Integration durch Sport in Schleswig-Holstein: Rückblick 2013

Das vom Bundesinnenministerium geförderte Programm „Integration durch Sport“, das durch den DOSB und seinen Landessportverbänden seit 1991 bundesweit umgesetzt wird, war auch in Schleswig-Holstein 2013 recht erfolgreich. Seit 2001 erfuhr das Projekt „Sport mit Aussiedlern/Sport für alle“ eine bundesweite Erweiterung in der Zielgruppe. Obwohl die Bundesmittel seit 2006 sukzessive abgebaut werden, konnten wir mit 40 Stützpunktvereinen zusammenarbeiten und qualitativ hochwertige Qualifizierungsmaßnahmen durchführen.

Nach der 2007/2008 erfahrenen Evaluation, wurde 2012/2013 an einer Strategieentwicklung bundeseinheitlich gearbeitet. Als wesentliche Aufgabe wurde die Beratung und Begleitung von Veränderungsprozessen in Sportorganisationen im Zuge der Interkulturellen Öffnung festgelegt. Zudem sind Qualifizierungsmaßnahmen wie Sport Interkulturell oder das erstmalig durchgeführte Seminar im Bereich der Sportmanagement-Fortbildungen „Fit für die Vielfalt“ oder Tagungen/Großveranstaltungen zu nennen, die den neustrukturierten Zielen des Programms entsprechen. So haben wir zusammen mit den IdS-Kollegen/innen des Hamburger Sportbundes (HSB) ein Jahr lang eine Sportkonferenz „Kulturelle Vielfalt im Sport – Sind alle willkommen“ vorbereitet, die im frisch renovierten Haus des Sports des HSB am 19. April stattfand. Etwa 130 Gäste aus Sport, Politik, Beratungsarbeit und Migrantenorganisationen nahmen aktiv teil und erfreuten sich an den interkulturell gefärbten Szenen der Improvisationstheatergruppe „Hidden Shakespeare“. Neben Aydan Özogus, die als Integrationsbeauftragte für Hamburg auftrat, sprachen der Präsident des HSB, Günter Ploß und der LSV-Vizepräsident Wolfgang Beer über sportintegrative Zukunftsaufgaben in ihren Eröffnungsreden. Der gelungene Input-Vortrag von Prof. Dr. Sebastian Braun von der Humboldt-Universität Berlin zum Thema „Sportvereine zwischen interkultureller Öffnung und sozialer Schließung“ zeigte das Potenzial vor allem im Freiwilligensurvey auf. Die durchgeführten workshops, sowie die Expertenrunde zeigten anschließend nach einer bewegenden Pause duch Hidden Shakespeare, dass noch viel Potenzial für die interkulturelle Öffnung ungenutzt ist. Ein zielgruppenspezifisches Denken sei angebracht, da auch bei Menschen mit Migrationshintergrund in Lebensweisen und Interessen Unterschiede bestünden. Wichtig sei es, aktiv auf die Menschen zuzugehen und Ihnen die vielen Vorteile einer Vereinsmitgliedschaft aufzuzeigen. Genauso wichtig sei es aber auch, dass die Sportvereine sich Gedanken machten über ihre Angebotsstruktur (freizeitorientierte Kursangebote). Fazit der Konferenz war, dass eine stärkere Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund in den haupt- und ehrenamtlichen Funktionen des organisierten Sports notwendig sei, um deren bedürfnisse und Interessen besser vertreten zu können. Da etwa jedes vierte Kind in Schleswig-Holstein einen Migrationshintergrund besitzt, ist eine Konzeption und eine Veränderung der Struktur im organisierten Sport ein wichtiger Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Sportorganisationen. Dem Bedarf nach weiteren ehrenamtlichen Mitarbeitern/innen im Sportverein würde darüber ebenso nachgegangen werden können. Mit einer dritten und abschließenden Vorstellung des Improvisationstheaters "Hidden Shakespeare" endete die Sportkonferenz sehr amüsant und zumindestens hatten sportpraktisch betrachtet, einige Teilnehmer/innen die Tage danach Lach-Bauchmuskelkater. Durch einen regelmäßigen Kontakt zu den aktuell 40 Stützpunktvereinen in Schleswig-Holstein liessen sich auch die neu aufgestellten Ziele des DOSB-Programms besser mit den Konzepten und Methoden der Vereine abstimmen. Mehr als 240.000 Teilnehmertage zählte das Programm in Schleswig-Holstein bei Veranstaltungen, etwa 2.200 Teilnehmer/innen nehmen jede Woche an den durch IdS geförderten Angeboten der Vereine teil. Die Sportvereine konnten 570 neue Vereinsmitglieder aus den geförderten Projekten gewinnen. 