Rahmen der Aktion „Quantensprung“, Vereinsarbeit im nächsten Jahrzehnt, und einem Preisgeld von 4.000 Euro ausgezeichnet.

 

Vereinsportrait Post-Sportverein Kempten e.V.

Der 1955 gegründete Sportverein mit seinen 338 Mitgliedern engagiert sich seit Jahren für die Integration von Migranten. Neben Judo und Aikido werden auch Sportarten wie Fußball, Gymnastik, Badminton, Tennis, Tischtennis und Skisport angeboten. Durch Kooperationen mit Kindergärten, Schulen und durch gezielte Elternarbeit konnte der Verein ganze Migrantenfamilien gewinnen und die Mitgliederzahl deutlich steigern. 

 

Beide Vereine sind seit 2009 anerkannte Stützpunktvereine des Programms „Integration durch Sport“ im Bayerischen Landes-Sportverband für ihre vorbildliche integrative Vereinsarbeit.

In Bayern werden 2010 insgesamt 80 Sportvereine durch das Programm „Integration durch Sport“ gefördert, die sich in besonderer Weise für die Integration, von Menschen mit Migrationshintergrund, in den Sport einsetzten. 

 

Ansprechpartner für Oberbayern und Schwaben:

Ingo Wagner, Telefon: 089-157 02 330, E-Mail: muenchen@sportintegration.de

 


  • Stolz lacht der 21-jährige Boxer Patrick Maciulewicz (2. von links) nach seinem bisher größten Sieg. Mit Unterstützung seiner Vereinsfreunde und der Paukkammer in Kempten hat er den Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit der Gesamtnote 2,1 nachgeholt.
    Stolz lacht der 21-jährige Boxer Patrick Maciulewicz (2. von links) nach seinem bisher größten Sieg. Mit Unterstützung seiner Vereinsfreunde und der Paukkammer in Kempten hat er den Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit der Gesamtnote 2,1 nachgeholt.