Karate und Koran schließen einander nicht aus: Die türkischstämmige Ex-Europameisterin Ebru Tüfenk

Ebru Tüfenk lebt für den Kampfsport. Zur Vielzahl von Titeln, die sie im Karate bereits geholt hat, gehört auch der der Europameisterin. Dabei kam sie vergleichsweise spät zu dieser Sportart. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr war Ebru nämlich begeisterte Schwimmerin. Ihre Mutter hatte sie mehr oder minder heimlich zum Training geschickt, der Vater sollte gar nicht so viel davon erfahren. Schnell war Ebru aber erfolgreich, sollte an Wettkämpfen teilnehmen – das Ganze ließ sich vor dem Vater nicht mehr verbergen.

"Mein Vater ist eigentlich ein recht moderner türkischer Mann. Immerhin arbeitet er als Hochschullehrer. Aber mit meinem Schwimmtraining war er nicht einverstanden", erzählt Ebru. Seine Tochter, die unübersehbar zur Frau wurde, sollte nicht im Badeanzug vor Männern – seien es nun Vereinskameraden, Trainer oder Kampfrichter – Sport treiben. Sein guter Ruf könnte darunter leiden, fürchtete der Vater.

 

"Durch den Sport hat man immer gleich eine Verbindung, da muss man nicht erst nach einem Thema suchen."

 

Ebru gab ihm zuliebe das Schwimmen auf. Das sei ihr keineswegs leicht gefallen und habe sie sehr traurig gemacht, sagt sie - wo sie doch ganz schön erfolgreich war. Anderthalb Jahre vergingen, Ebru war unzufrieden. Sie wollte wieder zum Sport gehen; wollte Gelegenheiten haben, dem Schulalltag und dem Alltag in ihrer türkischen Familie zu entfliehen. Eine türkische Freundin hatte die rettende Idee. "Sie hat zu mir gesagt: 'Ich bin beim Karate, da hast Du immer den Kimono an, langärmlig und mit langer Hose. Wenn ich das darf, dann darfst Du das bestimmt auch. Komm doch mal mit!’ Mein Bruder hat damals im gleichen Sportstudio Bodybuilding gemacht, wo meine Freundin trainierte. Es war also jemand aus der Familie da, um ein Auge auf mich zu haben - da konnte mein Vater nichts mehr einwenden!", erinnert sich Ebru schmunzelnd.

 

Ebru gerät richtig ins Schwärmen, wenn sie erzählen kann, wie positiv der Sport ihr Leben beeinflusst hat: "Ich bin viel rumgekommen durch die ganzen Wettkämpfe, habe Menschen aus aller Herren Länder kennen gelernt. Durch den Sport hat man immer gleich eine Verbindung, da muss man nicht erst nach einem Thema suchen. Das ergibt sich von ganz allein, Du bist ja unter Gleichgesinnten. Und natürlich lernst Du durch den Sport Disziplin, gerade beim Kampfsport."

 

"Bei uns im Dojo herrscht ein fifty-fifty Verhältnis – die Hälfte Jungs, die Hälfte Mädels!"

 

Seit zehn Jahren hat sie nun zusammen mit ihrem Mann ein Budo-Studio in Erlangen. Er ist übrigens Israeli – sicher auch keine alltägliche Verbindung. Besonders wichtig ist Ebru, dass auch viele Mädchen zum Training kommen. Sie ist unüberhörbar stolz, wenn sie sagt: "Bei uns im Dojo herrscht ein fifty-fifty Verhältnis – die Hälfte Jungs, die Hälfte Mädels!" Das hat, dessen ist sie sich bewusst, auch mit ihrer Wirkung als Vorbild zu tun. "Es kommen immer noch oft türkische Mädchen zu mir und sagen: 'Ebru, rede doch bitte mal mit meinen Eltern. Ich will auch Karate lernen. '", erzählt Ebru. "Und genau das machen wir dann: Wir reden mit den Eltern. Anfangs treffe ich oft noch auf Widerstände. Aber die halten meist nicht lange vor."

 

Regelmäßig bietet Ebru im Dojo an Wochenenden Selbstverteidigungs-Schnupperkurse speziell für Mädchen an. Sie sollen so unverbindlich mit dem Kampfsport in Berührung kommen und natürlich möglichst dabei bleiben. Denn, so findet Ebru: "Kampfsport ist prima für Mädchen. Du bekommst ein ganz anderes Selbstbewusstsein, gerade auch im Umgang mit Männern. Ich rede ganz anders mit Männern und Jungs als früher, meine Mädels auch. Du wirst gelassener, fühlst Dich nicht so schnell angemacht. Und selbst wenn, weißt Du genau, dass Du Dich gut wehren könntest."