105 Übungsleiter/innen sind aktiv, davon haben 73,5 % einen Migrationshintergrund. Die beliebtesten Sportarten sind Boxen (19 x genannt), Spiel, Sport, Gesundheit (15), Sambo/Ringen (10), offene Sportgruppe (11), Fitness (7), Wushu (6), Judo/Tae Kwon Do (5), Turnen (4), Tanzen (4). Aber es finden auch außergewöhnliche Sportgruppen im Inline- und Eishockey, sowie im Floorball statt. Insgesamt 427 Integrationsmassnahmen wurden in den Stützpunktvereinen durchgeführt. Knapp 60 % (2012 = 58,5 %) der Teilnehmenden in allen Gruppen hat eine Migrationsgeschichte. In den offenen Gruppen unserer freiwillig engagierten Mitarbeiter liegt er bei etwa 75 %. Der Anteil der benachteiligten einheimischen Teilnehmern wird jedes Jahr größer. Sehr viele Vereine haben auch bereits Integrationsbeauftragte benannt, die oft mit dem offiziell benannten Ansprechpartner in Personalunion aktiv im Verein für das Programm waren. Es zeigt sich, dass sich die Vereine meist mit zwei bzw. auch mit mehr Sparten an dem Programm beteiligen. Familiensport-Projekte sind positive kleine Anfänge, Sport für ältere Migranten kann noch kaum umgesetzt werden, weil es oft an den Angebotsstrukturen vor Ort mangelte. Um die Qualität der mobilen Programmarbeit mit dem Sportmobil, der Socceranlage und der Hüpfburg oder auch Klettergeräten des LSV-Spielepools zu sichern, wurde ein Frühjahrslehrgang durchgeführt und die Mobilisten wurden speziell interkulturell geschult. Zum Teil haben die etwa 40 Mobilisten selbst einen Migrationshintergrund und werden aktiv eingebunden in die durchgeführten Einsätze des LSV. Nach Schätzungen der Mobilisten hatte nahezu die Hälfte der rund 25.000 Besucher/innen einen Migrationshintergrund. Die jährlichen Großveranstaltungen, wie Tag des Sports, Tag der Integration und Sportfeste im Rahmen der Interkulturellen Wochen sind wichtige Ereignisse für die beteiligten Vereine/verbände, aber auch für die zahlreichen Teilnehmer/innen. Beim Tag des Sports hatten sich 10 Stützpunktvereine und 12 freiwillig Engagierte beteiligt. Die TuS Gaarden veranstaltete zum achten Mal ein internationales Städte-Turnier, seit 5 Jahren mit russischer Beteiligung aus Kiels Partnerstadt Kaliningrad/Sowjetsk. Der Stützpunktverein SV Makkabi Kiel setzte die Reihe der Samboveranstaltungen im Rahmen des Tag des Sports fort und unsere Socceranlage wurde durch den SHFV für ein offenes Mädchen- und Jungenturnier genutzt, an dem auch einige Projektmannschaften teilnahmen. Zudem wurden Boxen, Wushu, Tai Chi, Gorodki, Volleyball, Inline-Hockey, Streetdance, Tae KwonDo und Sambo präsentiert. Ein gelungenes interkulturelles Sport- und Spielfest wurde im Rahmen der Interkulturellen Wochen am 29.09. auch von der TuS Gaarden, u.a. Vereinen, zum dritten Mal organisiert. Die freiwillig engagierten Mitarbeiter/innen, die direkt im Programm uns unterstützen, organisierten zudem offene Sportangebote, in denen sie 352 Teilnehmende betreuen, wovon 79,5 % eine Migrationsgeschichte hat. Über diese offene Gruppenarbeit werden meistens junge Migranten angesprochen, die ansonsten nicht den Weg in den Sportverein finden. So wurde eine Frauensportgruppe und zudem ein Seniorensportprojekt in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Kiel gestartet. Das Thema der Willkommens- und