„Man braucht eine Mischung“

Der Frankfurter Werber Lothar Rudolf lässt seine Anti-Rassismus-Initiative „Respekt“ vor allem von Prominenten repräsentieren. Dennoch hält er „wahrhaftige“ Botschafter für unverzichtbar.

Seit rund vier Jahren gewinnt Lothar Rudolf Botschafterinnen und Botschafter für die Initiative „Respekt“. (Foto: privat)
Seit rund vier Jahren gewinnt Lothar Rudolf Botschafterinnen und Botschafter für die Initiative „Respekt“. (Foto: privat)

Sie haben für Ihre Initiative „Respekt“ ein Team von weit über 100 Botschaftern zusammengestellt, wenn wir richtig gezählt haben.

Es sind inzwischen rund 300. 

300? Oha. Wie kommen Sie zu einer solchen Zahl?

Das hat mit der Historie von „Respekt“ zu tun. Unsere Agentur hat früher „Zico“ herausgegeben, ein Frankfurter Fußball-Fanzine. Anlässlich einer Geschichte über Rassismus im Fußball haben wir da 2007 ein Schild entwickelt und auf Sportplätzen aufgestellt – in der Art von „„Rasenplatz betreten verboten“, nur dass „Kein Platz für Rassismus“ darauf stand. Das Echo darauf war so positiv, dass ich beschlossen habe, einen Bildband mit Prominenten zu machen, die sich gegen Rassismus wenden: „100 Menschen, 100 Geschichten“. Und weil darin dann fast nur Männer vorkamen, haben wir im vergangenen Jahr „100 Frauen, 100 Geschichten“ nachgelegt. Die Bücher haben uns  weitere Türen geöffnet. Das Frauenbuch zum Beispiel haben wir schon mit der IG Metall gemacht, unser jetziger Partner, der auch einige Botschafter stellt.

Ein Mann, ein Macher

Lothar Rudolf ist Selfmade-Mann in Sachen Werbung und Kommunikation. Der Hesse, 1954 in der Rhön geboren, begann sein Berufsleben als Schriftsetzer in der Union Druckerei in Frankfurt – Schichtbetrieb, den er bald beendete, um beim Deutschen Fachverlag Karriere als Grafiker zu machen. Schon 1983 gründete er seine erste Agentur, seit 2001 führt er den Dienstleister Querformat Medienkonzept, mit dessen Team er vor vier Jahren das gemeinnützige Projekt „Respekt“ startete. Zehn bis fünfzehn Personen, seine Söhne Kris und Maik inklusive, arbeiten daran mit, großteils ehrenamtlich. Vor allem produzieren sie Film-, Ton- und Textmaterial, das auf www.Respekt.tv zum Download bereitgestellt wird. Zu Sport und Gewerkschaften - die Botschafterauswahl von „Respekt“ zeigt es - hat Rudolf eine gewachsene, enge Beziehung. Privat war er 30 Jahre als Spieler, Jugendtrainer und Abteilungsleiter bei der TSG Nieder-Erlenbach aktiv.


Botschafter aus dem Sport und speziell dem Fußball sind trotzdem in der Überzahl: Resultat Ihrer Kontakte oder von Strategie?

Beides. Durch „Zico“ kannte ich natürlich einige Leute, und meine Söhne haben früher im selben Verein wie der Sohn von Kloppo (Jürgen Klopp, d. Red.) gespielt, der damals noch in Mainz war. Kloppo fand die Aktion gleich klasse und hat uns später, vor gut zwei Jahren, nach Dortmund eingeladen. Dort haben wir die ersten Interviews gedreht, für das Buch und die begleitende DVD. So sind wir an Botschafter wie Nuri Sahin und Mats Hummels  gekommen. 

Und die Strategie?

Ich war selbst 20 Jahre Jugendtrainer im Fußball und habe im schönen Ort Nieder-Erlenbach bei Frankfurt ein Team von den Bambinis bis zur A-Jugend betreut. Da haben 20 Kids aus 16 Ländern zusammengespielt, und ich konnte gesehen, wie gut das funktioniert, über Mannschaftssport Menschen zusammenzubringen. Abgesehen davon wollten wir aber eine bunte Mischung bei den Botschaftern. Also nicht nur Fußballer, sondern auch andere Sportler, Musiker, Komödianten, Wirtschaftsvertreter und TV-Moderatoren. 

Ist öffentliche Präsenz das vorrangige Kriterium für Ihre Botschafter?

Natürlich geht es uns zum Beispiel bei den Moderatoren geht es uns natürlich um den Multiplikatoren-Effekt. Aber die Zusammensetzung hat sich auch ergeben, weil der eine Promi den anderen mitbringt. Darüber hinaus ging es uns auch da um eine Mischung. Wir haben wichtige und weniger wichtige Leute genauso wie intellektuelle und volksnähere Botschafter. 

