Spezialeinsatz auf der Elbinsel

Nur Frauen und Mädchen, nur Fußball: Der 1. FFC Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg, Stützpunktverein des Programms "Integration durch Sport", verbindet ein spitzes Profil mit einem umfassenden Anspruch an die eigene Integrationsarbeit.

(Foto: 1. FFC Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg)
(Foto: 1. FFC Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg)

Es geht ums Handfeste. Weniger um Stolz oder so. So klingt es zunächst, wenn Cordula Radtke über den besonderen Abend spricht, den sie und ihr Mann Trygve neulich erlebten. Als Vorsitzende beziehungsweise Finanz-, Jugend- und Sportwart des 1. FFC Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg war das Paar zur Vergabe des von DFB und Mercedes-Benz vergebenen Integrationspreises 2010 eingeladen, um die Ehrung für den dritten Platz in der Kategorie Verein zu empfangen. „Die 5000 Euro Preisgeld helfen uns sehr“, sagt sie – um anzufügen: „Aber vor allem ist das eine Anerkennung, die uns zugleich neue Türen öffnet.“

Das Projekt Wilhelmsburg steht für gute Ideen, herzhaften Einsatz und seltene Konsequenz. An Geld aber mangelt es in einem Verein, dessen Beitragseinnahmen durch das spitze Profil begrenzt sind: nur Fussballerinnen, bevorzugt mit Migrationshintergrund, 107 Mitglieder aktuell. Es geht aufwärts, besonders seitdem sich der 1. FFC gezielt neue Bevölkerungsgruppen erschließt:  Unterstützt von IMIC, ein Verein zur Förderung von Integration, startete er 2010 die Aktion „Kick it like Africans“, um Mitglieder afrikanischer Herkunft zu werben. Dennoch sagt Radtke: „Mit den Beiträgen allein könnten wir nur den Trainings- und Spielbetrieb aufrechterhalten.“

Das jedoch liefe dem eigenen Anspruch zuwider. „Integration“ steht in der Satzung wie im Ehrenkodex des Vereins und ist als Arbeitsschwerpunkt der Vorsitzenden definiert – entsprechend den Gegebenheiten in Wilhelmsburg: Rund 55 Prozent der Stadtteilbewohner haben einen Migrationshintergrund. Unter den FFC-Mitgliedern liegt dieser Anteil sogar etwas höher, nicht wenige kommen aus sozial benachteiligten Familien. Sie zu „integrieren“, verlangt mehr als Sport.

Der 1. FFC Elbinsel lebt noch nicht lange, aber er lebt intensiv. Seine Gründung im Oktober 2006 verdankt sich einem Eindruck, den die Beteiligten in ihrer vorherigen Vereinsarbeit gewonnen hatten. Radtke, deren beide Töchter kicken, sagt: „Am Ende stehen die Mädchen meistens hinten an.“

So entstand 2006 zunächst eine Kooperation mit einem anderen Club. Als dieser im Februar 2007 ausstieg, ging es nicht bergab, sondern richtig los. „Wir hatten schon 30 Kids, das war zu viel, um aufzugeben“, sagt Radtke. Im selben Jahr initiierte man den SAGA GWG Girls Cup, heute eines der größten Hallenturniere für Frauen und Mädchen im Norden. Und in Partnerschaft mit einer Ganztagsschule lief eine Mädchenfußball AG an, die vorwiegend von Jugendlichen mit Migrationshintergrund belegt wird.

Fußball ist Abeitsgrundlage in Wilhelmsburg. Nicht mehr, nicht weniger. Im vergangenen Jahr etwa konnte mit Unterstützung der Sponsoring-Initiative „Hamburger Weg“ die Teilnahme von FFC-Jugendlichen an einem Anti-Aggressions-Kurs für Mädchen organisiert werden. „Wenn ein Mädchen zu uns kommt, soll es wissen, dass es dadurch auch Zugang zu anderen Sportarten erlangen oder einen Lesezirkel besuchen kann“, sagt Radtke.