Anerkennungskultur wurde in der Frühjahrstagung und dann auch noch einmal in der Landessportkonferenz Breitensport zum Thema „Kein Kind ohne Sport“ in dem von uns betreuten workshop eingebracht. Neben Patenschaften, Integrationsbeauftragten, sind auch die Nutzung der Potenziale zu nennen, z.B. die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Berührungspunkte haben wir auch mit beruflichen Integrationsgeschichten, nach Auslaufen einer Projektförderung „Ringen an Schulen“ konnte der Diplomsportlehrer Jury Stadnikov aus Kirgisien als Lehrer an den beruflichen Schulen Technik in Kiel seine Tätigkeit fortsetzen. Ein wichtiges Thema ist die Beratungsarbeit der Mitarbeiter/innen im Programm für interkulturelle Strukturprozesse in Sportvereinen und –verbänden. So finden nicht nur in den 40 Stützpunktvereinen Beratungen statt, sondern auch in Fach- und Kreissportverbänden und interessierten Netzwerken. Sensibilisierung, gegenseitige Akzeptanz, und Netzwerkarbeit sind unverzichtbare Bestandteile einer nachhaltigen Interkulturellen Öffnung (IKÖ) im organisierten Sport. Methoden dafür sind Qualifizierungsmaßnahmen, begleitende Öffentlichkeitsarbeit, ein Grundsatz- oder Positionspapier, Berufung oder Benennung von Integrationsbeauftragten, usw.. Die IKÖ ermöglicht die Nutzung von vielfältigen Kompetenzen und Ressourcen. Dabei sind beidseitig die Ressourcen sowohl bei Migranten als auch in den Sportorganisationen zu betrachten, um die Potenziale der Vielfalt einer Organisation zu nutzen. Nach einer Umfrage der Agentur „context“, die im Auftrag des DOSB die Landesreferenten im Bundesprogramm IdS befragt hatte, wie weit die IKÖ in den Organisationen sei, wollen sich die Institutionen weiter interkulturell öffnen, aber die Konzeption fehle. IKÖ gelte als Ziel für 2014 gemeinsam mit der Sportentwicklung und dem Breitensport. Die Konzeption von IKÖ solle nicht nur in Vereinen und Verbänden verbreitet werden, sondern auch innerbetrieblich. In einer Arbeitstagung im Dezember wurde daher ein gemeinsames Grundverständnis von IKÖ beschlossen: Als langfristig und offen angelegter Prozess ist Interkulturelle Öffnung Teil einer erfogreichen Integrationsarbeit im Sport. Die Sportorganisationen gestalten auf allen Ebenen ihren individuellen Veränderungsprozesse aktiv, bewusst und mit Unterstützung von Fach- und Prozessberatung. Innerhalb dieses Verständnisses geht es um die Sensibilisierung und Qualifizierung aller handelnden Personen sowie den Abbau von Zugangsbarrieren und die Wertschätzung von Vielfalt. IKÖ ist somit eine nachhaltige Strategie zur Entwicklung von Sportorganisationen. Bereits 2010 verabschiedete der LSV ein Grundsatzpapier zum interkulturellen Arbeiten, in dem auch wesentliche Teile des IKÖ-Prozesses angesprochen wurden. Diese Aufgaben gilt es, in nächster Zeit abzuarbeiten. Ausblick 2014 werden zusätzliche Projekte, die über "Katjes verbindet" für Migrantinnen und vom Bundesgesundheitsministerium, "ZuG - Zugewandert und Geblieben" für ältere Migranten gefördert werden durchgeführt. Die in Netzwerk-Partnerschaften mit Jüdischer Gemeinde, Türkischer Gemeinde oder Förde VHS, Arbeiterwohlfahrt, u.a. stattfindenden Sport-Programme werden in Stützpunktvereinen stattfinden, die ihre Hallenräume und Übungsleiter/innen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus wollen wir weitere Schwerpunkte neben der Qualifizierungs- und Beratungsarbeit in Projekte setzen, die spezifische Zielgruppen erreichen, die bisher nicht erreicht wurden.


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  • Herr Wienholtz
  • Helfer machen Seestern fest
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