Geht die teils schwer erkennbare Verbindung der Prominenten zum Thema Anti-Rassismus nicht auf Kosten der Nachhaltigkeit?

Im Gegenteil, jedenfalls im Fall von Respekt. Unsere Ziel ist ja, Kommunikation gegen Intoleranz zu betreiben, und zwar auf ganzer Breite. Wir sehen uns als Vermittler einer allgemeinen Botschaft, die wir teilweise provokant transportieren: Respekt ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Und ich meine Respekt auf Augenhöhe, nicht den der Mächtigen gegenüber Ohnmächtigen. Das Stichwort Rassismus gibt dem Ganzen eine Geschmacksrichtung. 

Schwerpunkt also Aufmerksamkeit, nicht Umsetzung?

Viele gesellschaftliche Gruppen machen tolle Arbeit gegen Diskriminierung. Das können wir nicht leisten. Unser Weg ist, eine Kette zu bilden aus Menschen, und dafür brauchen wir bekannte Gesichter. Diese Menschen könnten sich wahrscheinlich über vieles streiten, aber in einem sind sie sich einig: Rassismus geht gar nicht. 

So allgemein würde aber fast jeder unterschreiben. Schadet das nicht der Glaubwürdigkeit?

Nein. Ich würde sogar noch weitergehen: Glaubwürdigkeit kann ja bedeuten, dass mir jemand etwas erzählt, das gut klingt, aber gelogen ist. Uns geht es eher um Wahrhaftigkeit. 

Wie erkennt man die?

Natürlich kann man in niemanden hineinschauen. Aber unsere Botschafter müssen klar Farbe bekennen gegen Rassismus, Homophobie oder religiöse Diskriminierung. Ich habe auch schon Leute abgelehnt, weil ich ihnen das nicht abgenommen habe. Wir werden bei sehr vielen Veranstaltungen, die wir machen oder besuchen, von Sandra Minnert repräsentiert, unserer Schirmfrau. Sandra ist zweimalige Fußball-Weltmeisterin und null abgehoben. Sie kommt auch vor zehntausend Männern in einer Betriebsversammlung super an. Weil sie einfach überzeugt ist von der Sache. 

Der DOSB folgt bei der Auswahl seiner Integrationsbotschafter einem ganz anderen Konzept als „Respekt“: Ein festes Sextett von je drei Männern und Frauen, nur zum Teil bekannte Athleten. Können Sie das nachvollziehen?

Natürlich. Sie brauchen grundsätzlich beides, die Prominenten wie die Nichtprominenten, und die gibt es auch da. Ich selber sage gern, ich benutze die Stars, denn die haben ja eigentlich nie Zeit. Und als Werber weiß ich, was es wert ist, wenn die Klitschkos oder Kloppo sich eine Viertelstunde für einen Dreh nehmen und sagen, dass sie etwas super finden. Außerdem helfen die bekannten Namen, auf die aufmerksam zu machen, die nicht in den Talk-Runden sitzen, sondern jeden Tag ihre Rübe hinhalten und das Bundesverdienstkreuz kriegen müssten. Menschen wie die sogenannte „Respektsperson des Monats“, die wir auf unserer Website vorstellen. 

Der DOSB-Integrationsbotschafter Georges Papaspyratos hat das Bundesverdienstkreuz tatsächlich gerade erhalten. Gibt es eine Arbeitsteilung zwischen Projekten wie Respekt und der Integrationsarbeit zum Beispiel in Sportvereinen: Die einen sensibilisieren die breite Öffentlichkeit, die anderen nutzen das, um Menschen einander näherzubringen?

Genau so. Intoleranz ist ein Riesenproblem, aber zum Glück gibt es viele Lösungswege. Wir müssen sie gleichzeitig gehen, und zwar auf Dauer. Respekt ist keine Kampagne, sondern eine langfristig arbeitende Initiative, die ein Netzwerk für Toleranz schaffen will. Wir sehen uns als Partner derjenigen, die nicht nur große Reden schwingen, sondern etwas tun. Im Kleinen, in Sportvereinen oder in Schulen, wird so viel tolle Arbeit gemacht. 

(Quelle: DOSB / Das Interview führte Nicolas Richter)


  • Seit rund vier Jahren gewinnt Lothar Rudolf Botschafterinnen und Botschafter für die Initiative „Respekt“. (Foto: privat)
    Seit rund vier Jahren gewinnt Lothar Rudolf Botschafterinnen und Botschafter für die Initiative „Respekt“. (Foto: privat)