Hauptsache Job

Berufliche Qualifikation ist ein Schlüssel der Integration. Was Vereine und Verbände tun, um die Arbeitsmarktperspektiven Zugewanderter zu verbessern.

Das Projekt Gallus 1:1 für Ausbildung macht  junge Menschen "fit" für den Arbeitsmarkt (Foto: Sportkreis Frankfurt e.V./Jugend braucht Arbeit e.V.)
Das Projekt Gallus 1:1 für Ausbildung macht junge Menschen "fit" für den Arbeitsmarkt (Foto: Sportkreis Frankfurt e.V./Jugend braucht Arbeit e.V.)

Man sollte wissen, wovon man spricht. Aber manchmal ist das schwer zu sagen. Zum Beispiel in Sachen Arbeitsmarktintegration von Migranten: Schließt das Thema die Vermittlung sozialer Kompetenzen ein oder nicht? Das ist eine Frage der Perspektive. Jennifer Osthus nimmt die des Landessportbundes Niedersachsen ein. „Bei einigen Projekten unserer Vereine geht es um den Erwerb von Soft Skills wie Zuverlässigkeit, Selbstvertrauen, Disziplin oder Übernahme von Verantwortung. Diese Kompetenzen sollen die Chancen der Teilnehmer auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt erhöhen", sagt die Leiterin des Teams „Integration, Sport und Soziale Arbeit, Soziales" in Hannover. Aber: „Die eigentliche Arbeitsmarktintegration ist nicht Thema der Maßnahmen. Dafür wäre die Einbeziehung möglicher Arbeitgeber nötig."

Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund: Das ist ein sperriger Titel und ein unhandlicher Begriff, über die Soft-Skills-Frage hinaus. Meint man auch Projekte, in denen nicht ausschließlich Migranten gefördert werden? Im Folgenden: ja. Ist etwa auch von Initiativen für Jobsuchende die Rede, die auf deren soziokulturelle, nicht auf ihre berufliche Integration abzielen? Im Folgenden: nein.

So sperrig der Titel, so groß das Handlungsfeld: Laut aktuellem Mikrozensus des statistischen Bundesamts waren 2009 12,7 Prozent der seit 1950 Zugewanderten zwischen 25 und 65 Jahren arbeitslos, gegenüber 6,2 Prozent in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund; Zugewanderte haben auch viel häufiger keinen schulischen (14,0 gegenüber 1,8 Prozent) oder beruflichen Abschluss (42,8 zu 19,2 Prozent).

Lokale Initiativen des Sports leisten Beiträge, den großen Bedarf zu stillen. Legt man die Definition von Jennifer Osthus an – Einbindung der Arbeitgeberseite –, sind die LSB respektive die Stützpunktvereine des DOSB-Programms Integration durch Sport (IdS) an bis zu einer Handvoll Projekten pro Bundesland beteiligt. Die meisten werden durch Netzwerke umgesetzt: Verein oder Verband kooperieren mit freien, staatlichen und/oder privaten Trägern.

Die inhaltlichen Ansätze variieren ebenso wie die Zielgruppen. So werden der LSB Rheinland-Pfalz und das Jobcenter Mayen-Koblenz ab Juli versuchen, Langzeitarbeitslose mit passendem Profil für das Berufsfeld Sport zu gewinnen: Sie werden zu „Vereins- und Verbandshelfern" ausgebildet, um anschließend einen Dreijahresvertrag und eine entsprechende Stelle zu erhalten. Der Tus Gaarden als IdS-Stützpunktverein hat ähnliches auf lokaler Ebene initiiert, mit Mitteln aus dem Länderprogramm Soziale Stadt und der Landeshauptstadt Kiel, finanziell und beratend unterstützt vom Landessportverband (LSV) Schleswig-Holstein: Ein Diplomsportlehrer aus Kirgistan durchlief unter Federführung von LSV und Verein zwei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bevor er als hauptamtlicher Trainer die Koordination des TuS-Projekts „Ringen an Schulen" übernahm. Im Zuge des gleichen Projekts sind auch eine 400-Euro-Kraft und mehrere Honorar-Übungsleiter beschäftigt.

Die Adressaten der meisten Initiativen sind die Erwerbstätigen von morgen. Der niedersächsische Stützpunktverein SV 06 Lehrte hat eine IdS-geförderte integrative Fahrradgruppe eingerichtet, in der Kinder und Jugendliche strampeln und reparieren. Gerade die Älteren unter ihnen sollen sich zudem durch ein Bewerbungstraining angesprochen fühlen. Der TSV Benstorf/Oldendorf macht Schulabgänger in seiner „Offenen Boxgruppe" ebenfalls fit in Sachen Bewerbung.

Gezielte Vorbereitung dieser Art ist entscheidend, glaubt Helga Roos. Sie koordiniert für den Sportkreis Frankfurt ein Projekt, das der IdS-Partner zusammen mit dem Verein Jugend für Arbeit seit der Fußball-WM 2006 betreibt. „Gallus – 1:1 für Ausbildung" zielt darauf ab, jungen Menschen im Stadtteil – überwiegend mit Migrationshintergrund - Berufshilfe zu leisten, mehr oder weniger direkt. Roos sagt zum Thema Bewerbung: „Vielen Jugendlichen fehlt zunächst das Selbstbewusstsein, um ihre Fähigkeiten angemessen zum Ausdruck zu bringen. Ich versuche ihnen zu vermitteln, im Lebenslauf nicht ,ich spiele Fußball' zu schreiben, sondern ,ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr Vereinsspieler'. Daran können die Betriebe Teamfähigkeit und Kontinuität erkennen." Die Jungen und Mädchen würden schon beim Formulieren 5 Zentimeter größer.

Helga Roos und Kollegen begreifen die Ausbilder ebenso als Ansprechpartner wie die Auszubildenden. Sie informieren interessierte Betriebe über Fördermöglichkeiten, füllen entsprechende Anträge aus, betreuen sie nach erfolgreicher Vermittlung einer Praktikantin oder eines Azubis. Und sie versammeln alte und neue, große und kleine Unternehmen des Stadtteils auf Forumsveranstaltungen, um Austausch und Kooperationen zum Thema berufliche Qualifizierung anzuregen.

Damit setzt das Gallus-Projekt, ebenso wie etwa der Lehrter SV 06, der zu seinem Bewerbungstraining bisweilen auch die AOK oder einen türkischen Unternehmer als Berater einlädt, im Kleinen um, was Sebastian Braun dem Sport in Gänze nahe legt. Der Direktor des sportwissenschaftlichen Instituts der Berliner Humboldt-Universität, Fachmann für bürgerschaftliches Unternehmensengagement, empfiehlt aktiv und mit konkreten Vorhaben auf die Wirtschaft zuzugehen (siehe Interview des Monats), um sie für geographisch und thematisch größere Kooperationen auf sozialen Handlungsfeldern zu gewinnen - auch solche mit sperrigem Titel.


  • Das Projekt Gallus 1:1 für Ausbildung macht  junge Menschen "fit" für den Arbeitsmarkt (Foto: Sportkreis Frankfurt e.V./Jugend braucht Arbeit e.V.)
    Das Projekt Gallus 1:1 für Ausbildung macht junge Menschen "fit" für den Arbeitsmarkt (Foto: Sportkreis Frankfurt e.V./Jugend braucht Arbeit e.V.)