Das Katjes-Projekt - Mehr als ein Fahrradkurs für Migrantinnen

"Mein Leben hat sich verändert!" Sida, die jetzt ihr Kind immer zum Kindergarten mit dem Fahrrad fährt, sagt uns, dass der Kurs ihr Leben verändert hat... ///

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Regensburg, Mittwoch, 10.00 Uhr morgens. Sechs Frauen treffen sich an der städtischen Sportanlage Ost und warten auf die Trainerinnen des Fahrradkurses, der Dank des DOSB „Katjes-Projektes“ für Migrantinnen in Regensburg realisiert werden kann. Die Trainerinnen freuen sich über die rege Nachfrage. Nachdem die wichtigsten Daten der Teilnehmerinnen die aus der Türkei, aus Afghanistan und aus Brasilien stammen aufgenommen sind, erklären die Trainerinnen den Ablauf des Kurses.

Die Teilnehmerinnen nehmen aufgeregt ein Lern-Fahrrad entgegen. Die Trainerinnen versuchen sie zu überzeugen, dass diese Lernräder am Anfang besser geeignet sind. Man kann sie mit wenigen Handgriffen zu Laufrädern umbauen und damit leichter den Gleichgewichtssinn üben. Einige Teilnehmerinnen greifen doch lieber gleich zu einem „richtigen“ Fahrrad. Die letzten persönlichen Einstellungen am Rad werden vorgenommen. Haben  Lenker und Sattel die richtige Höhe? Dann sind alle bereit für die ersten Radfahrübungen.

Auch für die Trainerinnen ist dieser Moment jedes Mal spannend. Schnell zeigt sich, dass wirklich alle Frauen echte Anfängerinnen sind.

Erste Aufgabe - Rollen und Lenken: Gemeinsam wird nun doch mit den Laufrädern unter Anleitung angefangen zu üben. Einige Frauen müssen sich ziemlich abmühen, für sie ist es auch eine ungewohnte körperliche Anstrengung und auch die Trainerinnen sind nicht untätig. Sie rennen nebenher, geben Tipps, rufen begeistert, wenn es gut klappt, feuern an und freuen sich, dass wirklich alle so engagiert mitmachen. Die Stimmung wird immer fröhlicher und gelöster. Durch die gemeinsame körperliche Betätigung kommen sich Teilnehmerinnen und Trainerinnen ganz unkompliziert näher und lernen sich kennen. Alle sind außer Puste, aber haben viel Spaß miteinander.

Während einer kurzen Pause erzählen manche Teilnehmerinnen von ihren Erfahrungen mit dem Fahrrad. Die Türkin erzählt, dass es in der Türkei bei sehr strengen Familien für Mädchen verpönt war, Fahrrad zu fahren, da der Sattel als unkeusch galt. Die Teilnehmerin aus Brasilien berichtet, dass sie schon seit ihrer Kindheit den Traum hat, Fahrrad zu fahren, sie aber nie die Möglichkeit hatte, da ihre Familie kein Fahrrad besaß. So geht die erste Stunde des Kurses sehr positiv zu Ende.

Tatsächlich kommen dann alle Teilnehmerinnen in der darauffolgenden Woche wieder. Zwei Frauen haben ihr Kind dabei, aber der Sportplatz ist dafür ideal. Die Pforten sind zu und die Kinder können sicher und frei herumtoben. Alle legen gleich los. Die Frauen fahren jetzt schon selbständig mit den Laufrädern. Sie versuchen sich mit Schlangenlinien und Bremsübungen.

Ziel in Sicht: Bei einigen klappt es so gut, dass die Trainerinnen dem Wunsch der Frauen nachkommen, sie endlich auch treten und „richtig“ Radfahren zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt wird es für die sie richtig anstrengend. Sie halten und stützen, rennen mit und hoffen, dass niemand stürzt. Und dann endlich, Sida die Frau aus Brasilien fährt alleine, niemand muss sie halten, sie ist die Erste, die es kann!

Jeder der seinen Kindern das Radeln gelernt hat, weiß, wie stolz man ist, wenn es endlich klappt. Da macht es keinen Unterschied, dass alle erwachsen sind. Das ist genau die gleich Freude, wie bei Kindern. Sida strahlt, die anderen jubeln und applaudieren. Sida radelt eine Runde nach der anderen und ist nicht mehr zu bremsen.

Erstes Ziel erreicht: Nach mehreren Übungseinheiten können fast alle Teilnehmerinnen selbständig auf dem Fahrrad fahren und den Sportplatz umkreisen. Bei manchen ist alles noch ein wenig wackelig, aber der erste Schritt ist getan. Leider lässt ab dann bei einigen Frauen die Begeisterung nach und sie kommen nicht mehr zum Kurs. Obwohl es wichtig wäre, gemeinsam weiter zu üben, um auch den nächsten Schritt zu schaffen, am Straßenverkehr teilzunehmen. 

"Mein Leben hat sich verändert!" Sida, die jetzt ihr Kind immer zum Kindergarten mit dem Fahrrad fährt, sagt uns, dass der Kurs ihr Leben verändert hat. Die beiden Türkinnen, die sich mit ihren Familien zu unserem gemeinsamen Fahrradausflug anmelden, die vielen Gespräche, die sich mit unseren Teilnehmerinnen ergeben haben und der große Spaß den alle hatten, motivieren und bestätigen, dass sich der Einsatz gelohnt hat.

Parallel zum geschilderten Vormittagskurs findet am Montagnachmittag ein weiteres Angebot statt, um möglichst vielen Frauen einen geeigneten Termin zu bieten. Hier lassen sich ähnliche Geschichten erzählen. Und wir kommen zu den gleichen Ergebnissen.