Multi-Kulti auf der Matte

Auf der 6 x 6 Meter großen Ringer-Trainingsmatte in der Turnhalle am Moislinger Mühlenweg sind sie einfach nur Sportler. „Da interessiert es nicht, ob man aus Russland, Kasachstan oder der Türkei kommt“, erklärt Ruslan Gelmudinov. „ Wir sind eine große Familie.“

40 Schüler aus zwölf Nationen trainieren in der Ringerabteilung des Eisenbahner-Sportvereins (ESV) Hansa Lübeck. Seit 2007 ist der ESV Stützpunktverein des bundesweiten Programms „Integration durch Sport“.

„ Sport ist die beste Möglichkeit, sich zu integrieren“, sagt Gelmudinov. Der durchtrainierte 20-Jährige im blauen Ringer-Dress weiß, wovon er spricht. Vor drei Jahren kam er aus Kasachstan nach Lübeck. „ Ich konnte kaum Deutsch“, erinnert sich Gelmudinov, der gerade eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker macht. Erst beim Ringen im Verein hat er die Sprache nach und nach gelernt „Ruslan ist unser Musterbeispiel“, freut sich Trainer Gernot Bachhuber. „Anfangs war er sehr aggressiv und es gab viele Streitereien, aber nach einem halben Jahr hat er sich total verändert.“ Der 38-Jährige stand dem Programm „Integration durch Sport“ zunächst skeptisch gegenüber. „Ich hatte Angst vor der Grüppchenbildung“, gesteht Bachhuber, der darauf achtet, das im Training Deutsch gesprochen wird. „ Doch dieser Fall ist nicht eingetreten. Bei uns fühlt sich keiner ausgeschlossen.“ Seit der ESV Stützpunktverein ist, platzt die Halle Moisling aus allen Nähten. Dichtgedrängt wuseln die jungen Sportler über die extra angefertigten gelb-roten Matten.

Für die neue Gruppe für Kinder zwischen drei und sechs Jahren müsste der Abteilungsleiter eigentlich einen Aufnahmestopp verhängen. „ Aber das wollen wir nicht“, erklärt der technische Angestellte eines Steinmetzbetriebes, der sich auch als Landestrainer fürs Ringen engagiert. Schon in der Grundschule seien viele Kinder Bewegungslegastheniker“. „Je jünger sie sind, desto schneller lernen sie“, weiß der ehemalige deutsche Vizemeister und ergänzt:“ In den USA ist Ringen Schulsport -eine der besten Möglichkeiten zur Förderung der körperlichen und geistigen Entwicklung.“

Auch abseits der Matte versuchen Bachhuber und sein Kollege Benno Schütz den Kindern etwas zu bieten. „ Sozial schwache Familien können sich das oft nicht leisten“, sagt der Reinsbeker.“ Wir gehen zum Beispiel Bowlen und fahren zu Wettkämpfen. Damit die Kinder auch mal etwas anderes zu sehen bekommen als Moisling.“ Höhepunkt sei stets das Turnier in Spiesen-Elversberg im Saarland. Da es in Schleswig-Holstein nur vier Ringervereine gibt, gehören weite Wege zum Alltag der ESV-Sportler.

Doch die Fahrt zu den Hamburger Freistil-Meisterschaften am vergangenen Wochenende hat sich für die „Eisenbahner“ wieder einmal gelohnt: Mit Hakan Karakus, Dimitri Keller, Bennet Klotzbücher, Patrick Böstrow, Rico Alexander Bachhuber, Artur Schmidt, Pablo Reimers und Christopher Meier standen gleich acht Hansa-Ringer ganz oben auf dem Podest.

Auch in der Jugend-Mannschaftswertung war der ESV dort nicht zu schlagen. Es ist aber nicht nur dieser Erfolg, der Gernot Bachhuber und sein Team in ihrer Arbeit bestärkt. Es sind Kinder und Jugendliche wie Ruslan Gelmudinov. Mit Hilfe des Sports hat sich der einst „schwierige“ 20-Jährige zu einem engagierten jungen Menschen entwickelt, der nun auch anderen Kindern hilft, sich in Deutschland heimisch zu fühlen. (Quelle Lübecker Nachrichten)