Die Concordia rüstet auf – Integration als Chance erkannt

Seit der politischen Wende trainieren die Ringer des AV Jugendkraft Concordia Zella-Mehlis in der Werner-Seelenbinder-Halle auf dem Gelände der ehemaligen Kinder- und Jugendsportschule. Während der Sportplatz mit Unkraut überwuchert ist, die Fenster der alten Schule zugenagelt sind, der damalige Versorgungskomplex mit dem großen Speisesaal wie eine Ruine aussieht und der gusseiserne Werner Seelenbinder einsam auf seinem Sockel steht und mahnend in die Ferne blickt, tobt in der Sporthalle das Leben.

Die Mannschaftsringer des AV Jugendkraft Concordia Zella-Mehlis spielen Fußball zur Erwärmung. Die Luft in der Halle ist stickig, die Wände atmen seit Generationen den Schweiß der Athleten. Ringkampf ist ein harter Sport und so geht es denn auch beim Fußball nicht zimperlich zur Sache. Gerade ist ein junger Mann am Ball, umkurvt zwei gegnerische Spieler, legt ab, bekommt den Ball wieder, schießt und trifft das Mattenteil. „Tor!“, schreit er und läuft ohne weiteren Jubel wieder zurück in seine Hälfte – der Gegner greift schon wieder an. Der 18-jährige Tigran Woskanian ist neben Gagik Egiasarow und Arman Aliew der dritte Ausländer in Reihen der Zella-Mehliser, der den Sprung in die erste Mannschaft der Ringer geschafft hat und die kämpfen immerhin in der 2. Bundesliga.

 

Seit dem Jahr 2000 ist der AV Concordia einer von 21 Thüringer Stützpunktvereinen innerhalb des Programms „Integration durch Sport“. Seit dieser Zeit gelingt es dem Traditionsverein auf unnachahmliche Art und Weise, Kinder aus ausländischen Familien in den drei Abteilungen einzugliedern. Ob bei den überregional erfolgreichen Ringern oder bei der Frauen- und Mädchentanzgruppe Grazy Girls – das Integrationsmodell der Concordia hat Vorbildwirkung.

 

Begonnen wurde die Arbeit mit ausländischen Kindern vom Urgestein des Vereins, Klaus Schedler, der Ende der 90er-Jahre als Hausmeister im Asylbewerberheim der Stadt Suhl arbeitete und hier gezielt junge Spätaussiedler und Asylanten in den Trainingsprozess aber auch ins Vereinsleben integrierte. Ausgehend vom Problem-Wohngebiet Suhl-Nord war es dann sein Sohn, der hauptamtliche Trainer André Schedler, der versucht hat, sowohl in Schulen als auch in Kindergärten ausländische Kinder anzusprechen und für das Sporttreiben im Verein zu begeistern. „Im Zuge der normalen Sichtungsarbeit, beispielsweise an den Grundschulen innerhalb sozialer Brennpunkte, hat es sich ja regelrecht angeboten, auch die Kinder der Spätaussiedler in unsere Trainingsgruppen einzuladen.“, so Schedler.

 

Ab 2002 bot der Verein zusätzlich Schulsport-Arbeitsgemeinschaften an, die als Ergänzungssportstunden zwei Mal pro Woche durchgeführt werden. Einen Tag in der Woche besucht André Schedler den Integrativen Kindergarten in der Sommerau, wo er mit den Jüngsten Sport treibt. Nahmen anfangs sechs bis sieben ausländische Kinder am Training teil, so sind es heute je nach Fluktuation 20 bis 25 Mädchen und Jungen. Bei einer Gesamtmitgliederzahl von 113 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist das immerhin nahezu ein Viertel. Zusätzlich zur Trainingsmöglichkeit bietet der Verein all seinen jungen Mitgliedern ein aktives und vielseitiges Vereinsleben an.

 

Ein Mal im Jahr fahren alle Kids gemeinsam in ein von den Ehrenamtlichen der Concordia organisiertes Ferienlager. Auch bei den kommunalen Festen, bei der Kirmes und dem Fasching sind die jungen Ringer und Tänzerinnen nicht nur bei der Programmgestaltung voll dabei. Integration funktioniert beim AV Jugendkraft Concordia Zella-Mehlis weit über das eigentliche Vereinsleben hinaus. Der Verein ist wichtiger Partner im städtischen Gesellschaftsgebilde und längst in der Realität unserer Zeit angekommen, die von Bevölkerungsrückgang und damit verbundenen Folgen geprägt ist.

 

Die größten Schwierigkeiten der Zukunft sieht Schedler darin, den im Verein integrierten Jugendlichen nach der Schule eine ordentliche Alternative anzubieten. „Die Gesetzeslage ist umständlich. Die Ämter zahlen Ausländern lieber Sozialhilfe, als ihnen eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Wenn wir uns als Verein nicht stark machen würden, wären Gagik, Arman oder Tigran längst nicht mehr bei uns.“ Gagik macht zur Zeit sein Abitur am Sportgymnasium in Jena. Er verlor in der letzten Ringersaison nur zwei Kämpfe, Arman ist Schüler am Suhler Gymnasium und Tigran hat gerade eine Lehre als Kfz-Mechatroniker bei einem einheimischen Autohaus begonnen – und das ist gut so.