DDP-Meldung vom 09.07.2009, 10:36 Uhr Leipzig (ddp-lsc). Lena Levchinska weiß, wie es ist, sich ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Land durchkämpfen zu müssen. Dass diese Erfahrung auch einmal Teil ihres Berufs sein würde, hätte sich die 38-jährige Ukrainerin russischer Abstammung nicht träumen lassen, als sie 1995 mit Mann und Kind nach Deutschland einwanderte.
Die Sporttherapeutin bietet am Leipziger Zentrum für Gesundheitssport BSV AOK Gymnastik- und Schwimmtraining für ältere Menschen mit Migrationshintergrund, um sie aus der Isolation zu holen. Das Integrationsangebot speziell für Teilnehmer ab 50 Jahren wird seit 2006 durch das Programm «Integration durch Sport» des Bundesinnenministeriums gefördert und gilt als bundesweit einzigartig.
«Viele ältere Ausländer verlassen ihre Wohnungen nur gelegentlich und dann, um sich mit anderen Migranten zu treffen», charakterisiert Levchinska ihre Zielgruppe. Sie hätten meist mehr Berührungsängste mit der Außenwelt als Kinder oder Jugendliche, da sie oft weniger oder gar kein Deutsch sprächen. Für viele Migranten sei das kulturell gemischte Training deshalb nicht nur der erste richtige Kontakt mit dem Sport, sondern oft auch mit deutschen Mitbürgern.
«Ich weiß, wie es ist, wenn man sich nicht so ausdrücken kann, wie man es gerne möchte, und wenn man nicht versteht. Man denkt, die anderen reden über einen. Das hab´ ich alles durch», berichtet Levchinska. Sie musste direkt nach ihrer Zuweisung im Jahr 1995 ins westsächsische Meerane mit der neuen Sprache zurechtkommen, da es außer ihrer Familie dort kaum Migranten gab. Deshalb bemühe sie sich nun auch, die ausländischen Teilnehmer auf die Vereinsgruppen zu verteilen. «Sie können dann nicht anders als Deutsch sprechen und lernen schneller Einheimische kennen.»
So verhalf das Rückentraining Tatjana Silbergilt zu zwei deutschen Freundinnen. Die Seniorin, die seit zehn Jahren in Deutschland lebt und noch sehr gebrochen Deutsch spricht, bemüht sich nach eigenen Worten jede Woche, ihren deutschen Kurskolleginnen etwas mehr über die Geschichte ihrer russischstämmigen Familie zu erzählen. Sie sei froh über diese Gelegenheit. «Sport habe ich früher nie gemacht», sagt sie.
«Für ältere Migranten ist Sport meist überhaupt kein Thema, da sie früher den ganzen Tag auf dem Tomatenfeld standen und körperlich hart gearbeitet haben», erläutert Martina Spindler vom Landessportbund Sachsen, die für das Programm «Sport durch Integration» verantwortlich ist. Um dennoch möglichst vielen Migranten den Zugang zu Sportvereinen in der Region zu vermitteln, organisiert sie mit Lena Levchinska zusätzlich landesweite Projektwochen für deutsche und ausländische Teilnehmer.
Höhepunkt des zusammen mit dem Verein Aktive Senioren Leipzig und dem Caritas Verband ausgerichteten Fitnessprogramms seien die Gesprächsrunden, in denen die Migranten über ihre Schicksale erzählen sollten, erläutert Martina Spindler. «Da bricht das Gefühl von Fremdsein auf. Viele Einheimische erleben dort einen Aha-Effekt, was ihre ausländischen Mitbürger hinter sich haben und wie sie sich hier fühlen.»
«Wir haben seitdem in dem Verein eine Familie gefunden», sagt Valentina Fischer, die mit ihrem aus Rumänien stammenden Ehemann und ihrem schwerstbehinderten Sohn nun einmal pro Woche zum Schwimmen oder zur Gymnastik in den BSV AOK kommt. «Mein Sohn war vorher sehr niedergeschlagen, weil er kaum Kontakt zu anderen Menschen hatte», berichtet die 65-jährige Ukrainerin.
Martina Spindler hofft auf Resonanz bei anderen sächsischen Sportvereinen. Die nächsten Projektwochen unter dem Titel «Aktiv und Gesund» und «Schwimmen lernen und Sprachverfestigung» sind am 20. bis 24. September und am 22. bis 26. November 2009 geplant.
(integration-durch-sport.de; bsv-aok.de)
(ddp)
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