Das Beste draus machen

Fünf von vielen guten Beispielen, wie Sportvereine beim Umgang mit der Flüchtlingsthematik unterstützen.

Sport hilft bei der Integration - von Anfang an (Quelle: IdS-Archiv)
Sport hilft bei der Integration - von Anfang an (Quelle: IdS-Archiv)

Sport spricht alle Sprachen. Der Satz, der derzeit immer wieder fällt, soll Mut machen und zum Handeln anregen. Die hessischen Vereine nehmen ihn ernst. Sie haben Flüchtlinge zu ihren Sportangeboten eingeladen, Aktionstage und Turniere organisiert, Sportkleidung gesammelt und gespendet, Schwimmkurse für geflüchtete Frauen ins Leben gerufen oder Deutschunterricht gegeben. Kurzum: Ihr Engagement ist riesig. Doch die Flüchtlingskrise hat noch eine andere Seite: Mindestens 40 hessische Sporthallen sind derzeit mit Flüchtlingen belegt. Auch damit müssen die Vereine umgehen.

Ruck-zuck und mit riesigem Erfolg

Die Bilder auf der Homepage der TGS Seligenstadt sprechen für sich. Arm in Arm stehen sie im Kreis, die Oberkörper leicht nach vorne gelegt. Es sieht aus, als hätte eine etwas zu groß geratene Handballmannschaft gerade ein wichtiges Spiel gewonnen. Und irgendwie stimmt das auch: Innerhalb von wenigen Stunden sind sie ein Team geworden, die Handballer der TGS und die in der Stadt untergebrachten Flüchtlinge. Sie haben zusammen Handball gespielt, sich über Sport ausgetauscht und auch die ersten privaten Worte gewechselt.

Nichts könnte gelungene Integration besser darstellen als diese Bilder. Dass es sie gibt, ist der Verdienst von Marion Schaafhausen. Sie muss etwas ausholen, um zu erzählen, wie es dazu kam. Am Anfang stand die Idee, im Verein einen Volunteer Day auszurichten. Durch Anregung des Sportkreises sowie des örtlichen Arbeitskreises „Willkommen“ beschloss man, einen Tag für Flüchtlinge daraus zu machen.

Schaafhausen animierte ihre Handballer, sprach die anderen Abteilungen an. Was langsam anlief, entwickelte sich am Ende fast zur Lawine: Neben Basketballern, Faustballern und Leichtathleten des eigenen Vereins wollen plötzlich auch andere Vereine mitmachen. Schaafhausen zögerte nicht lange, mietete kurzfristig eine zusätzliche Halle an und präsentierte den Flüchtlingen am 26. September ein buntes Programm: Überall wurde gemeinsam Sport gemacht, gegen- und miteinander gespielt. Es wurden Regeln erklärt, Neues ausprobiert, Kontakte geknüpft. Ganz nebenbei gab es Bewirtung und einen Sportkleiderbasar, der einem „Flohmarkt mit drei Sternen“ glich, wie Schaafhausen lachend erzählt. Kurzum: Die Veranstaltung war ein großer Erfolg.

„Nicht jeder mag Sport, aber jeder konnte schauen, was ihm doch zusagen könnte“, sagt die Vereinsfunktionärin. Man merkt, wie viel Arbeit sie in diesen Tag investiert hat – und dass die strahlenden Gesichter sie belohnten. Und so sollte ihr Engagement keine einmalige Sache bleiben: Mitte November hat sie – unter sportlicher Leitung von David Wagner – einen Integrationstag „Handball grenzenlos“ organisiert.

Wieder waren rund 25 Flüchtlinge vor Ort, lernten die Sportart intensiver kennen. Am Ende, das zeigen die eingangs erwähnten Bilder, lagen sich alle in den Armen. „Alle sind sich näher gekommen, das hilft bei der Integration ungemein“, freut sich die Organisatorin – und hofft, dass weitere Spieler für den Verein gewonnen werden können. Zwei Flüchtlinge kommen bereits regelmäßig zum Training.

Unbürokratische Lösung

Die Regeln stehen fest – unumstößlich, möchte man fast sagen: Wie groß ist ein Volleyballfeld? Wie viel Platz muss es drum herum geben? Welche Höhe muss die Hallendecke haben? Wer im Ligabetrieb des Volleyballverbandes gegen die Auflagen verstößt, muss mit Strafen rechnen. Doch ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Wenn die Spielhalle eines Volleyballvereins mit Flüchtlingen belegt wurde, ist das so eine ungewöhnliche Situation. „Dann sind wir natürlich kulant“, sagt Ute Müller-Behrends von der Geschäftsstelle des Hessischen Volleyballverbands.Für sie steht fest: Gewisse Rahmenbedingungen müssen passen, aber betroffene Vereine sollen nicht noch doppelt bestraft werden. „Wir verhängen keine Strafen, wenn in der Ausweichhalle nicht alle Vorgaben perfekt erfüllt sind“, sagt Müller-Behrends. Auch bei kurzfristig nötig werdenden Spielverlegungen finde man für gewöhnliche eine Lösung.

Neben dem Verständnis, das der Verband aufbringt, hat er aber auch selbst die Initiative ergriffen, um Flüchtlingen zu helfen: „Schon im März haben wir eine Spendenaktion gestartet“, erzählt die Verbands-Mitarbeiterin. Original verpackte, aber mit alten Logos bedruckte Volleyball-Artikel wie Sporttaschen und Sportbekleidung wurden an die Caritas Mörfelden gespendet.

