Er weiß, was „schieflaufen kann“

Eduard Marker ist Integrationsbeauftragter des Heidenheimer SB. Der gebürtige Kasache hat selbst erlebt, was es heißt, in der Fremde neu anzufangen

 

Eduard Marker, Foto: HSB
Eduard Marker, Foto: HSB

Eduard Marker kann nach eigenen Worten gut einschätzen, wie sich Menschen fühlen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, um sich hier niederzulassen. Mit allen Hindernissen, die das mit sich bringen kann. Denn auch der 48-Jährige vom Heidenheimer SB ist nicht hier geboren. Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam er 1993 im Alter von 18 Jahren mit seiner Familie aus Kasachstan zunächst nach Berlin – die Zeit dort war alles andere als einfach. Auch weil er selbst Fehler gemacht habe, erklärt Marker. „Wenn ich Migranten erzähle, wie sie das richtig anstellen, ist das anders, als wenn ein Sozialpädagoge das erzählt.“ Ein Pädagoge habe zwar studiert, die Erfahrung womöglich aber selbst nie gemacht. Marker engagiert sich beim rund 4300 Mitglieder großen HSB schon viele Jahre lang, um jungen Menschen über den Sport bei der Integration zu helfen. Das gelang unter anderem mit dem Projekt „respect2gether“, das im Rahmen des Programms Integration durch Sport (IdS) finanziell gefördert wurde. Dabei wurden besonders Straßenfußball und die russische Kampfsportart Sambo angeboten. IdS ist ein Bundesprogramm des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), das durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert und in Baden-Württemberg vom WLSB in Kooperation mit dem Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) umgesetzt wird. Seit 2021 trägt Marker auch den Titel eines ehrenamtlichen Integrationsbeauftragten des Vereins. Die Bezeichnung sei eine große Hilfe für sein Engagement, sagt er. „Diese Arbeit hat dadurch viel Präsenz bekommen.“

 

Niederschwellige Angebote

 

Mittlerweile fasst der HSB seine Integrationsarbeit in der ebenfalls vom IdS geförderten „Abteilung für integrative Sportarten“ (a. f. i.s.) zusammen. Dort können zugezogene und geflüchtete Menschen zunächst an offenen Angeboten des Vereins teilnehmen, ohne gleich Mitglied werden und Beiträge zahlen zu müssen. So wird die Hemmschwelle beim ersten Kontakt niedrig gehalten. Zudem haben sich alle regulären Abteilungen dazu verpflichtet, aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche unentgeltlich bei sich Sport treiben zu lassen. Mitgliedsbeiträge werden erst fällig, wenn sie ein Teilhabepaket haben, sagt Marker. Er ist dabei derjenige, der Vieles koordiniert. „Meine zentrale Aufgabe ist es, Netzwerke zu schaffen,“ erklärt er. Das mache ihm Freude. Außerdem habe er selbst – vor allem in seinen zehn Jahren in Berlin – erlebt, was so alles „schieflaufen kann“. Er sei den ganzen Weg von „unten“, das heißt mit Sozialhilfe zu leben, bis nach „oben“ gegangen. Denn auch ihm selbst habe das IdS geholfen.

 

Sport baut Barrieren ab

 

Marker arbeitete zunächst als Gebäudereiniger, ist aber mittlerweile Teamleiter Dienstleistungen & Handwerk bei der Heidenheimer AWO. Der Kontakt zur AWO war zunächst über seine ehrenamtliche Arbeit im HSB zustande gekommen. Er hat vom Ehrenamt also auch beruflich profitiert – und das will er auch bei seinen Jugendlichen erreichen: über den Sport in die Gesellschaft hineinzuwachsen. Denn Sport habe ein großes Integrationspotenzial, findet Marker, weil die Regeln im Prinzip überall auf der Welt gleich sind – ob es Fußball, Handball, Sambo oder irgendetwas anderes ist. Man muss also nicht unbedingt dieselbe Sprache sprechen, um miteinander Sport treiben zu können. „Sport ist eine super Möglichkeit, Barrieren zu überwinden“, findet Marker. So gibt es in der Sambo-Abteilung auch eine von Anastasia Weber geleitete Tanzgruppe für Mädchen. In einer Aerobic-Gruppe trainieren ukrainische Frauen unter der Anleitung von Alena Zhavoronkina. Der Sport helfe ihnen, besser mit ihren zum Teil traumatischen Erlebnissen und den Sorgen um ihre Männer zurecht zu kommen, erklärt Marker. Später, wenn sie etwas Deutsch könnten, sei es dann leichter, sich einer regulären Vereinsabteilung anzuschließen. Wegen der Zuwanderung nach Deutschland sei es wichtig, auch für das ehrenamtliche Engagement in den Vereinen mehr Menschen mit Migrationshintergrund zu gewinnen. „Vor allem müssen Anreize geschaffen werden, Leute zu gewinnen, die sich selbst erfolgreich integriert haben“, meint Marker. Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale seien da wichtige Instrumente. Im HSB gebe es viele Menschen, die ausländische Wurzeln haben und sich für den Verein engagieren. Davon könne man nicht genug bekommen.

Matthias Jung


  • Eduard Marker, Foto: HSB
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