"Ich bin fürs Boxen geboren"

Willi Haase ist Schleswig-Holsteins (dienstältester Boxtrainer) Bamm, bamm, bamm. Willi Haase ist nicht zimperlich bei seinen Kommandos. Bamm, bamm, bamm – erinnert ein wenig an Mickey, den legendären Trainer von Rocky in dem gleichnamigen Kinofilm mit Sylvester Stallone. „Guck’ genau hin, was ich mache. Vor, vor, vor, dann stoßen.“ Willi Haase tänzelt wie ein junger Boxer und lässt dann seinen gar nicht ’mal so kräftigen Arm katapultartig vorschnellen. Bamm, bamm, bamm.

Der neunjährige Jan Michel staunt, beobachtet und versucht dann, genau so zu tänzeln wie sein Lehrmeister. Erst seit vier Wochen boxt Jan bei der FT Eintracht Rendsburg. Sein Trainer hat sich dem Sport seit fast 60 Jahren, allein seit 50 Jahren als Trainer, verschrieben. Willi Haase ist der (dienst-) älteste Boxtrainer Schleswig-Holsteins. Am 24. Mai wird er 76 Jahre alt.

Die Geschichte von Willi Haase geht so: Geboren 1933 in Rumänien (Bessarabien), führt den kleinen Willi mit seinen Eltern der Weg über Polen (Region Posen) 1947 nach Schleswig-Holstein. Da ist Willi 14 Jahre alt. Er bekommt in Rendsburg eine Lehrstelle als Maschinenbauer und wird schließlich für immer bleiben. In seinen Lehrjahren entdeckt er das Boxen für sich. Heute betont er: „Aktiv geboxt habe ich aber nur fünf Jahre lang.“ Der Beruf gewinnt an Bedeutung, Willi Haase besucht die Ingenieursschule, fährt später mit der Handelsmarine zur See. Aber er boxt auch erfolgreich, wird allein dreimal schleswig-holsteinischer Meister.

Ende der 50er Jahre macht Willi Haase seine Trainerlizenz. 50 Jahre in verschiedenen Vereinen sollen folgen: Er beginnt als Coach bei der FT Eintracht Rendsburg, es folgen der Boxclub Rendsburg oder der Box- und Judoclub Rendsburg. 2008 schließt sich dann der Kreis: Der BJC löst sich auf, Willi Haase und seine mittlerweile 30 Faust-Athleten schließen sich wieder der FT Eintracht an. „Der Sport ist einfach interessant“, sagt Haase. „Ich vergleiche das Boxen mit Ballett – es gibt viele Gemeinsamkeiten. Und ich bin einfach fürs Boxen geboren.“ Noch immer packt Haase dreimal pro Woche seine Sporttasche und stellt sich zu seinen Talenten in die Halle. Das größte Talent, das er trainierte, ist für ihn noch immer Halbweltergewichtler Artjom Daschyan, der im vergangenen Jahr in die Bundesliga zum Olympiastützpunkt Cottbus wechselte. Sieben Jahre feilte Haase an Daschyans Fähigkeiten, führte ihn zu fünf norddeutschen Meisterschaften. Wenn Haase den Fernseher anschaltet, sich Kämpfe von Klitschko ansieht, denkt er: „Da hat doch mit Boxen nichts zu tun, ist eine ganz andere Welt, hat nicht den Schwung und die Linie von Amateurboxen.“ Bubi Scholz war ein ganz anderes Kaliber, Max Schmeling sowieso. Der kam einmal 1953 als Ringrichter nach Rendsburg. Dem Star wurde ein gewisser Willi Haase vorgestellt, beide schüttelten sich die Hände. „Er war mein Vorbild“, sagt Haase. Haases Frau Felicitas wurde kein Box-Fan. „Sie sagt immer ,verschon’ mich!’“, sagt Haase und lacht. Auch sein Sohn und seine Tochter ließen die Fäuste nie fliegen. „Man muss beim Boxen seinen Schweinehund besiegen. Disziplin, eiserner Wille sind wichtig“, so Haase. Ohne ihn wäre das Boxen in Rendsburg kaum vorstellbar. Er brachte unzählige schleswig-holsteinische Meister hervor, engagierte sich für das LSV-Programm „Integration durch Sport“, bleibt aber doch bescheiden: „Mir reicht es, Leute zu finden, die Spaß an dem Sport haben.“ Tänzeln müssen sie und tanzen – und zwar nach seiner Pfeife: „Die Boxer müssen machen, was ich sage. Ärger gibt es dabei fast nie.“ So trainiert Misel Radic seit sieben Jahren. „Willi ist ein guter Trainer, ein guter Freund. Bei ihm wird nicht viel gequatscht“, sagt der 35-Jährige und drischt gegen den Sandsack, wieder und wieder. Willi Haase hält den roten Sack fest umschlungen und ruft seinem Schützling Kommandos entgegen. „Links, links, links, dann vor!“ Bamm, bamm, bamm.

Text und Fotos: Tamo Schwarz