Netzwerken heißt Radtkes Zauberwort. Der Verein sucht - und pflegt - Kontakte zu Partnern aller Art: Sponsoren, Förderer, kommunale Gremien (die Vorsitzende sitzt seit kurzem dem Jugendhilfe-Ausschuss Hamburg-Mitte bei). Der 1. FFC ist Stützpunktverein im DOSB-Programm "Integration durch Sport" (IdS), das durch das Bundesministerium des Innern (BMI) gefördert wird. Das Programm ermöglicht unter anderem ein wöchentliches Schnuppertraining und, in Großteilen, die Finanzierung von „Kick it like Africans“ und eines Trainingscamps (siehe Kasten). Durch die Aktion „Kids in the Club“ der Hamburger Sportjugend sowie clubinterne Patenschaften kann zudem ein Teil der Mitgliederbeiträge finanziert werden.

Regelmäßige Drittmittel sind elementar, Zugaben hochwillkommen. Das DFB-Preisgeld dient etwa dazu, zwei afrikanische Spielerinnen, die auf dem Sprung in Hamburgs Auswahl sind, aber konditionell Rückstand haben, für sechs Monate in einem Fitnessstudio anzumelden. Als 2008 der mit 10.000 Euro dotierte Integrationspreis des Hamburger Fußballverbandes auf der Elbinsel landete, setzte das die Trainerausbildung in Gang und ermöglichte – endlich – die Anschaffung eigener Tore und anderen Materials. 

Zurzeit bemüht sich der Club verstärkt um Erwachsene: Die Eltern zum einen, die in Teilen nicht gut Deutsch sprechen und manchmal sowieso schwer verstehen, was ihre Kinder da so alles machen beim 1. FFC – der Vorstand arbeitet an einem Konzept, in dem es etwa um den Zugang zu Sprachkursen geht. Zum anderen um multikulturellen Zuwachs für die erste Mannschaft. „Es ist schwer, ältere Migrantinnen zu gewinnen“, sagt die Vorsitzende. Der Denkprozess läuft.  

Und dann ist da noch das Thema des Jahres. Die bevorstehende Frauen-WM in Deutschland. „Wir sehen uns als Teil der Bewegung“, sagt Radtke. Der Verein stellt unter anderem Volunteers, und mit weiteren Teilen des DFB-Preisegeldes schickt er 40 Personen (Spielerinnen und Eltern) auf eine zweitägige Reise nach Dresden, zum Spiel Nigeria gegen Kanada. Es ist ein Akt der Integration: Der Vorstand wählte diesen Termin, weil Nigeria zu Afrika gehört und die Partie in der deutschen Gruppe stattfindet. 

Wilhelmsburg in Kürze: 

Fakten:

  • Der Verein hat 107 Mitglieder und einen einen fünfköpfigen Vorstand
  • Sechs Teams sind gemeldet, darunter eine Frauenmannschaft
  • Der 1. FFC ist Stützpunktverein des DOSB-Programms "Integration durch Sport"
  • Weitere Partner sind der Weiße Ring, einer Ganztagsschule, ein Landschulheim, sowie Migrantenorganisationen, Stadtteilgremien, diverse Vereine und Verbände sowie Sponsoren. 

Aktivitäten (Auswahl):

  • Schwerpunktprojekt „Kick it like Africans“: Werbung um afrikanische Jugendliche (mehrsprachige Flyer et cetera) und, seit kurzem und in Kooperation mit Kirchen und anderen Partnern, ehrenamtliche Mitarbeiter
  • Regelmäßige Teilnahme von Mitarbeitern und Eltern an Fortbildungen und Infoveranstaltungen zu Integration (bspw. achtmonatige Vereinsberatung des Hamburger Sportbundes)
  • Tag des Mädchenfußballs (Motto „Fußball baut Brücken“): einmalige Aktion von 2010 mit über 500 Teilnehmern
  • Mädchenfußball-AG: Kooperation mit Ganztagsschule Fährstraße
  • SAGA GWG Cup: Nach einem Partner benannt, rund 100 Frauen- und Mädchenteams aus 23 Ländern. Erlöse gehen an einen südafrikanischen Partnerverein
  • Vereinsoffenes Trainingscamp für Mädchen und Jungs: Premiere 2009, Neuauflage in den Herbstferien


  • (Foto: 1. FFC Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg)
    (Foto: 1. FFC Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg)