Integration ist mehr als nur Mitspielen

Integration ist mehr als nur mitspielen

Diskussionsforum „Sport als Brücke der Integration“

 

„Integration im Sport läuft nicht irgendwie automatisch ab – nach dem Motto: „Mach mit und Du bist integriert“. Für Integration genügt es nicht, Menschen mit Migrationshintergrund am Übungsbetrieb zu beteiligen. Das ist sozusagen nur der erste Schritt, der die Grundlage schafft, auf der Integration vorangebracht werden kann. 

 

Dies ist nur eines von vielen Ergebnissen des 2.Diskussionsforums, zu dem die Sportjugend des Landessportbundes Rheinland-Pfalz Ende September nach Mainz eingeladen hatte.

 

 

Wenn Integration immer so einfach wäre... Als bei einem Schulaktionstag in einer Brennpunktschule mit vielen ausländischen Kindern diese für ihre Fußballmannschaft Fahnen malen sollten, musste es die türkische Flagge sein. Steht der Halbmond rechts oder links, ist ein Stern auf der Fahne, wenn ja, ist dieser rot oder weiß? Schwierig. Schließlich schlug einer der Jungs vor: Kommt wir malen die deutsche, herausgekommen ist dann die belgische Fahne.

 

Aber leider ist die Integration nicht immer so einfach wie in diesem Beispiel, weshalb die Sportjugend des Landessportbundes Ende September zu einem Diskussionsforum nach Mainz eingeladen hatte. „Integration im Sport läuft nicht irgendwie automatisch ab – nach dem Motto: „Mach mit und Du bist integriert“. Für Integration genügt es nicht, Menschen mit Migrationshintergrund am Übungsbetrieb zu beteiligen. Das ist sozusagen nur der erste Schritt, der die Grundlage schafft, auf der Integration vorangebracht werden kann“, stellte Werner Hölzer, Vorsitzender der Sportjugend, zu Beginn fest.

 

Nach Großworten von Dieter Noppenberger, geschäftsführender Vizepräsident des Landessportbundes und Roger Lewentz, Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport sowie dem Impulsreferat der Freiburger Wissenschaftlerin Elke Grimminger, setzten sich die mehr als hundert Gäste sowie das Podium mit dieser Beobachtung auseinander.

 

 

Sport vereint nicht an sich

Um ausländische Sportlerinnen und Sportler ins deutsche Vereinsleben zu integrieren, bedarf es mehr als der bloßen Zuteilung zu einer Mannschaft. „Sport vereint nicht an sich", mahnte Elke Grimminger vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. So komme es etwa im Spitzensport sehr schnell zu einer Integration - diese sei aber zunächst nur eine "funktionale": „Es geht lediglich darum, erfolgreich zu spielen und zu siegen", so Grimminger. Jedoch stehe der Breitensport nicht allen Menschen im gleichen Maße zur Verfügung. So seien als Voraussetzungen dafür, ob jemand in den Sportverein gehe, auch Herkunft, Bildung und soziale Schicht von Bedeutung. „Die wenigsten Chancen Mitglied in einem Sportverein zu werden, haben Mädchen mit Migrationshintergrund, die aus einer niedrigen sozialen Schicht stammen und die Hauptschule besuchen“, fasste Grimminger zusammen. Sie forderte die stärkere Beteiligung der Zielgruppe auf allen Ebenen der Vereins- und Verbandsarbeit. Und auch Noppenberger forderte die Vereine auf: „Unsere Sportvereine müssen Migranten ernsthaft für sich gewinnen wollen. Die Vereine sollten nach außen signalisieren: „Zu uns könnt Ihr kommen. Bei uns könnt Ihr nicht nur mitspielen, sondern auch mitreden“.

 

Persönliche Ansprache ist entscheidend

Das Entscheidende dabei ist die persönliche Ansprache. „Feiern Sie viele Feste und sprechen die Eltern an“, erklärte Monika Sauer, Vorsitzende der Coblenzer Turngesellschaft. Die CTG ist einer von knapp 30 Stützpunktvereinen des Programms „Integration durch Sport“ in Rheinland-Pfalz. Stützpunktvereine verfügen über ein vielfältiges Erfahrungswissen in integrativer und pädagogischer Arbeit mit Migranten, haben häufig umfangreiche Vernetzungen mit lokalen Organisationen (Schulen, Jugendämter, Kirche, Polizei,…) aufgebaut und zeichnen sich bereits dadurch aus, dass viele Vertreter der Zielgruppe der Migranten stark in die Arbeit eingebunden sind. Auch der Judosportverein Speyer hat sich schon vor Jahren dem Thema Integration in besonderer Weise angenommen und verdreifachte unter der Regie von Geschäftsführerin Gerlinde Görgen die Mitgliederzahl auf über 900. „Es bringt nichts, als Verein nur plakativ zu sagen: Wir sind offen für alle“, sagte Görgen. „Man muss vor Ort Beziehungen aufbauen, zu den Kindern, zu den Eltern.“ Görgen sprach in Kindergärten mit Erzieherinnen, informierte sich über Problemkinder und ging zu den Familien nach Hause.

Netzwerke aufbauen, Vertrauen schaffen, Vorurteile abbauen. Alles Forderungen, die an diesem Abend immer wiederkehrten – auch von Salim Özdemir, Vorsitzender des Ausländerbeirates der Stadt Mainz.

Manchmal sucht sich Integration aber auch selbst ihren Weg. Als Jugendliche war die Türkin Ebru Shikh Ahmad eine viel versprechende Schwimmerin. Bis der Vater, streng gläubiger Moslem, ihr den Sport im Badeanzug verbot. Eine Freundin nahm sie mit zum Karate. „Sie hat meinen Vater beruhigt: Keine Angst, da tragen alle lange Hosen und Jacken.“ Der Vater gab sein Okay. Ahmad wurde anschließend dreimal Europameisterin und kämpfte für deutsche Nationalmannschaft. Heute ist sie DOSB-Integrationsbotschafterin und diente in Mainz als lebendes Beispiel für gelungene Integration – wenn auch auf Umwegen.

 

Forderungen aus dem Vortrag von Elke Grimminger, Uni Freiburg

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Akzeptanz und Anerkennung von Zuwanderern als gleichberechtigte Teilnehmer im Sport

Explizite Entscheidung zur gleichberechtigten Einbeziehung einer bisher unterrepräsentierten Zielgruppe/gezielte Ansprache

Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Ebenen der Vereins- und Verbandsarbeit (Vorstand, Trainer, Betreuer,...)

Aufbau von Netzwerken, die die interkulturelle Arbeit unterstützen (z.B. Kooperationen mit Schulen, Trägern der Jugendhilfe,...)

Gezielte Rekrutierung/Ausbildung von Trainern, die für die sozialpädagogische Aufgabe „Integration durch Sport“ qualifiziert sind.

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Text und Fotos: Christof Palm