Programm "Integration durch Sport" beim Fachkräfteaustausch in Sibirien

Die sibirische Stadt Tomsk ist eine Bildungs- und Wissenschaftsstadt. Sechs Hochschulen der unterschiedlichsten Fachrichtungen in einer Stadt, so groß wie Stuttgart. Sonst gibt es dort viel Natur. Eine Million Einwohner wohnen in einem Gebiet, so groß wie Deutschland. Eine der Hochschulen ist die Polytechnische Universität mit Verbindungen nach Karlsruhe, Göttingen und Kassel. Auch in Sibirien haben die Menschen mit Bewegungsarmut und Übergewicht zu kämpfen.

Wladimir Sinkow, der jüngste Gorodki-Weltmeister, zeigt sein Können (Foto: LSV)
Wladimir Sinkow, der jüngste Gorodki-Weltmeister, zeigt sein Können (Foto: LSV)

Für den Rektor der Uni und gleichzeitig Vorsitzender des Kreisverbandes für nationale und nichtolympische Sportarten, Prof. Pjotr S. Chubik, ist der Sport dabei eine Möglichkeit, die Volksgesundheit zu verbessern: „An meiner Universität müssen die Studenten zwei bis vier Stunden Sport in der Woche treiben. Das fördert nicht nur die Gesundheit. Die Studenten sind aufnahmefähiger und können besser lernen“. Ob das in Deutschland von der Studentenschaft akzeptiert werden würde? Das Programm „Integration durch Sport“ beim Landessportverband Bande- Württemberg (LSV) nahm aber nicht deshalb die lange Reise auf sich. Interessant ist diese Hochschule, weil der besagte Rektor 2003 an der Uni ein Sportinstitut gegründet hat. Dort können nicht nun seine Studentinnen und Studenten, immerhin 30.000, aus verschiedenen Angeboten wählen, sondern auch Sportlehrer ausgebildet werden. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf traditionellen russischen und nichtolympischen Sportarten, wie z.B. Gorodki oder Sambo. An der Uni und in andren Sportschulen in der Region Tomsk gibt es hochqualifizierte Trainerinnen und Trainer, Welt- und Europameister in diesen Sportarten. Um von deren Know How ein wenig zu profitieren und Wissen nach Deutschland zu transferieren, war der Grund der Reise.

Gorodki und Sambo als Integrationsmedium

Gorodki ist ein traditionelles russisches Zielwurfspiel. Sambo eine russische Kampfsportart die für „Selbstverteidigung ohne Waffen“ steht und die sich aus verschiedenen Stilen entwickelt hat. Beide Sportarten setzt das Programm „Integration durch Sport“ seit 2009 nicht nur in der Integrationsarbeit mit Spätaussiedlern, sondern alters-, geschlechts- und kulturübergreifend ein. Ziel dahinter ist, Menschen mit Migrationshintergrund mit ihrer Umgebung ein Stück vertrauter zu machen, einen Anker für Identifikation und Engagement zu setzen und informelle Bildung zu gewährleisten. Dies passiert vor allem dann, wenn die handelnden Personen vor Ort auch in die Organisation und Durchführung des Angebots eingebunden werden. Wie kürzlich in Schwäbisch Gmünd. Dort wurde eine freie Gorodkigruppe als Abteilung in die Strukturen des TSB Schwäbisch Gmünd eingegliedert.

Inzwischen gibt es neben Gmünd sieben weitere Standorte in Baden-Württemberg. Aber es gibt keine ausgebildeten Trainerinnen und Trainer, sportartspezifisches Know How ist nur sehr rudimentär vorhanden. Um dieses Wissensdefizit ein klein wenig zu beheben, reiste mit Unterstützung der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch (DRJA) eine neunköpfige Delegation mit Vertretern des LSV, aus Schwäbisch Gmünd, Öhringen, Heidenheim und Reutlingen zum Fachkräfteaustausch nach Tomsk. In mehreren Trainingseinheiten, Fachforen und zahlreichen Gesprächen mit TrainerInnen der Kindersportschule "Russ" sowie Lehrkräften der Universität wurden die deutschen Vertreter von der russischen Seite in methodische und didaktische Vermittlungsmethoden und technische sowie taktische Kniffe eingewiesen. Die deutsche Seite informierte die russischen Vertreter über das deutsche Sportsystem mit seiner ehrenamtlichen Basis. Ähnliches gibt es in Russland nicht. Dort fokussieren sich die Kinder- und Jugend-Sportschulen auf den Leistungs- und Spitzensport. Und das fängt bereits bei den ganz Kleinen an. In Tomsk gibt es 21 Kindersportschulen. Jede konzentriert sich auf eine andere Sportart. Eine breit angelegte, sportartübergreifende Ausbildung, wie in den deutschen Kindersportschulen gibt es selten.


Als nächster Schritt, um das Wissen über die beiden Sportarten in Deutschland zu erhöhen, ist ein Gegenbesuch durch eine Delegation aus Tomsk im September dieses Jahres nach Baden-Württemberg geplant. Im Mittelpunkt werden auch hier in einem Jugendaustausch die Trainings- und Vermittlungsmöglichkeiten von Gorodki und Sambo stehen.


  • Wladimir Sinkow, der jüngste Gorodki-Weltmeister, zeigt sein Können (Foto: LSV)
    Wladimir Sinkow, der jüngste Gorodki-Weltmeister, zeigt sein Können (Foto: LSV)