Let’s move! – Mädchen, Sport und Integration. Sportvereine und Jugendhilfeträger im Dialog

„Die heutige Veranstaltung steht ganz im Zeichen der Kooperation zwischen Sport und Jugendhilfe.“ Mit diesen Worten hieß der Präsident des Landessportverbandes Baden-Württemberg e. V. (LSV) Dieter Schmidt-Volkmar, die 85 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung „Let’s move!“ – Mädchen, Sport und Integration – Sportvereine und Jugendhilfeträger im Dialog, am 21. Januar 2011 im SpOrt Stuttgart herzlich willkommen.

Zu dem Fachtag hatten das Programm „Integration durch Sport“ des LSV Baden-Württemberg e.V. und die Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik Baden-Württemberg (LAG) gemeinsam engagierte Vertreter des Sports und der Jugendhilfe eingeladen.

Der LSV-Präsident führte weiter aus, dass der Sport inzwischen als außerschulischer Bildungsträger anerkannt ist und über ihn wichtige persönlichkeitsbildende Kompetenzen erworben werden können. Ähnlich äußerte sich Ulrike Sammet, Geschäftsführende Referentin der LAG Mädchenpolitik Baden Württemberg. Für sie bietet der Sport zusätzlich neue Bewegungsräume und Zugänge zu innovativen Sportkonzepten für Mädchen und junge Frauen.

In ihrem Impulsreferat stellte die diplomierte Sozialpädagogin Diana Emberger von der Deutschen Sporthochschule Köln die Hintergründe von Bewegung, Sport und Integration von Mädchen und jungen Frauen vor. In der anschließenden Talkrunde berichteten Atika Bouagaa, Yasemin Bay und Sharon Luppold, drei Frauen mit Migrationshintergrund, von sich und ihren Erfahrungen mit „Sport“ und „Integration“. Der begünstigende Faktor für das Sporttreiben und die sich daraus ergebenden integrativen Impulse waren bei allen dreien die Eltern, die dem sportliche Engagement nicht im Weg standen. Für Atika Bouagaa mit tunesischen Wurzeln, begann die Integration mit acht Jahren. Damals trat sie in Offenburg einem Volleyballverein bei. Ihr Talent führte dazu, dass eines Tages Vertreter des Deutschen Volleyballverbandes bei ihren Eltern vor der Tür standen und darum baten, ihre Tochter in ein Volleyballinternat nach Berlin zu schicken. Erst nach mehreren Treffen und der Abklärung verschiedener Fragen stimmten die Eltern dem Umzug ihrer Tochter zu. Das Volleyballinternat war dann auch der Start ihrer leistungssportlichen Karriere, die sie bis in die deutsche Volleyballnationalmannschaft führte. „Im Leistungssport ist Integration kein Thema. Es zählt die Leistung, die Herkunft ist unwichtig.“ Derzeit spielt die 28-Jährige bei Smart Allianz Stuttgart in der Bundesliga.
Yasemin Bay ist im Breitensport aktiv. Die Mutter zweier Kinder hat türkischen Migrationshintergrund. Sie hat verschiedene Sportarten im Verein ausprobiert und sich nach der Schule dazu entschlossen eine Sport- und Gymnastiklehrerinnenausbildung zu machen. Inzwischen betreut sie verschiedene Sportgruppen, an denen Frauen mit und ohne Migrationshintergrund teilnehmen. Dabei sieht sie sich als Brückenperson: „Auf der einen Seite bin ich Sportlehrerin, auf der anderen Seite kopftuchtragende Muslima. Der Zugang für mich zu türkischen und arabischen Frauen ist damit natürlich leichter.“ Sie hat keine Unterschiede bei den Sportmotiven zwischen Frauen mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt: „Die Interessen sind dieselben: Fitness, Körpergefühl, Gesundheit und der Eintritt in ein anderes gesellschaftliches Leben.“
Sharron Luppold mit afroamerikanischen Wurzeln kommt aus einer sehr sportlichen Familie. Genauso wie Yasemin Bay hat sie verschiedene Sportarten ausprobiert und entschied sich dann für das Tanzen. Inzwischen ist die 27-Jährige Erzieherin in einer Kinderkrippe tätig und nebenher in der offenen Jugendarbeit in Heidelberg mit verschiedenen Tanzprojekten für junge Mädchen aktiv: „Mädchen wollen sich auch in der Bewegung ausdrücken. Gerade in der sensiblen Phase des Erwachsenwerdens ist es sehr wichtig, ihnen diese Chance zu geben“, zeigt sie Berührungspunkte zwischen Jugendhilfe und Sportverein auf.
Diana Emberger ergänzt: „Der Schlüssel für eine erfolgreiche Arbeit liegt in der Sozialraumanalyse.“ Diese sollte gemeinsam mit den Mädchen und jungen Frauen gemacht werden. „Die Leitfrage dabei ist, was wollen die Mädchen und wie können wir das umsetzen“, so Emberger weiter. Läuft das Angebot dann über einen längeren Zeitraum kann es durchaus gelingen, die Mädchen an ein lebenslanges Sporttreiben im Verein heranzuführen.

Im Laufe der Diskussion wurde deutlich, dass der organisierte Sport und die Jugendhilfeträger aus demografischen Gründen Kooperationen werden eingehen müssen. Wie diese Kooperationen aussehen und wie Kooperationen für beide Seiten gewinnbringend gestaltet werden können wurde am Nachmittag in verschiedenen Workshops diskutiert. Der erste und entscheidende Schritt ist ein vorurteilsfreies sich öffnen, aufeinander zu gehen, ein Kennenlernen des Gegenüber und ein Ausloten der Kooperationsmöglichkeiten. Dabei sollen sich die Partner nicht „verbiegen“ müssen, die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, sollte vorhanden sein. Wie die Kooperation dann im konkreten Fall aussehen kann, ist abhängig von der Situation vor Ort und weiteren Rahmenbedingungen. Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht. Eine sehr wichtige Rolle spielt die Qualifikation und das Engagement von Pädagogen und Betreuern.

„Das positive Feedback auf die Tagung hat uns gezeigt, dass der Bedarf nach einem Dialog zwischen Sportvereinen und Jugendhilfeträgern besteht. Wir würden uns freuen, wenn sich aus den Kontakten, die sich jetzt ergeben haben auch konkrete Kooperationen entwickeln“, so Torsten Schnittker, Programmleiter „Integration durch Sport“ in Baden-Württemberg.


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