Niedersachsen feiert 30 Jahre Integration durch Sport

Die Stimme wird brüchig, der Blick geht ins Leere, Stille tritt ein. Der Versuch, den eigenen Lebensweg in Worte zu fassen, fällt sichtlich schwer. „Mein Name Mohammed war nicht nur ein Vorname, er war für viele Menschen ein Urteil“. Mohammed Nouali erzählt beim Podiumsgespräch von seinen Diskriminierungserfahrungen als er Anfang der 1990er Jahre als Geflüchteter in Deutschland ankam und ein halbes Jahr in Zügen übernachten musste. Mittlerweile hilft er selbst Menschen mit Fluchterfahrung und erhielt 2016 den Niedersachsenpreis für Bürgerengagement. Der Integrationshelfer von MTV Hildesheim ist neben Nevin Sahin (Türk Gücü Hildesheim), Iryna Geißl (SV Nordenham), Amin Al Kabali (SC Hainberg) und Manfred Wille (CVJM Wolfsburg) einer der Gäste, die beim Podiumsgespräch für emotionale Momente sorgen. Für sie alle ist der Sport nicht nur eine biografische Fußnote, sondern ein wichtiger Ankerpunkt im Leben. „Zuhause ist dort, wo ich mich wohlfühle. Der SV Nordenham hat mir viel Halt gegeben und ist zu meinem Zuhause geworden“, berichtet Iryna Geißl.

Zuvor hatte der LSB-Vorsitzende Reinhard Rawe in seinem Eröffnungsvortrag den Bogen von den Anfängen des Bundesprogramms bis zur Gegenwart gespannt. Bereits 1988 hat der LSB Niedersachsen eine Arbeitsgruppe „Sport und Spätaussiedler“ eingesetzt, die konkrete Maßnahmen planen und koordinieren sollte. Das Fachwissen dieser Arbeitsgruppe, der Reinhard Rawe, Karl-Heinz Steinmann, Wolfgang Wellmann und Manfred Wille angehörten, ist wesentlich in die Ausrichtung des Bundesprogramms in seiner Anfangsphase eingeflossen. Klare Worte fand Reinhard Rawe mit Blick auf gegenwärtige Tendenzen, Migration und Flucht für gesellschaftliche Spaltungen zu instrumentalisieren: „Es ist unsere Verpflichtung, jeden Menschen mit den Möglichkeiten des Sports zu unterstützen. Der LSB tritt allen rassistischen, antisemitischen und extremistischen Strömungen entschieden entgegen“.

Gerahmt wurde die zweitägige Veranstaltung von zahlreichen offenen Angeboten, die Raum für persönlichen Austausch und neue Eindrücke ließen. Neben sportlichen und spielerischen Aktionen gab es eine Filmvorführung und Bilderpräsentation. Das Künstlerkollektiv des hannoverschen Vereins „Linden Legendz“ sorgte mit seinen Reggae-Rhythmen für eine ausgelassene und feierliche Stimmung an beiden Tagen.

Durchaus kritische Töne fand zum Abschluss der Autor und Migrationsforscher Dr. Mark Terkessidis: „Der Begriff Integration hilft uns nicht mehr. Er ist moralisch aufgeladen, führt zu einer Unterscheidung zwischen «uns» und «ihnen». Jeder Dachverband, jeder Verein muss sich fragen, wie er auf die gesellschaftliche Vielheit ausgerichtet ist. Denn sie ist Realität“. Auch für die Gäste des Podiumsgesprächs waren die Botschaften und Haltungen hinter den Begriffen wichtiger als politische Kategorisierungen. Auf die Frage des Moderators Roy Gündel, was Integration für sie persönlich bedeute, antwortete Amin Al Kabali: „Integration ist für mich Geben und Nehmen. Jemandem die Hand reichen und helfen. Das habe ich beim SC Hainberg erfahren und dafür bin ich sehr dankbar“. Iryna Geißl ergänzte: „Man spricht nicht nur mit Worten, sondern auch mit einem Lächeln. Das öffnet Türen“.

Gündel dankte im Namen des LSB Niedersachsen allen Engagierten ausdrücklich für ihren oft langjährigen und unermüdlichen Einsatz. Ohne ihr Engagement wäre das Bundesprogramm nicht das, was es ist: ein Raum der Begegnung von Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Prägung – einer Begegnung mit Offenheit und Respekt.

Text: LSB Niedersachsen