Keine einfache Aufgabe

„Herausforderung“ ist ein Wort, das Erik Koppenhöfer gerade häufig benutz. Denn der Clubmanager und Bundesliga-Trainer des Frankfurter Hockey-Clubs muss derzeit eine organisatorische Meisterleistung vollbringen: Seit Wochen ist die eigentliche Trainingshalle an der Frankfurter Franz-Böhm-Schule mit Flüchtlingen belegt. Langfristiger Trainingsausfall konnte – dank Unterstützung der Stadt Frankfurt – vermieden werden. Und trotzdem: „Unsere Mannschaften trainieren derzeit in zehn Hallen, ständig müssen wir die Schlüssel hin- und hertauschen. Außerdem sind die Bedingungen nicht überall gleich – für Hockey brauchen wir eben richtige Banden und Tore und auch der Boden muss passen.“

Trotz allem klingt Koppenhöfer nicht verbittert: „Wir haben Verständnis dafür, dass die Flüchtlinge jetzt vorgehen. Wir versuchen also, das Beste daraus zu machen.“ Das ist, gerade beim Bundesliga-Team, dann doch eine Herausforderung – schon allein finanziell: „Normal kommen zu jedem Heimspiel 800 Leute, in unsere derzeitige Halle passen gerade mal 300 rein“, erzählt Koppenhöfer. Auch die eineinviertel Stunden Training, die seinem Team an manchen Tagen gerade mal zustehen, sind dann doch etwas wenig.

Die Lösung: „Wir fahren viel zu Trainingsspielen, versuchen zu Hause nur die Standardsituationen zu trainieren.“ Koppenhöfer hofft jetzt vor allem auf das Wohlwollen des Deutschen Hockey-Bundes. Er wisse nicht, ob im Falle einer Spielabsage eine Strafe drohe. Bisher hat dann doch immer alles hingehauen.

Mit Fußball die Sprache lernen

Knapp 30 Passanträge hat Daniel Klimpke in den letzten Wochen und Monaten bearbeitet. 30 Passanträge für Flüchtlinge, die im SV Wisper Lorch nicht nur mitkicken, sondern auch beim Spielbetrieb mitmachen wollen. „Ein toller Erfolg“, findet Klimpke. Sein Verein hat gute Erfahrung in Sachen Integration. Schon während des Jugoslawien-Kriegs haben im SV Wisper viele Flüchtlinge eine sportliche Heimat gefunden. Das sollte jetzt wiederholt werden.

14 bis 27 Jahre sind die jungen Männer alt, die sich dem Verein angeschlossen haben. „Sie sind stolz, in unserem Trikot aufzulaufen“, erzählt Klimpke. Der Stolz geht aber über den Spielfeldrand hinaus: „Wir führen mehrmals im Jahr eine Säuberungsaktion rund um den Sportplatz durch – da haben die Flüchtlinge gleich mit angepackt“, berichtet er stolz. Trotz dieser Erfolge treten immer mal wieder Verständigungsschwierigkeiten auf. Deutsche Spieler haben daher ein Fußball-Wörterbuch angeregt. Es ist noch in Arbeit und soll die wichtigsten Begriffe der Sportart auf Deutsch, Englisch, Albanisch und Arabisch auflisten. „Es ist gar nicht so leicht, weil wir die arabischen Schriftzeichen auch in Lautschrift darstellen müssen“, sagt Limpke. Er ist trotzdem optimistisch, dass aus dem Projekt was wird. Die Flüchtlinge, die schon Deutsch und Englisch sprechen, helfen nämlich tatkräftig dabei mit.

Organisatorische Meisterleistung

Die TSG Oberursel ist eine Handball-Hochburg: 17 Mannschaften trainieren und spielen über die Woche verteilt in zwei Hallen. Oder besser: spielten. Denn ein Wochenende änderte alles. „Eigentlich“, sagt Geschäftsführerin Jutta Stahl, „sollten montags Flüchtlinge in unsere Halle einziehen. Sonntags wollten wir noch den Spieltag durchziehen.“ Es war Samstag, 23.30 Uhr, da erfuhr die Geschäftsführerin, dass der Plan sich geändert hatte: Der Spieltag könne nicht mehr stattfinden, hieß es dann.

Es folgten Telefonate, SMS, WhatsApp-Nachrichten. Sonntagmorgen standen 40 Leute auf der Matte, um alles auszuräumen, was der Verein braucht: von Trainingsgeräten bis zu Küchenutensilien. „Es war eine Mammutaufgabe“, sagt Stahl heute. Doch irgendwie schaffte sie es, dass alle Sonntagsspiele an anderer Stelle stattfinden konnten.

Die Geschäftsführerin freut sich über die Solidarität der anderen Verein: Selbst Ligakonkurrenten haben Hallenzeiten angeboten, alle sind zusammengerückt. „Enger als jetzt geht es nicht mehr“, lacht Stahl. Die Handballspieler und -trainer müssen nun längere Fahrtzeiten und andere Trainingszeiten in Kauf nehmen. „Aber es gab keine Beschwerden, keinen Austritt“, sagt Stahl stolz.

Klar, frage man sich: „Warum wir, warum hier?“ Doch lange sollte man sich nicht mit solchen Fragen aufhalten. „Man akzeptiert und fängt an zu organisieren.“ Bei allen Herausforderungen („als Hauptamtliche kann ich die natürlich leichter stemmen als ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter“) ist es für sie zunächst keine Option, die Runde auszusetzen. Stahl glaubt daran, dass der Verband Verständnis hat, dass im Notfall auch mal eine Ligarunde mit einem Team mehr gespielt werden kann. 


  • Sport hilft bei der Integration - von Anfang an (Quelle: IdS-Archiv)
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