Helfende Hände – nicht nur im Hintergrund

Fünf von vielen guten Beispielen, wie Sportkreise ihre Vereine beim Umgang mit der Flüchtlingsthematik unterstützen.

Auch beim Thema Flüchtlinge kann der Sport auf freiwillige Helfer vertrauen (Quelle: IdS-Archiv)
Auch beim Thema Flüchtlinge kann der Sport auf freiwillige Helfer vertrauen (Quelle: IdS-Archiv)

In 13 von 23 hessischen Sportkreisen sind keine Flüchtlinge in Sporthallen untergebracht – das ist eine der Haupterkenntnisse einer lsb h-Umfrage bei Sport- und Landkreisen, die Mitte November durchgeführt wurde (siehe Seite 3). Es ist eine gute Nachricht. Vor allem für die Flüchtlinge, für die es in den Hallen kaum Rückzugsmöglichkeiten und so gut wie keine Privatsphäre gibt. Es ist aber auch eine gute Nachricht für die zahlreichen Sportvereine, die ihre Sportstätten brauchen – für den normalen Trainingsbetrieb ebenso wie für die wichtige Integrationsarbeit.

Dass man Flüchtlinge einbeziehen muss, um ihnen ein Ankommen in der Gesellschaft zu erleichtern – das sehen die  meisten Vereinsverantwortlichen so. Häufig aber fehlen der Mut und das Wissen, wie dieses Projekt angegangen werden soll. Vielerorts sind es die Sportkreise, teils in Zusammenarbeit mit Landessportbund oder Sportjugend, die hier Hilfestellung leisten. Wie diese aussieht, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab: Sind Flüchtlinge in Hallen untergebracht? Welche Anfragen gibt es vonseiten der Vereine? Und wie ist der Sportkreis personell aufgestellt? Einige Beispiele:

Frankfurt: Begegnungszentrum soll entstehen

Frankfurt ist eine Großstadt, multikulturell seit Jahrzehnten. Im Straßenbild fällt es kaum auf, dass in den vergangenen Monaten tausende Flüchtlinge hinzugekommen sind. Und doch ist es gerade diese Metropole, in der die Sporttreibenden besonders nah dran sind an den Asylsuchenden: In mehreren Hallen an acht Standorten sind derzeit Flüchtlinge untergebracht.

Der Sportkreis hat mit einem fünfteiligen Aktionsplan reagiert. Erklärtes Ziel des Vorsitzenden Roland Frischkorn: „Das sportliche Motto ,Die Welt zu Gast bei Freunden‘ tatkräftig umsetzen und mit Leben füllen.“ Wichtigstes Instrument ist die Einrichtung einer Koordinierungsstelle „Sport und Flüchtlinge“, die seit Oktober von Johanna Roos geführt wird. Ihre Aufgabe ist es, ein Begegnungszentrum in der Fabriksporthalle einzurichten. Dort sollen Geflüchtete bei verschiedenen Sport- und Kulturangeboten sinnvolle Beschäftigung finden und mit Frankfurter Bürgern in Kontakt kommen.

Darüber hinaus hat der Sportkreis seine rund 430 Mitgliedsvereine aufgerufen, Patenschaften für Flüchtlingsunterkünfte zu übernehmen. Über ein Spendenkonto sollen zudem nötige Materialien wie Sportbekleidung besorgt werden. Mit der Koordinierungsstelle wurde gleichzeitig eine wichtige Anlaufstelle geschaffen: Johanna Roos steht für Fragen bereit. Außerdem bündelt sie die Informationen, welche Vereine sich bereits engagieren oder es vorhaben. Auf der Homepage des Sportkreises stehen dazu Formulare bereit.  

Rheingau-Taunus: Langjährige Erfahrung

Manfred Schmidt, Vorsitzender des Sportkreises Rheingau-Taunus, ist dieser Tage viel unterwegs. Es sind schöne Termine für ihn, denn meist schaut er in lachende Gesichter.  „Wir haben beschlossen, Vereine, die in der Flüchtlingsarbeit besonders engagiert sind, aus den bescheidenen Mitteln des Sportkreises zu unterstützen“, erklärt Schmidt den Grund seiner Besuche. Er weiß, dass die Vereine oft jeden Cent brauchen können. Gleichzeitig geht es aber auch einfach um die Anerkennung des Geleisteten.

„Wir dürfen die Menschen nicht in ihren Flüchtlingsunterkünften versauern lassen“, sagt auch Schmidts Vorstandskollege Helmut Heisen. Sportangebote könnten Belebung in den Alltag der Asylsuchenden bringen und soziale Kontakte ermöglichen. Das hat der Sportkreis-Vorstand den Vereinen bei einer Informationsveranstaltung gemeinsam mit Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen nähergebracht.

Dabei ist die Ausgangslage im Sportkreis Rheingau-Taunus keine schlechte: Schon seit Jahren gibt es hier das Projekt „Gemeinsam Integration bewegen“, das sich an Menschen mit Migrationshintergrund wendete und nun auf Flüchtlinge erweitert wird. „Auf diesen Strukturen können wir aufbauen“, sagt Schmidt. Neue Ideen sind aber durchaus willkommen. So gibt es auf der Webseite des Sportkreises jetzt eine Pinnwand,  auf der Vereine noch brauchbare, aber nicht mehr benötigte Sportausrüstung suchen oder anbieten können. Geholfen werden soll damit den Flüchtlingen.

