OFFENE ANNÄHERUNG

Sportvereinen wird von vielen Seiten eine unvergleichliche integrative Kraft zugeschrieben. Die unterschiedlichsten Menschen kommen mit ihren jeweiligen Interessen und Potenzialen zusammen, um gemeinsam Sport zu treiben. Aber wie funktioniert die Einbindung und Integration von Flüchtlingen in die Vereine vor Ort tatsächlich und vor allem, wie sehen die Flüchtlinge ihre Einbindung in die Vereine selbst?

Über 90 Minuten reger Austausch im „Hotel Franz“ in Essen - Foto: LSB NRW
Über 90 Minuten reger Austausch im „Hotel Franz“ in Essen - Foto: LSB NRW

Beim „Round Table“-Gespräch unter dem Motto „Im Sportland NRW eingebunden – Flüchtlinge kommen zu Wort“ gaben fünf junge Männer aus Syrien, Marokko und Ägypten Einblick in ihre Erfahrungen mit Sportvereinen in Deutschland. „Die Kontakte aus dem Sportverein, helfen mir bei der Integration. Ich kann so auch die Kultur der Deutschen besser kennenlernen und verstehen“, sagt zum Beispiel Yhia Sayed Khalil. Dabei lässt er sich von einer Dolmetscherin helfen. Allerdings macht er das nur bei komplizierten Sätzen. Sonst zwingt er sich selbst, Deutsch zu reden. Khalil kam erst vor gut einem Jahr aus Ägypten nach Deutschland. Er lebt in Zülpich und ist dort im TuS Chlodwig Zülpich 1896 als Volleyballer aktiv.

In dem Club kümmern sich Alexandra Menard und weitere ehrenamtliche Helfer um das Training mit den Flüchtlingen und noch mehr. „Wir bieten zusätzlich zu unserer wöchentlichen Trainingseinheit einen Sprachkurs an“, sagt Menard. Dieser beginnt eineinhalb Stunden vor dem Training. Ihre Erfahrung: Die Menschen sind froh, über jede Unterstützung auf dem Weg zur Integration in Deutschland. Doch auch der Verein profitiert. „Die Flüchtlinge beleben unseren Verein und sie bringen sich mit ihren Talenten auch bei uns ein“, sagt Menard. So wie Ismail Laghbaba. Der junge Marokkaner war in seiner Heimat Künstler. Aber nicht nur mit Farbe und Pinsel auch am Computer kann er wunderbare Bilder entstehen lassen. Und so hat er für ein Beachvolleyball-Camp des Vereins ein Logo für die entsprechenden T-Shirts entworfen.

 

DURCHHALTEN HAT SICH GELOHNT

Die Zülpicher Geschichte ist eine von vielen Mut machenden Erfolgsstorys zur Integration von Flüchtlingen aus den landesweit gut 19.000 Sportvereinen. Auch wenn bis zum Erfolg einige Hürden – Regelung der Beitragsfreiheit, Versicherungsfragen im Falle eines Unfalls etc. – übersprungen werden mussten. Das Durchhalten hat sich für Flüchtlinge und Vereine gelohnt.

Wie Laghbaba und Khalil bringen sich auch die anderen Männer in ihren Vereinen ein. Rami Knaan unterstützt die Schwimmtrainer der SG Essen am Beckenrand. Als gelernter Sportlehrer und früherer Leistungsschwimmer (Nationalmannschaft) bringt er sein Wissen in den Trainingsalltag ein und unterstützt ehrenamtlich die Vereinsarbeit. Auch Tarek Ali Moussa, ein Hüne mit tiefer Stimme, hilft beim Training seines Vereins. Als ehemaliger syrischer Basketballnationalspieler trainiert er heute mit seinem Wissen jugendliche Basketballer in Wuppertal.

Hekmat Mamos Einsatz im Postsportverein Bonn ging sogar noch weiter. Er hat im Rahmen eines Bundesfreiwilligen Dienstes ein Jahr lang dort mitgearbeitet. „Die Arbeit im Sportverein war für mich wichtig. Ich habe meine Sprachkenntnisse verbessert und viele nette Leute kennen gelernt“, sagt er. Und sicher hat ihm die Tätigkeit auch dabei geholfen, den Ausbildungsplatz zu finden, den er Anfang September angetreten hat. Auch wenn er dadurch weniger Zeit für den Verein hat, will er sich nicht ganz aus dem Vereinsleben zurückziehen. Zu wichtig sind ihm die Menschen dort geworden.

Für den Verein ist das Ende des Bundesfreiwilligendienstes von Mamo ein großer Verlust. „Er hat sich sehr bei uns eingebracht, war ein wichtiger Ansprechpartner für andere Flüchtlinge und hat für unsere Angebote auch in den Flüchtlingsunterkünften geworben“, sagt Katja Brender vom Postsportverein Bonn. Sie lässt keinen Zweifel daran: Hekmat Mamo hat für den Verein wichtige integrative Arbeit geleistet und durch den Sport in Bonn echte Freunde gefunden.

Fünf Menschen, fünf Schicksale, fünf Sportgeschichten – die Diskussionsrunde hat gezeigt: Vereine und Flüchtlinge passen sehr gut zusammen. Für beide eröffnen sich aus der regelmäßigen Begegnung miteinander neue Chancen und alle gewinnen. Dierk Menard vom TuS Chlodwig Zülpich 1896 hat dafür eine einfache Erklärung: „Wir sind uns beim Sport näher. Wir feuern uns gegenseitig an, zeigen uns etwas, lernen voneinander.“ Und das von Woche zu Woche. So sei der Kontakt intensiver – anders als bei einem einmaligen Begegnungscafé.


  • Über 90 Minuten reger Austausch im „Hotel Franz“ in Essen - Foto: LSB NRW
    Über 90 Minuten reger Austausch im „Hotel Franz“ in Essen - Foto: LSB NRW