Durch’s Leben boxen

(ids) Das ehemalige graue Trafohäuschen in Weimar-West leuchtet jetzt in hellem Gelb. Auf dem Gelände drum herum spannt ein Volleyballnetz und der grüne Rasen lädt zum Austoben auf der Wiese ein. Die Funktion der Trafostation ist ähnlich geblieben. Damals wie heute wird hier Spannung herunter transformiert. Erst die Spannung zur Stromversorgung der umliegenden Plattenbauten, nun die Spannung der Jugendlichen aus dem Wohngebiet. Weimar-West ist „ein anerkannter Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf“ im Projekt „Soziale Stadt“. Oder kurz: Brennpunktgebiet.

Boxtrainer Thomas Elke trainiert und betreut seine Schützlinge nicht nur im Box-Quadrat.
Boxtrainer Thomas Elke trainiert und betreut seine Schützlinge nicht nur im Box-Quadrat.

Ein „zu Hause“ voller Achtung

Der Weimarer Boxsportverein hat vor gut zwei Jahren die Trafostation von der Stadtwirtschaft übernommen und mit dem Einsatz vieler Freiwilligen zu ihrer Trainingsstätte umgebaut. Rund 75 aktive Boxer - darunter auch sieben Mädchen - und vier Trainer haben hier ihre sportliche Heimat. Nicht sonderlich komfortabel, aber ihr „zu Hause“. „Die meisten kommen gleich nach der Schule hierher“ erzählt Trainer Thomas Elke. „Hier ist für viele Jungs der erste Anlaufpunkt. Bevor das Training beginnt, spielen sie noch eine Partie Tischtennis.“ Ein Anlaufpunkt mit klaren Regeln. Pünktlichkeit, Disziplin aber vor allem die Achtung vor dem Anderen ist Elke wichtig. „Hier reden sich alle Sportler untereinander mit ihrem Vornamen an. Und, ganz wichtig, hier wird deutsch gesprochen. Nur so lernen die Russen, Tschetschenen, Kasachen oder Albaner, die wir hier haben, auch unsere Sprache“ weiß Elke.

 

Mehr als „nur“ Sport

Zur Begrüßung und Verabschiedung schütteln alle Jungs dem Trainer die Hand und mit jedem von ihnen wechselt er noch zwei, drei private Sätze. Da ist der Gruß an die Eltern, die Frage nach dem Befinden – nach dem die gestrige Busfahrt vom Trainingslager zurück einem kleinen Boxer ganz schön zugesetzt hatte – oder die Mahnung, die Hausaufgaben nicht zu vergessen. Eins wird dabei deutlich: Hier geht es nicht „nur“ um das reine Sport treiben, hier steckt wahre Sozialarbeit dahinter, vor allem aber eine gehörige Portion Herzblut.

 

Mit seinen Boxern unterwegs

Seit 31 Jahren arbeitet der aus einer Boxerfamilie stammende Thomas Elke in seiner Sportart. Erst an drei Wochenenden in diesem Jahr war der dreifache Familienvater zu Hause, die restlichen mit seinen Boxern unterwegs. „Deutsche Meisterschaften, Nachwuchsturniere, Trainingslager - das bindet Zeit. Macht aber Spaß und ich bekomme ja auch viel von den Jungs zurück.“ Allein 2007 sprangen bisher vier Medaillen bei Deutschen Jugend- und Juniorenmeisterschaften für die Weimarer heraus, davon auch ein Titel. Ständig ist er auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, diese so wichtige Arbeit für die zumeist sozial benachteiligten, zum Teil auch kriminell gefährdeten Jugendlichen oder Spätaussiedler zu finanzieren. Stiftungen, Sponsoren, Projekte - Thomas Elke kümmert sich, damit es weiter geht mit dem Boxen in Weimar, damit sich seine Jungs zu Persönlichkeiten entwickeln. Der Blick über den Tellerrand, über Weimar und über das Boxen hinaus, zeichnet ihn aus. Während über den Verein in Weimar-Schöndorf ein neuer Stützpunkt aufgebaut wird, geht er mit seinen drei Trainerkollegen Andrej Izmajlov, Wolfgang John und Stephan Weißenborn auch nach Blankenhain an die Regelschule, um dort ein Boxtraining für die Jugendlichen anzubieten.

 

Über das Boxen hinaus

Doch beim Boxtraining allein bleibt es beim Weimarer Boxsportverein nicht. Der enge Kontakt zum Trainer lässt ihn auch schnell zum Partner und Betreuer in Lebensfragen werden. Sei das die organisierte Hausaufga¬ben¬be¬treuung, der Nachhilfeunterricht oder die Lehrstellenvermittlung. „Bisher hat über uns hier noch jeder einen Ausbildungsplatz bekommen, der das wollte“, ist Elke ein wenig stolz auf seine Vermittlung. Zu Recht. Weiß er doch, dass Boxen nicht alles im Leben ist, auch wenn sich „seine Jungs“ zumeist durchboxen müssen.


  • Boxtrainer Thomas Elke trainiert und betreut seine Schützlinge nicht nur im Box-Quadrat.
    Boxtrainer Thomas Elke trainiert und betreut seine Schützlinge nicht nur im Box-Quadrat.
  • (Bild: LSB Thüringen)
    (Bild: LSB Thüringen)