Kassel: Rein ins Trikot

Dass Flüchtlinge das Thema der Stunde sind, muss niemand mehr erklären. Mit so einem Ansturm hätte Roland Tölle, Vorsitzender des Sportkreises Region Kassel, dann aber doch nicht gerechnet: 250 Gäste kamen zur Informationsveranstaltung des Sportkreises und der Außenstelle Kassel des Landessportbundes. Einer der Referenten war Herbert Anacker von der Bildungsakademie des lsb h, er stellte das Modellprojekt „Raus aus dem Heim – rein ins Trikot“ vor.

Es richtet sich an Asylbewerber, die in den Erstaufnahmestellen in Wolfshagen (Pommernkaserne) und Niest/Rotte Breite (Sportbildungsstätte Sensenstein) untergebracht sind. Nach einer Abfrage der Interessen wurden vor Ort Sportangebote etabliert und Kurse „Deutsch als Fremdsprache“ angeboten. Außerdem haben beteiligte Übungsleiter die Chance, sich über die Qualifizierungsmaßnahme „Sport Interkulturell“ weiterbilden zu lassen.

Dass die Flüchtlinge aber auch selbst gerne mit anpacken, wurde bei der Umgestaltung eines ehemaligen Bundeswehrsportplatzes deutlich: Dank Eigeninitiative und kräftiger Hilfe der Asylbewerber wurde daraus ein schmucker Bolzplatz mit neuen Toren. Eingeweiht wurde er mit einem Fußballspiel, bei dem Flüchtlinge aus elf Nationen gegen eine nordhessische Prominentenauswahl antraten. „Das hat zu einer sehr positiven Stimmung unter den Flüchtlingen beigetragen“, sagt Anacker. Er hofft auf die Signalwirkung des Modellprojekts. Schließlich solle allen Neuankömmlingen wohnortnah ein kostenloses Sporttreiben ermöglicht werden.

Offenbach: Brücken bauen

„Sportvereine können bei der Integration von Flüchtlingen einen wichtigen Beitrag leisten. Und ich bin überzeugt, dass beide Seiten dabei gewinnen werden.“ Man merkt Erwin Kneißl an, wie ernst er diese beiden Sätze meint. Selbst wenn dem Integrationsbeauftragten des Sportkreises Offenbach die Arbeit auf diesem Gebiet derzeit fast zu überrollen scheint, ist er sehr stolz auf das Sportkreis-Projekt „Integration Direkt“. Ähnlich wie beim Sportjugend-Konzept der „Sport-Coaches“ werden dabei sogenannte Lotsen ernannt: Sie stammen aus den Sportvereinen, besuchen die Unterkünfte der Zuwanderer und  motivieren sie, zum Training zu kommen. Man könnte sagen: Die Lotsen sind Brückenbauer. 

Aus einigen Vereinen werden bereits erste Erfolge gemeldet und wichtige Erfahrungen weitergegeben.  So konnte der TGM SV / TGS Weiskirchen im Rodgau junge Leute für die Volleyballabteilung begeistern. Nach einem Aktionstag „Handball grenzenlos“ bei der TSG Seligenstadt konnten ein Syrer und ein Afghane in den Spielbetrieb integriert werden.

Der Sportkreis geht aber noch einen Schritt weiter: Er hat die Arbeit einer Koordinierungsstelle übernommen und stimmt kreisweit alle Integrationsmaßnahmen ab. Organisiert werden auch Seminare, die Migranten auf ihrem Weg ins gesellschaftliche Leben vorbereiten sollen. Es geht zum Beispiel um Familienleben, Sprache, Vereinsstruktur oder Ausbildung und Arbeit. Bei so viel Engagement kommt die Unterstützung durch die Stiftung Flughafen Frankfurt/Main in Höhe von 76.000 Euro gerade recht. Neben Geld, sagt Kneißl, sind aber auch Überzeugung und Herzblut nötig. Er hat beides – und zudem eine wichtige Erfahrung gemacht: „Integration klappt ganz einfach, sobald man beide Seiten zusammenbringt.“

Hochtaunus: Der Bedeutung angemessen

Bürgermeister, Landrat, Kreisbeigeordneter, lsb h-Vizepräsident – der Sportkreis Hochtaunus hat alle zusammengebracht, um gemeinsam über das Thema Sport und Flüchtlinge zu sprechen. Vorsitzender Norbert Möller hat dafür eine besondere Form gewählt: eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Das sei „der Bedeutung der Thematik angemessen“, fand der Sportkreisvorsitzende und freute sich über rund 150 Interessierte aus 81 Vereinen. „Im Sportkreis sind drei Großsporthallen geschlossen. An anderer Stelle wird überlegt, Flüchtlinge in den Umkleideräumen eines Sportplatzes unterzubringen“, erzählt  Möller. Das Thema sei also sehr präsent. „Mit der Pflichtveranstaltung wollte ich zeigen: Wir können euch Informationen und Hilfestellung geben.“

Außerdem wurde im Rahmen der Versammlung eine Resolution verabschiedet, in der die Vereine ihre Bereitschaft erklären, aktiv an der Integration der Flüchtlinge mitzuarbeiten. Gleichzeitig sprach man sich dafür aus, eine Koordinierungsstelle ähnlich der in Frankfurt einzuführen. Einen mit der Thematik vertrauten Mitarbeiter hätte man bereits  gefunden. Doch wie soll die 400-Euro-Stelle bezahlt werden? „Wir sind in Gesprächen mit einem örtlichen Sponsor“, sagt Möller hoffnungsvoll


  • Auch beim Thema Flüchtlinge kann der Sport auf freiwillige Helfer vertrauen (Quelle: IdS-Archiv)
    Auch beim Thema Flüchtlinge kann der Sport auf freiwillige Helfer vertrauen (Quelle: IdS-Archiv)